Schlauchlining – Nach 40 Jahren die Nummer 1

Quo vadis, Schlauchliner? Eine Frage, die die Sanierungsbranche seit mehr als 40 Jahren bewegt.

Umfragen belegen: Werden Abwasserleitungen und -kanäle saniert, laufen grabenlose Verfahren der offenen Bauweise mittlerweile den Rang ab. Öffentliche und private Netzbetreiber setzen verstärkt auf Reparatur und Renovierung, wenn es darum geht, die Nutzungsdauer der Kanalsubstanz zu verlängern und ihren Zustand zu verbessern. Besonders bemerkenswert: Bei der Renovierung sind die Reliningverfahren mit einem Anteil von rund 90 Prozent der absolute Spitzenreiter. Grund genug, die „Erfolgsgeschichte Schlauchliner“ auf dem 10. Deutschen Schlauchlinertag am 20. März in Berlin Revue passieren zu lassen. Der jährlich stattfindende Kongress hat sich als führende Fachveranstaltung etabliert und versteht sich als Forum, auf dem nicht nur aktuelles Know-how vermittelt wird, sondern auch sensible Aspekte des Kanalsanierungsverfahrens kritisch und ergebnisoffen angesprochen werden. Neben der historischen Rückblende stehen Themen wie Stand der Technik, Wirtschaftlichkeit, Nutzungsdauer und Abschreibungszeiten ebenso im Fokus wie Qualitätsaspekte, Auftragsvergabe, Planung und Bürgerbeteiligung oder ein Referat über den Einsatz des Schlauchlinings in der Grundstücksentwässerung.
 
 
Auftraggeber überzeugt
Vor allem die enorme Vielfalt der Technologie in punkto Material und Einbauverfahren bei zugleich wirtschaftlich günstigen und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten haben zum Siegeszug des Schlauchliners beigetragen – bei der Renovierung des öffentlichen Kanalnetzes ebenso wie bei der Sanierung privater Entwässerungssysteme. Hinzu kommt: Das Material ist für den Einbau in verschiedene Werkstoffe geeignet und kann je nach System in Nennweitenbereichen von DN 100 bis DN 2000 und mehr eingesetzt werden. Dabei werden flexible mit Reaktionsharzen getränkte Schlauchträger in die zu sanierende Haltung eingebracht und ausgehärtet. Durch unterschiedliche Aushärteverfahren wie Warmwasser-, UV- Licht- oder Dampfhärtung erfolgt eine Reaktion zu einem statisch tragfähigen, biegeweichen Kunststoffrohr. Die unterschiedlichen Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass in der Regel keinerlei Aufgrabungen im Bereich der zu sanierenden Haltung nötig sind, auch nicht für den Anschluss von Seitenzuläufen. Der Querschnittsverlust beschränkt sich auf die Wanddicke des ausgehärteten Inliners. Ein Konzept, das die Auftraggeber überzeugt: Öffentliche und private Bauherren erwarten ganzheitliche Sanierungsstrategien und moderne Sanierungsverfahren, die schnelle und wirtschaftliche Lösungen bieten. Hierzu zählen die geringen Kosten, die im Gegensatz zu einer Neuverlegung für eine Sanierungsmaßnahme aufzubringen sind. Zudem können die notwendigen Arbeiten in kurzer Bauzeit ausgeführt werden, die Unterbrechung der Abwasserentsorgung ist in der Regel innerhalb von Stunden erledigt. Auch die Beeinträchtigungen für den Fußgänger- und Straßenverkehr halten sich in akzeptablen Grenzen, ein Umstand, der zu einem deutlich reduzierten CO2-Ausstoß beiträgt. Nicht zuletzt verfügt der sanierte Leitungsabschnitt wieder über eine wesentlich erhöhte Lebensdauer.
 
