Neue Berufe dank BIM

Im Zeitalter des Bauen 4.0 entstehen neue Berufsbilder

Building Information Modeling (BIM) bringt neue Zuständigkeiten mit sich. Im Bauunternehmen Wolff & Müller sind drei Rollen entstanden:

BIM-Manager, BIM-Koordinator und BIM-Modellierer.

Das digitale Planen und Bauen mit BIM hält zunehmend Einzug in der deutschen Baubranche. Zwei große öffentliche Bauherren treiben BIM voran: Das Bundesbauministerium hat Anfang dieses Jahres per Erlass verfügt, dass BIM bei Hochbauprojekten des Bundes ab einer Bausumme von fünf Millionen Euro zum Einsatz kommt. Das Bundesverkehrsministerium will BIM bis zum Jahr 2020 zum Standard bei neuen Verkehrsinfrastrukturprojekten machen.

Neue Planungsstrukturen

BIM verändert die Planungskultur: Die Beteiligten – z.B. Architekt, Fachplaner und Bauunternehmen – müssen früher und enger als bisher zusammenarbeiten. Jeder hinterlegt seine Informationen zentral und durchgängig in einem Gebäudedatenmodell, auf das alle Partner zugreifen können. Neu ist auch, dass der gesamte Lebenszyklus des Bauwerks betrachtet wird, von der Ideenfindung über die Planung, den Bau und die Betriebsphase bis zum späteren Rückbau. Diese Arbeitsmethode bringt neue Zuständigkeiten mit sich: Jedes BIM-Projekt braucht ein Team, das die gemeinsame Arbeit am virtuellen Modell steuert und koor-diniert.

Teamstruktur laut Leitfaden

Der 2013 veröffentlichte „BIM-Leitfaden für Deutschland“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) nennt für BIM-Projekte beispielhaft eine Teamstruktur, bestehend aus drei Aufgabenbereichen: BIM-Management, BIM-Koordination und BIM-Gesamtkoordination. Während der BIM-Manager den Auftraggeber berät und die Rahmenbedingungen für den BIM-Prozess schafft, sind die BIM-Koordinatoren für die operative Umsetzung zuständig. Jeder Projektbeteiligte hat einen eigenen Koordinator. Bei Projekten mit einem Generalplaner oder Generalunternehmen wird zudem ein Gesamtkoordinator eingesetzt. Er ist der Ansprechpartner für die einzelnen Koordinatoren und Bindeglied zum BIM-Manager.

Konkurrenz um Zuständigkeiten

In der Praxis sind die einzelnen Rollen meist nicht klar getrennt, sondern gehen ineinander über. Bei klei-
neren Projekten kann eine Person mehrere Rollen ausfüllen. Hinzu kommt, dass die Begriffe BIM-Manager und BIM-Koordinator nicht einheitlich verwendet werden und auch nicht geschützt sind.

Welche Fachdisziplin welche Rolle übernimmt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Projekt-größe, den BIM-Zielen des Bauherrn und der BIM-
Erfahrung der einzelnen Beteiligten. Noch hat sich keine Zuordnung abschließend etabliert. So konkurrieren derzeit Projektsteuerer, externe BIM-Consulting-Unternehmen, Generalunternehmen und Architekten um die Rolle des BIM-Managers.

Neue Rollen im Bauunternehmen

Das Bauunternehmen Wolff & Müller arbeitet seit 2009 mit BIM. Ein kürzlich abgeschlossenes BIM-Projekt ist der Neubau des Rathauses Leonberg – hier kam die Arbeitsmethode schon ab der Leistungsphase 3 zum Einsatz. Modelliert wird in einer Cloud auf den Servern des Bauunternehmens. Als Partner mit der meisten BIM-Erfahrung stellte Wolff & Müller die Arbeitsumgebung und koordiniert die Arbeit der Architekten und Fachplaner. Um das eigene Leistungsspektrum bei BIM-Projekten transparent und einheitlich darzustellen, hat Wolff & Müller sogenannte BIM-Level definiert. Das BIM-Management und die BIM-Gesamt-
koordination werden als optionale Zusatzleistungen über alle Phasen hinweg angeboten.

