Arbeitskräftereserven sind weitgehend ausgeschöpft

Der Bauarbeitsmarkt wird mit florierender Baukonjunktur immer enger. Immer mehr Bauunternehmen leiden inzwischen unter einem Mangel an Facharbeitern. Die Zuwanderung aus den MOE-Staaten ist bislang gering und kann die Lücke nicht schließen. Die Bauunternehmen sollten verstärkt in Aus- und Weiterbildung investieren.

Die aktuelle Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) führt der Baubranche deutlich vor Augen, wie klein die Fachkräftereserve auf dem deutschen Bauarbeitsmarkt geworden ist: Im August 2011 ist die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter gegenüber dem Vorjahr um fast 19 % auf knapp 31.400 zurückgegangen. Dagegen ist die Zahl der offenen Stellen um 13 % auf 10.340 gestiegen. Somit kommen rein rechnerisch 3 arbeitslose Baufacharbeiter auf eine gemeldete Stelle; im August 2009 waren es noch 8. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass nicht alle offenen Stellen von den Unternehmen gemeldet werden und auch nicht alle Arbeitslosen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. So können gesundheitliche Handicaps vorliegen oder der Arbeitnehmer kann aufgrund zu langer Arbeitslosigkeit nicht mehr in den Arbeitsprozess integriert werden oder es fehlt an Bereitschaft zur Mo-bilität. Man kann davon ausgehen, dass mindestens ein Viertel der arbeitslosen Baufacharbeiter schwer vermittelbar sind, da 16 % älter als 55 Jahre und 12 % länger als zwei Jahre arbeitslos sind.

Seit der im Juni diesen Jahres erfolgten Umstellung der Arbeitsmarktstatistik wird die Problematik besonders deutlich: Die BA veröffentlicht für Gesamtdeutschland die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter und die Zahl der offenen Stellen für Bauarbeiter nur noch ohne „Helferberufe“, d.h. es werden nur noch die Angaben für die Baufacharbeiter veröffentlicht, die Arbeitslosen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind in den langen Zeitreihen nicht mehr enthalten. So wurden dem Bauhauptgewerbe bislang etwas mehr als 90.000 Arbeitslose zugerechnet; jetzt ist der qualifizierte Kern auf 31.400 Baufacharbeiter zusammengeschmolzen. Die aktuelle Umstellung war für die Branche insofern ein Erkenntnisgewinn, als dass die Zahlen nun die tatsächliche Entwicklung auf dem Fachkräftemarkt widerspiegeln. Und hier wird deutlich: Die Nachfrage nach Baufacharbeitern steigt. In den vergangenen drei Jahren konnten 44 % der arbeitslosen Facharbeiter in den Arbeitsmarkt integriert werden - von den Bauhelfern hingegen nur 5 %.

Der Mangel an Baufacharbeitern wirkt sich auch schon auf die Bautätigkeit aus: Im Rahmen des ifo Konjunkturtests von August dieses Jahres gaben 7 % der befragten Bauunternehmen an, dass ihre Bautätigkeit durch den Mangel an Arbeitskräften behindert wird. Offene Stellen können anscheinend auch nicht ausschließlich über Arbeitssuchende besetzt werden, die Bauunternehmen gehen vielmehr zunehmend den Weg, Arbeitskräfte von anderen Bauunternehmen abzuwerben: 12 % der im Rahmen einer Sonderumfrage des ifo Instituts von April dieses Jahres befragten Bauunternehmer gaben an, dass sie schon von der Abwerbung von Arbeitskräften betroffen waren. Lediglich im Zuge des Wiedervereinigungsbooms wurden diese Werte übertroffen.

Wenn nicht gehandelt wird, ist bis zum Jahr 2020 mit einer Lücke von etwa 60.000 gewerblichen Fachkräften zu rechnen. Diesem äußerst konservativen Szenario liegt als Annahme zugrunde, dass das Bauvolumen im Trend bis 2020 um jährlich etwa 0,9 % wächst, die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr im Jahresschnitt um 2 % abnimmt und – entsprechend der Altersstrukur der Belegschaften – im Jahresschnitt etwa 11.000 Fachkräfte in den Ruhestand gehen. Mit Zuwanderungen im Zusammenhang mit der Öffnung des deutschen Bauarbeitsmarktes für MOE-Arbeitnehmer ist diese Lücke bislang nicht zu schließen. Seit Mai sind – nach Berechnungen der BA - im Baugewerbe lediglich 2.700 Beschäftigte aus den acht neuen Mitgliedstaaten zugewandert. Der Branche bleibt deshalb nichts anderes übrig, als wieder mehr in die Aus- und Weiterbildung zu investieren.


Petra Kraus, Berlin

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