Schlagkräftige Argumente
Das sind schlagkräftige Argumente, die bei der Entscheidung „Neubau oder Renovierung“ eine gewichtige Rolle spielen. Nach wie vor gilt: Der Sanierungsbedarf für die Kanalisation in Deutschland ist groß. Auswertungen von Kanaluntersuchungen belegen Schäden sowohl an öffentlichen Abwasserkanälen als auch an Abwasserleitungen auf privatem Grund. Es gibt rund 500 000 km öffentliche Abwasserkanäle in Deutschland. Hinzu kommen mehr als eine Million Hausanschlüsse und Grundstücksleitungen. Hiervon weisen rund ein Fünftel Schäden auf, die kurz- bis mittelfristig zu sanieren sind – so ein Fazit, das die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) aus der letzten Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland zieht. Sie wurde 2009 in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag sowie dem Deutschen Städte- und Gemeindebund durchgeführt. Die Ergebnisse machen deutlich: Der Anteil von Kanalhaltungen, in denen kurz- oder mittelfristig zu behebende Schäden vorhanden sind, liegt bei den Teilnehmern an der Umfrage bei 17 Prozent. Im Vergleich zu früheren Umfragen ist keine maßgebliche Veränderung des Schadensumfangs geschädigter Haltungen im bundesdeutschen Kanalisationsnetz erkennbar. Es besteht also weiterhin ein hoher Sanierungsbedarf. Interessante Ergebnisse liefert die DWA-Umfrage auch hinsichtlich der Entwicklung bei der Wahl der eingesetzten Verfahren. Fakt ist: Der Anteil der Kanalerneuerung durch Neuverlegung geht nach und nach zurück, grabenlose Verfahren laufen der offenen Bauweise inzwischen den Rang ab. Erkennbar ist auch, dass Netzbetreiber zunehmend auf die Behebung der Schäden in den Kanälen setzen. Dies kann durch die Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kanals (Renovierung) oder durch die Behebung von örtlich begrenzten Schäden (Reparatur) geschehen. Bei den Renovierungsverfahren nehmen Reliningverfahren mit rund 90 Prozent die absolute Spitzenstellung ein.  

Bei den Kosten die Nase vorn

Zukunftsorientiert und werterhaltend soll eine nachhaltige Sanierung sein. Wie ist das in der Zwickmühle zwischen zögerlicher Investitionsbereitschaft und angestrebter Lebensdauer zu verwirklichen? Das Thema ganzheitliche Kanalsanierung hat sich zu einer generationsübergreifenden Aufgabe entwickelt. Neben der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit, dem Schutz von Grundwasser, Gewässer und Boden vor Kontaminationen und der Vermeidung von Beeinträchtigungen benachbarter Leitungen, Straßen und Verkehr durch schadhafte Kanalisationen ist die Sicherstellung des Werterhalts eines über Generationen gewachsenen Volksvermögens ein wesentlicher Aspekt. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit bestehender Kanalisationsnetze ist deshalb eine regelmäßige Feststellung und Beurteilung ihres Zustands unabdingbar. Auf dieser Grundlage können erforderliche Kanalsanierungsmaßnahmen wirtschaftlich geplant und umgesetzt werden. Bei der Entscheidung zwischen offener oder grabenloser Bauweise gewinnen auch die finanziellen Aspekte zunehmend an Bedeutung. Je nachdem, mit welchen Verfahren das langlebige Wirtschaftsgut Kanalnetz saniert wird, unterscheiden sich die direkten und indirekten Kosten, aber auch Abschreibungszeiträume und Unterhaltskosten. Ein Kostenvergleich von offener und geschlossener Bauweise macht die Unterschiede deutlich. So sind die direkten Kosten bei einer grabenlosen Sanierung vor allem einer Verringerung von Straßenaufbrüchen, dem Wegfall von Aushub und Transport großer Bodenmassen, der Reduzierung von Leitungsumlegungen und dem Wegfall bzw. der Einschränkung von Grundwasserhaltungen erheblich niedriger. Das gleiche trifft auf die indirekten Kosten zu. Die Beschränkung von Verkehrsbeeinträchtigungen, die Verringerung von Lärm- und Emissionsbelastungen in Form von CO2, die Reduzierung von Unfallgefahren, die Verminderung von Schäden an benachbarten Bauten, der Wegfall von witterungsbedingten Ausfallzeiten, die Schonung der Vegetation sowie eine Verminderung der Beeinträchtigung der Anlieger und des Handels schlagen hier positiv zu Buche. Hinzu kommt: Bei entsprechenden Randbedingungen, wie zum Beispiel teuren Straßenbelägen, Bodenaustauschmaßnahmen oder hohen Grundwasserständen kann die grabenlose Bauweise schon in relativ geringen Tiefenlagen wirtschaftlicher sein als die konventionelle Bauweise.
 
