FGR / EADIPS – Hochschullehrertagung 2010 in Großräschen

Was gibt es Neues bei den duktilen Guss-Rohrsystemen?

Die Fördergemeinschaft zur Information der Hochschullehrer für das Bauwesen (FIHB) e. V. hat sich der Aufgabe gestellt, durch intensive Zusammenarbeit mit Industrieverbänden ihren an Fachhochschulen und Universitäten lehrenden Mitgliedern das jeweils aktuelle und anwendungsrelevante Wissen zur Verfügung zu stellen. Wichtigstes Mittel hierzu sind die traditionellen Hochschullehrertagungen, die u. a. mit der Fachgemeinschaft Guss-Rohrsysteme (FGR) e. V. / European Association for Ductile Iron Pipe Systems – EADIPS im Zweijahresrhythmus veranstaltet werden. Ende April 2010 hatte die FGR / EADIPS etwa 20 Hochschullehrer in Großräschen in der Lausitz für zwei Tage zu Gast.

Das Seehotel in Großräschen war der Schauplatz der Fachtagung mit einem mitreißenden Festvortrag von Herrn Professor Dr. Rolf Kuhn von der IBA (Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land 2000 – 2010 GmbH), Großräschen, sowie weiteren Fachvorträgen rund um das duktile Guss-Rohrsystem. Zusätzlich enthielt das Tagungsprogramm zwei Exkursionen: eine Werksbesichtigung der Keulahütte GmbH im nahe gelegenen Krauschwitz  sowie eine Rundfahrt durch das sich wandelnde Lausitzer Braunkohlenrevier.

Die Keulahütte GmbH in Krauschwitz, vor über 500 Jahren als Eisenhammer Keula zum ersten Mal urkundlich erwähnt, gehört zu den ältesten Eisengießereien in Deutschland. Ihre wirtschaftliche Bedeutung in der Lausitz kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mit umfangreichen Investitionen hat sie sich die neue, verjüngte Keulahütte GmbH mit ihren Produkten für die Wasserwirtschaft und Kundenguss für den Maschinen- und Fahrzeugbau erfolgreich dem Wettbewerb gestellt.

Neuigkeiten bei den duktilen Guss-Rohrsystemen

Unter diesem Motto standen die fünf Fachvorträge rund um das duktile Gussrohr und sein System aus Rohren, Formstücken und Armaturen. Zu Beginn begrüßte der Vorstandsvorsitzende der FGR / EADIPS, Dipl.- Kfm. Ulrich Päßler die Gäste und stellte die Änderungen dar, die sich bei der Umwandlung der früheren, deutschen FGR in einen Europäischen Verband der Guss-Rohrsysteme (European Association for Ductile Iron Systems · EADIPS) ergeben hatten. Dabei betonte er, dass die traditionelle Zusammenarbeit mit der FIHB (Fördergemeinschaft zur Information der Hochschullehrer für das Bauwesen) fortgeführt und weiterentwickelt werde. Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Wolfgang Krings, erster Vorsitzender der FIHB, bedankte sich in seiner Begrüßung für die Einladung und für die Bekräftigung der künftigen Zusammenarbeit. Im ersten Fachvortrag über duktiles Gusseisen und seine Anwendung bei Armaturen machte Herr Dipl.-Ing. Udo Müller, Werksleiter bei der Keulahütte GmbH, Krauschwitz, die Zuhörer mit den neuesten Entwicklungen bei diesem Konstruktionswerkstoff vertraut. Obwohl die Herstellung von Sphäroguss -Gussstücken ein seit langem ausgereifter Prozess ist, gelingen immer wieder neue Optimierungsteilschritte, die dem Werkstoff weitere Anwendungen erschließen. So kann er als mikrolegierter Werkstoff für sicherheitsrelevante Teile im Fahrzeugbau mit Wanddicken unter 2 mm und erhöhter Ermüdungsfestigkeit eingesetzt werden. Die Fülle der konstruktiven Möglichkeiten zur Gestaltung der in der Wasserwirtschaft üblichen Armaturen – Hydranten, Schieber, Klappen, Rückflussverhinderer, Hausanschlussarmaturen – zeigte René Pehlke, Leiter der Konstruktion und Produktentwicklung der Keulahütte GmbH, Krauschwitz, mit brillanten Fotos auf. Selbst individuelle Stadtwappen oder Sonderformen für Altstädte oder gar Fußballstadien sind form- und gießtechnisch problemlos möglich.

Moderne Korrosionsschutzsysteme

Der zweite Fachvortrag widmete sich den modernen Korrosionsschutzsystemen für erdüberdeckte Rohrsysteme aus duktilem Gusseisen – ihrer Wirkungsweisen und Einsatzbereiche. Herr Uni. Prof. DI Dr. Paul Linhardt von der TU Wien hatte einen eindrucksvollen Vortrag konzipiert, konnte ihn jedoch wegen der Vulkanaschewolke nicht selbst präsentieren, weil alle Flugverbindungen annulliert worden waren. Zwei Gussrohrfachleute sprangen jedoch kompetent und begeisternd ein, Herr Ewald Titze und Dr. Norbert Klein. Sie beschrieben die Unterschiede zwischen passiven Beschichtungen, die mit ihrer stofflichen Eigenschaft und der nötigen Schichtdicke den Erdboden vom metallischen Rohrwerkstoff elektrisch trennen und so eine Korrosionsreaktion vereiteln.