Auch personell hat sich die Unternehmensgruppe auf das digitale Planen und Bauen eingestellt. BIM-Projekte werden von der Gruppe „Digitalisierung/BIM“ in der zentralen „Serviceeinheit Unternehmens-entwicklung“ betreut. Hier arbeiten BIM-erfahrene Architekten und Tragwerksplaner in ihren Rollen als BIM-Manager und BIM-(Gesamt-)Koordinatoren, unterstützt von Bautechnikern als BIM-Modellierer. In den nächsten Jahren soll jede Niederlassung im Geschäftsfeld Bau einen eigenen BIM-Koordinator bekommen.

Aufgaben des BIM-Managers

Ein BIM-Manager bei Wolff & Müller koordiniert, steuert und überwacht in der Regel mehrere BIM-Projekte und deren Bearbeitungsstände. Konkret  berät er den Auftraggeber rund um die neue Arbeitsmethode und wirkt bei Startgesprächen und der Vertragsgestaltung mit. Er definiert die rechtlichen und technischen Spielregeln für das Projekt: den BIM-Projektabwicklungsplan, die besonderen Vertragsbedingungen für BIM-Leistungen (BIM-BVB) und das BIM-Pflichtenheft mit den technischen Vorgaben.

Innerhalb der Unternehmensgruppe Wolff & Müller entwickelt der BIM-Manager die Standards für die neue Arbeitsweise weiter. Er berät die einzelnen Niederlassungen rund um das Thema BIM und unterstützt sie beispielsweise bei der Auswahl geeigneter Fachplaner. Das Bauunternehmen hat einen Pool mit Planern aufgebaut, die über BIM-Software und BIM-Know-how verfügen und vor allem offen und experimentierfreudig genug sind für die neue Arbeits-
weise.

Aufgaben des BIM-Koordinators

Als Generalübernehmer übernimmt Wolff & Müller bei manchen Projekten auch die BIM-Gesamtkoordination. Der Gesamtkoordinator überwacht die BIM-spezifischen Planungsleistungen und unterstützt die Fachplaner bei der Modellierung in der Cloud. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist die Kollisionsprüfung der verschiedenen Fachplaner-Modelle und die Aufbereitung der Kollisionen für die Jour-Fixe-Termine im Planungsteam. Anwenderschulungen gehören ebenfalls zu seinem Aufgabenbereich.

Koordinatoren sind generell auch für die Aufbereitung der Datenmodelle für interne Zwecke zuständig: Wolff & Müller leitet daraus zum Beispiel die Mengen für die Kalkulation und Ausschreibung ab und verknüpft das Modell mit dem Terminplan, um den Bauablauf zu simulieren.

Aufgaben des BIM-Modellierers

BIM-Modellierer werden vor allem für die modellbasierte Mengenermittlung in der Angebotsphase eingesetzt. Aus den Entwurfsplänen, die zu diesem frühen Zeitpunkt bereits vorliegen, erstellen sie ein detailliertes BIM-Modell. Aus diesem Modell kann Wolff & Müller die Informationen und Planungsinhalte für ein Angebot besonders exakt ableiten.

Anforderungen und Ausbildung

Für eine Position als BIM-Manager und BIM-Koordinator kommen IT-affine Architekten und Bauingenieure infrage. Bautechnisches Know-how und Berufserfahrung in der Projektleitung oder -abwicklung ist zwingend erforderlich, ebenso Erfahrungen aus bereits abgewickelten BIM-Projekten. Wolff & Müller bildet die eigenen BIM-Fachleute selbst aus: Zum einen, weil das entsprechende Angebot an Fortbildungen begrenzt ist, aber auch, um innerhalb des Unternehmens ein einheitliches Verständnis der Methode sicherzustellen.

Marktchancen für BIM-Fachleute

Die Marktchancen für erfahrene BIM-Fachleute sind in den nächsten Jahren sehr gut, weil viele Unternehmen das entsprechende Know-how erst aufbauen müssen und dafür Fachleute suchen. Umgekehrt ist die Akquise von BIM-Fachleuten für Unternehmen derzeit schwierig. Die Hochschulen beschäftigen sich mittlerweile intensiv mit BIM und vermitteln auch die theoretischen Grundlagen für die neuen Rollen – doch das ist nur die Grundlage für die Praxis. Die nötige Berufserfahrung werden diese BIM-Fachleute von morgen erst noch erlangen müssen. Deswegen ist die Position des BIM-Managers ist vielleicht mit jener eines Ober-Bauleiters oder Groß-Projektleiters vergleichbar, die ebenfalls nicht an den Hochschulen ausgebildet werden kann, sondern langjährige Berufs-erfahrung erfordert.

Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG

www.wolff-mueller.de

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