In Schale geworfen

Zu den Aufgabe des Schalungsbauers
gehört, dem Beton genau die richtige Form und Oberfläche zu verleihen.
Sonderschalungen lassen kühne
Entwürfe zur Realität werden.

So wie die Architektur den Werk- und Baustoff wieder-entdeckt, wächst der Stellenwert von Sonderschalungen, um besondere geometrische, gestalterische und grafische Effekte zu erzielen. Tatsächlich ist Beton heute nicht nur das am meisten verwendete Baumaterial, sondern hat sich auch als einer der edelsten Baustoffe der zeitgenössischen Architektur etabliert. Das zeigt die Arbeit namhafter Architekten wie David Chipperfield, Tadao Andō, Zaha Hadid, Renzo Piano oder von Newcomern wie etwa Vo Trong Nghia oder Tatiana Bilbao. Vom schlichten Wohnhaus bis hin zu atemberaubenden Jahrhundertbauwerken wie der Wirtschaftsuniversität Wien oder der City of Dreams in Macau: Den Gestaltungsmöglichkeiten scheinen keine Grenzen gesetzt. Filigran, schwebend, geschwungen, gebogen, gewölbt, geneigt, fliegend, fließend, gedreht
kommen Bauwerke und Bauteile daher.

Die ultimative Herausforderung

Den Werkstoff Beton in diese Form zu bringen, ist die
Aufgabe des Schalungsbauers. Er muss neben Geometrie und Formgebung vor allem auch die Betonoberfläche, also das sichtbare Ergebnis im Auge haben. Dabei stellen Sonderschalungen die ultimative Herausforderung an die Kompetenz
des Schalungsbauers dar. Je ungewöhnlicher und gewagter die architektonische Vorstellung ist, desto größer ist diese Herausforderung. Denn gebaut wird nicht im Labor, sondern unter
realen Bedingungen und unter den Gesetzmäßigkeiten eines praktischen Bauablaufs.

Handwerkliche Fähigkeiten und der bestmögliche Maschineneinsatz bilden die Voraussetzungen, um Sonderschalungen mit hoher Präzision zu fertigen. Außerdem müssen sie so in den Baustellenablauf einfließen, dass eine besondere Formgebung auch „baubar“ ist. Die Fachwelt spricht vom Prinzip „buildability“, also die Realisierbarkeit von besonderen Geometrien.

Betontechnologie, Architektur und Planung

im Spannungsfeld

Begriffe wie „Gesamtbauwerk als Betonskulptur“, „Marmor-beton“, „Bauwerk als gewachsener, künstlicher Stein“ beeinflussen heute die Entwurfspraxis. Die Form des Baukörpers soll das Erscheinungsbild prägen, nicht die stark texturierte Ober-fläche. Für repräsentative Hochbauten werden glatte, porenfreie, farblich einheitliche Betonansichten mit scharfen Kanten, aber ohne erkennbare Arbeitsfugen gefordert. So entstehen ganz neue Herausforderungen an die konstruktive Berechnung solcher beliebig formbarer Baukörper – und somit auch an die Schalungstechnik und die Betontechnologie.

Die baupraktische Realisierung des vorgegebenen optischen
Erscheinungsbildes der Betonoberfläche ist entscheidend, wenn das gestalterische Ziel und die Wirkung des Gesamtbauwerkes erreicht werden sollen. In filigrane, hohe, eng bewehrte Bauteile mit großen Durchbrüchen kann ein plastischer Beton nicht mehr eingebaut werden. Es müssen weiche, leicht verdichtbare Betone hergestellt werden. Dazu sind größere Fließmittelmengen erforderlich. Sie neigen bei der Verwendung von glatten und beschichteten Schalungen allerdings stark zu farblichen Ungleichmäßigkeiten und Sedimentationen.

Selbstverdichtende Betone haben einen stark begrenzten
Verarbeitungsbereich. Schwankungen z. B. der Eigenfeuchte der Gesteinskörnungen, Restwasser in der Schalung, Temperatur-änderungen oder nicht kontinuierliches Einfüllen können zu
negativen Veränderungen der Fließ- und Entlüftungseigenschaften führen. Die nach der Norm zulässigen leicht
verdichtbaren Betone der Konsistenz F5, F6 führen häufig zu
Sedimentationen. Betontechnologisch muss sehr oft ein normkonformer, sehr weicher, aber robuster bzw. sedimentations-stabiler Beton eingesetzt werden.

Sonderschalungen: wirtschaftlich durch Kombination

Sonderschalungen werden in Stahl, Holz und in kombinierter Ausführung gefertigt. Oft werden auch Stahlausführungen auf Basis von Elementprofilen aus der Rahmenschalung oder als Sonderanfertigung von Systemelementen eingesetzt. Diese Kombinationsmöglichkeiten sind besonders wirtschaftlichen und statischen Gründen geschuldet. Bewährte Rahmenschalungen mit hoher Stabilität und geprüfter Frischbetondruckaufnahme sind oft eine gute Basis für Sonderschalungen. Dies gilt besonders dann, wenn sie häufig eingesetzt werden. Die Kombination von Standard mit Sonderteilen sowie die Modifikation von Standardteilen ist eine kostengünstige, lohnsparende Lösung. Solche Kombinationen finden z. B. bei Eckelementen für Kläranlagen, bei schrägen Wänden, bei runden Bauteilen oder bei Sonderelementen für Decken Verwendung.

