CHANCEN FÜR DIE DEUTSCHE BAUINDUSTRIE

Weltweit wachsende Baumärkte

Nachdem die internationale Bauleistung der deutschen Bauindustrie im Jahr 2012 ein Rekordvolumen von mehr als 32 Mrd. € erreicht hatte, verbuchten die international aktiven deutschen Baufirmen im Berichtsjahr 2013 einen
leichten Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit.

RA Frank Kehlenbach, Leiter des Geschäftsbereichs Auslandsbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Geschäftsführer des European International Contractors e.V. (EIC)

Mit rund 31 Mrd. € lag die internationale Bauleistung um 3 % niedriger als das Rekordergebnis im Vorjahr, das internationale Auftragsvolumen verringerte sich um 15 % auf gut 28 Mrd. €. Für das Jahr 2014 darf in Anbetracht der aktuell guten globalen Baukonjunktur mit einer Stabilisierung des internationalen Baugeschäfts auf hohem Niveau gerechnet werden.

Einleitung und Überblick

Erstmals seit der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2008 wird das globale Bauvolumen im laufenden Jahr wieder in allen Regionen der Welt ansteigen. Nach einem teils dramatischen Rückgang der Bautätigkeit in Europa, vor allem in den Ländern Süd- und Osteuropas, wird für den europäischen Baumarkt insgesamt für das Jahr 2014 wieder mit einer leichten Marktbelebung von 2 % gerechnet, die sich zunächst bis 2016 fortsetzen soll. Im internationalen Vergleich fällt das wieder gewonnene Wachstum auf Europas Baumärkten allerdings moderat aus. Viel dynamischer präsentiert sich die Erholung der Baukonjunktur in Nordamerika, wo das Wachstum in diesem Jahr etwa 5 % betragen wird. Die höchsten Wachstumsraten versprechen weiterhin die aufstrebenden Entwicklungsländer in Asien – wie China, Indien und Indonesien – sowie die Region Sub-Sahara Afrika mit bis zu 7 %.

Der internationale Baumarkt 2013

Die positive Entwicklung der globalen Baukonjunktur deutete sich bereits im Vorjahr an. Im Berichtszeitraum stieg der akkumulierte internationale Umsatz der führenden 250 international aktiven Bauunternehmen zufolge der Statistik (Abb. 1) der amerikanischen Fachzeitschrift „Engineering News-Record“ um 6,5 % auf 544 Mrd. US$. Wie üblich ist diese Zahl in Anbetracht der Doppelzählungen im Konzernverbund der Grupo ACS nur als Richtwert zu werten, da die beträchtlichen internationalen Umsätze der großen deutschen und australischen Beteiligungsgesellschaften, Hochtief und Leighton, im Rahmen der ENR-Statistik zu denen der Muttergesellschaft hinzugerechnet werden.

Auf dieser Basis war ein Anstieg des internationalen Geschäftsvolumens in allen Weltregionen mit Ausnahme des Mittleren Ostens zu verzeichnen, wo das Umsatzvolumen im Vergleich zum Vorjahr um -8 % auf 84 Mrd. US$ abnahm. Innerhalb Europas stiegen die grenzüberschreitenden Unternehmensumsätze um 10 % an und reichten mit fast 112 Mrd. US$ schon wieder an das Vorkrisen-Niveau aus dem Jahr 2008 heran. Auch auf dem afrikanischen Kontinent legte das internationale Umsatzvolumen nach einer zweijährigen Konsolidierungsphase erneut zu und erreichte mit rund 62 Mrd. US$ einen Spitzenwert (+ 9 % gegenüber 2012). Die größte Wachstumsdynamik war indes jenseits des Atlantiks zu vermerken, wo das internationale Geschäftsvolumen in Nordamerika um 15 % auf gut 82 Mrd. US$ und in Südamerika um 13 % auf über 56 Mrd. US$ zulegte. Bescheidener verlief die Entwicklung in der Asien-Pazifik-Region, wo das bereits hohe Vorjahresniveau noch einmal um gut 5 %  auf nunmehr rund 146 Mrd. US$ gesteigert werden konnte. Allerdings fallen in dieser Region die Konzernverflechtung innerhalb der Grupo ACS und damit die Doppelzählung des internationalen Geschäftsvolumens ganz besonders ins Gewicht.