Trinkwasser hygienisch einwandfrei

Dr. Norbert Klein hatte in seinem Vortrag die Inbetriebnahme von Rohrleitungen im Visier, die mit Auskleidungen auf Basis von Zementmörtel ausgestattet sind. Diese Auskleidung auf rein anorganischer Basis bietet optimale Voraussetzungen dafür, dass ein Trinkwasser bei Transport und Verteilung durch Rohrleitungen hygienisch einwandfrei bleibt. Bereits bei Planung und Bau sind vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Reinigung, Spülung und Desinfektion bringen die Rohrleitung schließlich in einen hygienisch einwandfreien Zustand. Die Zementmörtel-Auskleidung zeigt bezüglich Druckprüfung und Einfahren Besonderheiten, die zu berücksichtigen sind. Der Begriff „Inbetriebnahme“ fasst diese Vorgänge zusammen und ist im Regelwerk verankert. Seit einigen Jahren hat sich das „Luft-Impuls-Verfahren“ zur Spülung und Reinigung von Rohrleitungen etabliert. Hier wird innerhalb eines Spülabschnittes aufbereitete komprimierte Luft impulsartig zugegeben, ohne dass der Netzruhedruck überschritten wird. Es bilden sich Luftblasen definierter Größe, die im Wasserstrom eine Kette von raumfüllenden Wasser- und Luftblöcken bilden. Die raumdeckende turbulente Strömung bewirkt örtlich hohe Kräfte, die Ablagerungen mobilisieren und austragen. Wesentlicher Vorteil ist die dramatische Reduzierung des erforderlichen Wasserbedarfs zur Erzeugung einer ausreichend hohen Spülgeschwindigkeit. Die anschließende Diskussion zeigte wieder einmal, welchen Stellenwert ein hygienisch einwandfreies Trinkwasser in unserer Gesellschaft besitzt.

Ein Vortrag aus der Praxis eines Rohrnetzbetreibers bewies die universelle Einsetzbarkeit duktiler Guss-Rohrsysteme. Der Zweckverband Fernwasser Südsachsen betreibt eine 32 Kilometer lange Verbundleitung DN 1200 aus Stahlrohren zur Versorgung von 400 000 Menschen. Diese „Hauptschlagader“ war durch eine Zementmörtel-Auskleidung abschnittsweise zu sanieren. Die Abschnitte von jeweils etwa 2000 m Länge müssen mit einem „Bypass“ überbrückt werden, damit die Wasserversorgung während der Sanierungsarbeiten erhalten bleibt.

Temporäre Bypassleitung aus duktilen Guss-Rohren

Wolfgang Rink, Leiter der Anwendungstechnik Duktus Rohrsysteme Wetzlar GmbH, Wetzlar, schilderte mit einem Feuerwerk von Bildern, wie zugfest ausgerüstete Rohre und Formstücke DN 600 auf freiem Boden auf Kanthölzern liegend zu einer 2000 m langen temporären Bypassleitung zusammengefügt wurden. Nach der Sanierung konnte der betreffende Abschnitt der Stahlrohrleitung wieder in Betrieb genommen werden. Die Rohre und Formstücke der Interimsleitung DN 600 wurden nun demontiert und gleich parallel zum nächsten Sanierungsabschnitt der Hauptleitung gebracht und dort erneut zum nächsten Bypass zusammengefügt, der jeweils mit 30 bar Wasserdruck geprüft wird. Dieses Spiel ist inzwischen schon zum fünften Mal wiederholt worden, ohne dass sich an den Gussrohren funktionsbeeinträchtigende Abnutzungserscheinungen gezeigt hätten. Ursprünglich hatte man damit gerechnet, die Rohre und Formstücke höchstens dreimal verwenden zu können, ein Beweis des wirtschaftlichen Einsatzes duktiler Guss-Rohrsysteme.

Michael Schulz, Geschäftsführer der vonRoll hydro (deutschland) gmbh in Prenzlau stellte die breite Produktpalette der von Prenzlau aus gelieferten Rohre, Formstücke und Armaturen vor. Bei den duktilen Gussrohren stellte er die Polyurethan-Auskleidung nach EN 15655, kombiniert mit der Polyurethan-Umhüllung nach EN 15189 in den Vordergrund.
Die systemkompatiblen Formstücke werden im Wirbelsinterverfahren mit Epoxidharz nach GSK-Richtlinien (GSK – Gütegemeinschaft Schwerer Korrosionsschutz von Armaturen und Formstücken durch Pulverbeschichtung e. V.) pulverbeschichtet. Bei den Armaturen ist das gesamte Sortiment, vom Schieber über die Absperrklappe, Rückschlagklappe, Anbohrschelle, Einbaugarnitur und sonstiges Zubehör vollständig erhältlich.

Für die Hochschullehrer ergriff zum Abschluss der erste Vorsitzende der FIHB, Herr Prof. Dr. Wolfgang Krings, das Wort und bedankte sich im Namen seiner Kollegen für die rundherum gelungene Veranstaltung.n

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