Die Schalungshaut: einflussreich und anspruchsvoll

Entscheidend für die Qualität der Betonoberfläche ist die Schalungshaut. Sie ist der Teil der Schalung, der unmittelbar mit dem Beton in Berührung kommt und ihm die gewünschte Form gibt. Darüber hinaus muss sie die Kräfte, die beim Betonieren auftreten, ohne wesentliche Verformungen an die Unterstützungskonstruktion weiterleiten. Im Hinblick auf diese Aufgaben muss eine Schalungshaut:

– aus einem betonverträglichen Werkstoff bestehen. Dieser darf die chemischen Reaktionen bei der Betonabbindung nicht stören.

– aus einem Werkstoff bestehen, der vom frischen oder erhärteten Beton nicht selbst angegriffen wird.

– eine geringe Haftung zum Beton haben. Das erleichtert das Ausschalen und Reinigen und hält den Materialverschleiß gering.

– unter Belastung weitgehend formstabil bleiben.

Für bestimmte Schalungsaufgaben haben sich verschiedene Schalungshautarten durchgesetzt. Sie lassen sich nach ihren Oberflächeneigenschaften unterscheiden in Schalungshaut für Normalbeton und Schalungshaut für Sichtbeton. Zudem werden Wasser-aufnahmefähige und Wasser-abweisende Schalungshaut voneinander abgegrenzt. Auch die Einsatzzahl gibt den Ausschlag zwischen Schalungshaut für einmalige Verwendung (verlorene Schalungen) und einer Schalungshaut für mehrfachen Einsatz. Ferner lässt sich die Schalungshaut nach dem Grundwerkstoff unterscheiden in:

– Holzschalungshaut (z. B. Bretter),

– Holzwerkstoffschalungshaut aus Mehrschichtenholzplatten,

– Metallschalungshaut,

– Kunststoffschalungshaut (Vollkunststoffplatte).

Am Anfang ist die Qualität bei allen neuen Schalungshäuten in etwa gleich. Bedingt durch unvermeidbare Oberflächenverletzungen beginnt bei Mehrschichtenholzplatten die Zerstörung. Vollkunststoffplatten sind diesem Verschleiß nicht ausgesetzt. Verletzungen der Oberfläche haben keine Auswirkung auf die Lebensdauer von Vollkunststoffplatten.

Großes Belagsspektrum

Je nach Anforderungen an Betonoberfläche, Einsatzzahl, Frischbetondruckbelastung, Transport und Baustelleneinsatz ist die Auswahl von Belägen sehr groß. In gleichem Maße sind auch die Möglichkeiten der Oberflächengestaltung sehr variabel.

Als Beläge kommen MS-Holzplatten und Brettbeläge, geformte Kunststoffplatten, gebogen oder großflächig verschweißt
Platten als Belag oder als Aufsatzschalhaut sowie Stahl und Aluminium Sonderschalungen zum Einsatz. Sonderteile mit 20 mm starker Vollkunststoffplatte sind genauso möglich wie Anwendungen mit Stahlschalhaut oder Alkus-Platten, die auf
Systemelemente aufgedoppelt werden. So werden zum Beispiel fugenlose Wände erzielt. Sonderschalungen aus Holzabbund sind sinnvoll, wenn die Schalung nur bis zu ca. fünf Mal ohne Belagwechsel eingesetzt wird. Das trifft oft bei komplexen geometrischen Formen zu. Hierzu kommen auch Mehrschichten-Sperrholzplatten in einer Stärke von 21 mm als Belag in
Frage. MS-Sperrholz in einer Stärke von 8 mm hingegen kann als Auflage auf Sparschalung eingesetzt werden. Das gleiche gilt für eine 6-mm-Vollkunststoffplatte als Auflage auf Sperrholz.

Außergewöhnliche Formen dank Vollkunststoff-Platte

Hohe Sichtbetonanforderungen, hohe Anforderungen an gleichmäßige Betonoberflächen, hohe Einsatzzahlen und Einsätze bei unterschiedlichem Wetter führen zur Alkus-Vollkunststoff-Platte als Belagslösung. Sie gehört zur neuesten Schalhautgeneration und ist sehr einfach und mit hoher Genauigkeit form- und biegbar. Sie erzielt konstant hochwertige Betonoberflächen und kann auch aus dem Mietpark heraus Sichtbetonergebnisse der Klasse SB3 liefern. Außerdem lässt sie sich großflächig verschweißen, auch in den Ecken. So werden große, glatte Beton-oberflächen ohne Fugen oder Abdrücke möglich. Seit dem Jahr 2000 sind alle Meva Schalungssysteme serienmäßig damit ausgestattet. Nicht selten wurden Sonderkonstruktionen durch die Formbarkeit und Schweißbarkeit der Platte erst wirtschaftlich machbar.

Meva Schalungs-Systeme GmbH

www.meva.de

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