Europäische Bauindustrie wieder verstärkt in Übersee tätig

Die Statistik des europäischen Auslandsbauverbands „European International Contractors“ (EIC, Abb. 2) für das Jahr 2013, die im Gegensatz zur ENR-Statistik die Firmen des petrochemischen Anlagenbaus unberücksichtigt lässt, weist leichte Geschäftseinbußen von -3 % über sämtliche Regionen gesehen aus. Ursächlich für dieses Ergebnis waren im Wesentlichen Umsatzrückgänge von jeweils -8 % im europäischen Baugeschäft sowie – währungsbedingt – auch in Nordamerika. In Afrika und in der Asien-Pazifik-Region stagnierten die europäischen Bauaktivitäten, während sie in Südamerika und in der Golfregion um jeweils 16 % anstiegen. Insgesamt verzeichneten die in der EIC-Statistik erfassten 178 europäischen Baufirmen einen internationalen Umsatz von 163 Mrd. €, wovon rund 69 Mrd. € im europäischen Baumarkt erzielt wurden und 94 Mrd. € in Übersee.

Den mit Abstand größten Umsatzanteil am innereuropäischen Baugeschäft konnten nach wie vor die französischen Baukonzerne mit rund einem Viertel auf sich verbuchen, dahinter folgten die Firmen aus Österreich mit knapp einem Fünftel, vor den Bauunternehmen aus Schweden (13 %) und den Niederlanden (11 %). Die deutsche Bauindustrie blieb weiterhin in Australien und in Nordamerika durch ihre großen Beteiligungsgesellschaften gut positioniert. In Südamerika vereinigten die Baufirmen aus Spanien und Italien gemeinsam knapp 60 % des europäischen Umsatzes in der Region auf sich. In Afrika verteidigten die französischen Bauunternehmen mit rund einem Drittel ihre europäische Spitzenposition vor den portugiesischen Firmen mit rund einem Viertel. Im Mittleren Osten entfiel der größte Marktanteil auf die türkische Bauindustrie, die sich auch im Irak stark engagiert. Außerdem waren türkische Baufirmen wiederum in Zentralasien sehr aktiv, während es der französischen Bauindustrie gelang, trotz der starken lokalen und regionalen Konkurrenz in den Baumärkten im Fernen Osten sowie Südostasiens präsent zu bleiben.

Für das laufende Jahr lässt der internationale Auftragseingang der europäischen Bauindustrie aus dem Jahr 2013 von rund 184 Mrd. € einen erneuten Anstieg des Geschäftsvolumens erwarten, vor allem im Mittleren Osten sowie in Afrika, wo das Ordervolumen um jeweils ein Viertel gesteigert werden konnte.

Deutscher Auftragseingang aus dem Ausland im Jahr 2013

Die in der Auslandsbaustatistik des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie erfassten international aktiven deutschen Bauunternehmen akquirierten im Berichtszeitraum mit ihren lokalen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften Auslandsaufträge (Abb. 3) im Gesamtwert von 28,3 Mrd. €. Das war ein Orderrückgang von -15 % im Vergleich zu 2012, wobei der Konzernumbau des ehemaligen Bauunternehmens Bilfinger zum Industriedienstleister und der damit verbundene Rückgang der internationalen Bauaktivitäten zu berücksichtigen ist. Die internationale Bauleistung sank zwar leicht um -3 % auf 31 Mrd. €, verblieb jedoch auf einem hohen Niveau, da es sich bei dieser Summe um den zweithöchsten Wert nach dem Rekordbetrag aus dem Vorjahr handelt.

Wie gewohnt lieferte das Tochter- und Beteiligungsgeschäft in Australien und den USA den weitaus größten Beitrag zum internationalen Baugeschäft der deutschen Bauindustrie. Allerdings sank das Auftragsvolumen aus Australien im Berichtszeitraum um -13 % auf gut 16 Mrd. € und jenes aus den USA um -20 % auf 7,5 Mrd. €. In beiden Regionen war der Rückgang im Wesentlichen auf Währungseffekte infolge des zeitweiligen Kursverfalls des australischen und des US-Dollars gegenüber dem Euro in 2013 zurückzuführen. In Lateinamerika reduzierte sich das Geschäftsvolumen auf gut 400 Mio. €.