Viel getan
Eine Sichtweise, die zunehmend mehr Auftraggeber teilen. Eine wirtschaftliche Sanierung kann nur durch eine intensive und sachgerechte Planung und die richtige Entscheidung bei der Auswahl des Sanierungsverfahrens erreicht werden. Verantwortungsbewusst handelt, wer den Blick sowohl auf den Geldbeutel als auch auf Qualität und Nachhaltigkeit setzt. „Haushalten in der Abwasserwirtschaft bedeutet den Wert der jetzigen Abwassernetze zu erhalten, Nutzungsdauern durch geeignete Maßnahmen wieder aufzustocken“, erklärt Dipl.-Ing. Franz Hoppe, Hamburg Wasser. Nach der DWA-Umfrage waren die Kosten für einen Meter Renovierung nur halb so hoch wie die für die Erneuerung. „Wir könnten also mehr erreichen, wenn wir den Trend immer mehr zu renovieren fortsetzen würden“, stellt Hoppe fest. „Da jedoch nicht die Baukosten entscheidend sind, sondern die durch Abschreibung und Verzinsung errechneten Jahreskosten, spielt die tatsächliche Nutzungsdauer von Renovierungsmaßnahmen eine deutliche Rolle.“ Hier hat sich nach Meinung Hoppes in den letzten 10 Jahren viel getan, um das Endprodukt zu verbessern und somit auch lange Nutzungsdauern sicherzustellen. Maßgeblich daran beteiligt waren die Hersteller der verschiedenen Verfahren und Produkte, aber auch der permanente Austausch mit Auftraggebern, Planern und Netzbetreibern. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung einer Veranstaltung wie dem Deutschen Schlauchlinertag deutlich. Der Branchentreff hat sich zu einer meinungsbildenden Institution entwickelt, die maßgeblich dazu beiträgt, Anforderungsprofile an das Produkt Schlauchliner permanent weiter zu entwickeln und die Qualität von Material und Verfahren auf einem immer höheren Niveau zu etablieren.  
Hohes Qualitätsniveau
„Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von technischen Regelwerken und ein ausgereiftes Qualitätsmanagement“, erläutert der Organisator des Schlauchlinertags, Dr.-Ing. Igor Borovsky von der Technischen Akademie Hannover. In diese sind die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte eingeflossen – positive wie negative. So unter anderem in Anwendungshandbücher und allgemeine bautechnische Zulassungen für die Verfahren oder in Güteschutz-Systeme für die Unternehmen. Beispielhaft nennt Borovsky das Hamburger und das süddeutsche Anforderungsprofil für Schlauchliner, die unter Beteiligung von Kommunen, Industrie und Rohrleitungssanierungsverband entstanden sind. Das Ergebnis der süddeutschen Arbeitsgruppe wurde 2004 als erste Auflage in Form von Vorbemerkungen für die Ausschreibung einschließlich eines dazugehörigen Qualitätssicherungskonzepts veröffentlicht. Es wurde durch Checklisten und Besprechungsniederschriften als Arbeitshilfsmittel ergänzt. Die Anforderungsprofile dienen Auftraggebern und Unternehmen als verlässliche und dem heutigen Stand der Technik angepasste Grundlage für Ausschreibung, Planung und Bauausführung und ermöglichen eine relativ schnelle Einarbeitung in die Thematik und die Durchführung von Kanalsanierungen mit vor Ort aushärtenden Schlauchlinern.  
Allerdings zählt nicht nur die technische Sichtweise – auch hierin sind sich Hoppe, Borovsky und die Sponsoren des Schlauchlinertags einig. Wichtig ist das Verständnis, das man dem Produkt entgegen bringt und da sind Auftraggeber, Auftragnehmer, Hersteller, aber auch Regelsetzer gleichermaßen gefordert. Nur wer ein Produkt richtig versteht ist in der Lage Qualität zu erzeugen. Und Qualität ist die Voraussetzung für lange Nutzungsdauern und somit für Wirtschaftlichkeit. Auch darin liegt ein Anspruch an eine Veranstaltung wie dem Deutschen Schlauchlinertag, der in den vergangenen zehn Jahren viel dazu beigetragen hat, das Verfahren immer wieder in den Fokus zu rücken und das Verständnis für das Produkt zu schärfen. Eine Grundeinstellung, die bei der Jubiläumsveranstaltung in Berlin ihre Fortsetzung finden wird.
 
 
Anmeldung und weitere Informationen unter www.schlauchliner.de

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