In Europa stieg das Ordervolumen der deutschen Bauindustrie in Anbetracht einer Geschäftsbelebung im Tochter- und Beteiligungsgeschäft wie auch im traditionellen Auslandsbau innerhalb des europäischen Binnenmarkts um 15 % auf rund 3,2 Mrd. €. Die größten Auftragsvolumina wurden in Polen, Dänemark und den Niederlanden akquiriert. Das Ordervolumen aus Asien stieg im Vergleich zum Vorjahr leicht um 8 % auf rund 750 Mio. €.  Im Fokus stand neben den Baumärkten der Golfregion auch Malaysia. Die Auftragseingänge in Afrika blieben gegenüber dem Vorjahr mit rund 440 Mio. € konstant (Abb. 4).

Aktuelle Themen des internationalen Baugeschäfts

Die Exportkreditgarantien des Bundes („Hermesdeckungen“) bleiben für die deutsche Bauindustrie ein wichtiges Instrument der Risikoabsicherung in politisch und wirtschaftlich schwierigen Baumärkten. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung des Tochter- und Beteiligungsgeschäfts war allerdings die im Berichtszeitraum erfolgte Weiterentwicklung der Deckungspolitik des Bundes längst überfällig. Auf der internationalen Ebene richten sich die Augen auf die Weltbank, die derzeit mit der ersten umfassenden Überprüfung ihrer operativen Beschaffungspolitik seit ihrer Gründung im Jahr 1946 beschäftigt ist.

Bundesregierung führt erweiterte Lieferantenkreditdeckung ein

Nach intensiven Diskussionen mit der Wirtschaft hat die Bundesregierung im Juni 2014 die sog. „Erweiterte Lieferantenkreditdeckung“ eingeführt. Damit wird es für deutsche Exporteure unter bestimmten Voraussetzungen möglich, ihre Fabrikations- und Ausfuhrrisiken auch dann abzusichern, wenn der Exportvertrag von einem lokalen Verbundunternehmen im Ausland abgeschlossen wird und eine Abtretung der Exportforderung nicht ohne weiteres möglich ist. Demnach können in begründeten Ausnahmefällen künftig auch solche Geschäfte mit einer Hermesdeckung abgesichert werden, die notwendigerweise über eine lokale Tochtergesellschaft im Bestellerland kontrahiert und abgewickelt werden müssen. Dies trifft für die Bauindustrie z.B. zu, wenn die Gesetzgebung im Bestellerland vorschreibt, dass Bauvorhaben zwingend an lokale Unternehmen bzw. Joint Ventures mit lokalen Partnern zu vergeben sind oder in Ausschreibungen lokalen Bietern hohe Bonusbewertungen zugesprochen werden. Wichtigste Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erweiterten Lieferantenkreditdeckung ist, dass der deutsche Exporteur als Deckungsnehmer und Vertragspartner des Bundes in der Lage ist, während der Laufzeit der Deckung sowie im Rahmen eines eventuellen Regresses sein ausländisches Verbundunternehmen so zu steuern, dass alle Weisungen des Bundes umgesetzt werden. Ein hinreichendes Beherrschungsverhältnis ist im Regelfall bei einer Vollkonsolidierung des ausländischen Verbundunternehmens anzunehmen.

Vergabereform der Weltbank

Im Juli 2014 stimmten die Exekutivdirektoren der Weltbank grundsätzlich einem neuen Rahmen für die Vergabe von Weltbank-finanzierten Investitionen zu. Ziel der Vergabereform ist es, die gängigen Vergabeverfahren zu flexibilisieren, um den veränderten Anforderungen der Kreditnehmer entgegenzukommen.

Die deutsche Bauindustrie erkennt die Notwendigkeit der Modernisierung der Weltbank-Vergabepolitik an, wirbt aber gleichzeitig für die Beibehaltung des über Jahrzehnte entwickelten „goldenen Vergabestandards“ im Fall von großen Infrastrukturvorhaben. Daher fordert der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Beschaffungsrichtlinien und Muster-Vergabedokumente der Weltbank für komplexe Großbauvorhaben zu erhalten.

In jedem Fall sollte die Weltbank immer eine Einzelfallentscheidung treffen, ob ein Kreditnehmer die nationalen Beschaffungsverfahren verwenden darf oder ob die Muster-Vergabedokumente der Bank anzuwenden sind. Der Überarbeitungsprozess soll im nächsten Jahr abgeschlossen werden.

Hauptverband der Deutschen Bau-
industrie, Berlin

www.bauindustrie.de

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