Check-in für Oberflächenwasser von Verkehrsflächen

Regenwasserbehandlung und -versickerung ohne zusätzlichen Flächenbedarf

In Rheinland-Pfalz  hat einer der größten Lebensmittelmärkte eröffnet. Gereinigt wird das von der Verkehrsfläche stammende Regenwasser hier schon während des Ablaufs durch eine Behandlungsanlage in Rinnenform auf 288 m Länge.

Barbara Sahler, Überlingen

Eine Etage tiefer versickern Rigolentunnel das zukünftige Grundwasser – und sorgen dafür, dass
100 % des anfallenden Niederschlags bewirtschaftet werden, ohne dass man dafür Fläche benötigt. Die Komponenten zur Regenwasserbewirtschaftung sind nicht neu, aber noch ein Geheimtipp. Es handelt sich um ein zweiteiliges System, dessen erster Teil Bircopur als Linienentwässerung das an der Oberfläche anfallende Niederschlagswasser sammelt und reinigt. Der zweite Teil der Regenwasserbewirtschaftung befindet sich platzsparend darunter als Birco Rigolentunnel von StormTech in Funktion einer Versickerungsanlage.

Check-in an der Linienentwässerung (erster Teil)

Der mit Genehmigungsplanung beauftragte Fachingenieur Leslie Sinden wählte als „Eintritt“ für das für die Versickerung vorgesehene Wasser oberflächennahe Entwässerungsrinnen der nächsten Generation. Diese sind so dimensioniert und modifiziert, dass sie den Bemessungsregen der Park- und Fahrflächen sowohl reinigen als auch rückstaufrei ableiten können. Ein ausgeklügeltes, modulares Filtersystem ist in diesen speziellen Rinnen verborgen. Es reinigt dauerhaft zuverlässig das von Verkehrsflächen abfließende Regenwasser, in dem es Schadstoffe, wie z. B. Reifenabrieb und Verbrennungsrückstände, zurückhält. Das System ist besonders wartungsfreundlich, denn die Rinnen sind ständig einsehbar und leicht zu öffnen. Es können 20 m² vollversiegelte Fläche an einen Laufmeter angeschlossen werden.

Sinden hat den Behandlungsbedarf für die Einleitung ins Grundwasser nach DWA-M 153 ermittelt. „288 m der gewählten Linienentwässerung mit integriertem Filtersystem reichen dafür aus. Die hydraulische Bemessung mit dem Nachweis einer schadlosen Überflutung auf dem eigenen Grundstück haben wir nach DIN 1986-100 durchgeführt“, sagt der Fachingenieur. „Die maßgebliche Regenspende r(D,30) ist hier 315,2 l/s x ha“.

An der Basis des Systems befindet sich eine Betonschale in wasserdichter Ausführung der Nennweite 300 AS. Mit einer Belastungsklasse F 900 nach DIN EN 1433 ist sie für die Linienentwässerung auch auf öffentlichen Plätzen oder stark befahrenen Parkflächen, wie beim Lebensmittelmarkt in Rheinland-Pfalz, ideal geeignet. Planer müssen keine wesentlichen Änderungen in der Entwässerungsplanung berücksichtigen.

Optimiert für Verarbeiter

Karl-Heinz Künstel, Technischer Berater bei Birco, empfiehlt seinen Kunden die einbaufertig gelieferte Variante readyset: “Wir haben uns die Realität auf den Baustellen genau angesehen. Die Erkenntnis war, dass wir unser System schon komplett montiert mit Reinigungsmodulen und verschraubten Abdeckungen liefern sollten. Gesetzt wird dann mit Verlegehaken von oben. Sitzt die Rinne, können die Belagsarbeiten folgen.“ Verarbeiter Immo Herbst rückblickend: „Der Einbau war einfach, das wirkt sich auf die Kalkulation aus. Die Rinnenelemente wurden vom Hersteller verlegefertig auf die Baustelle geliefert. Das hat nicht nur Zeit und Arbeit, sondern auch Platz beim Liefern und Lagern gespart“.

Zentrale Funktion: Rigole (zweiter Teil)

Nach Prüfung der bauaufsichtlichen Zulassungen durch die Wasserrechtsbehörde stand dem Gesamtsystem aus Sedimentation, Filtration und Versickerung nichts im Weg. Als Übergang von oben Richtung Grundwasser dient ein spezieller Schacht, an dem die unterirdisch installierten Rigolentunnel mit ihren großzügigen Hohlräumen angeschlossen sind. Mitgeführte Sedimente werden im ersten Rigolentunnel abgesetzt. Dessen Aufgabe ist das Auffangen des Spülstoßes zu Beginn eines Niederschlagsereignisses (first-flush) und das Sedimentieren der darin enthaltenen abfiltrierbaren Stoffe (AFS). Dem Spülstoß nachfolgende große Regenwassermengen sind relativ sauber. Sie brauchen keine Behandlung und werden daher durch einen Bypass mit Überlaufschwelle den anderen Rigolentunneln direkt zur Versickerung zugeführt. Das Wasser verteilt sich durch die offene Bauweise im Gesamtsystem aus Tunneln und Schotter gleichmäßig. Den Weg in Richtung Grundwasser findet das gesammelte saubere Regenwasser entsprechend der Schwerkraft durch die Schotterschicht und das Geotextil. Innerhalb der Produktpalette sind für die Anwender die Serien SC-160, SC-310, SC-740, MC-3500 und MC-4500 mit unterschiedlichen Kammergrößen erhältlich. Für die Versickerung beim Einkaufsmarkt in Rheinland-Pfalz war Typ SC-740 am besten geeignet. Fachingenieur Sinden hatte zur Versickerung zwei Anlagen mit je 85 m³ und eine mit 63 m³ Speichervolumen errechnet. Das ergab sich aus den angeschlossenen, mit dem Abflussbeiwert multiplizierten Flächen, dem Durchlässigkeitsbeiwert des Bodens von kf=4 x 10-6 und der Regenspende r(D,2) von 163,40 l/s x ha bei 10 min Dauer.

Doppelt einfach: Leichter Einbau,

seltene Wartung

Ein bis zwei Arbeitskräfte reichen aus, um die Elemente der Sickertunnel ohne Hilfsmittel zu bewegen. Sie werden gestapelt auf Palette angeliefert, was die Logistik und Lagerung entsprechend minimiert. Darüber hinaus erleichtert ein Stecksystem ohne Clips oder Zusatzteile das Verlegen. Ebenso einfach verläuft der Anschluss von Zu- und Ableitungen: Der Rigolentunnel wird an der Endkappe in der passenden Nennweite angebohrt, die Rohrleitung eingeschoben. Durch die intelligente Konstruktion kann die Inspektion der Versickerungsanlage auf Schächte und Sedimentationstunnel (Isolator Row) beschränkt werden.

Bei Inspektionen wird die Dicke der Sedimentationsschicht auf der Sohle der Isolator Row gemessen. Als erstes Inspektionsintervall werden 6 Monate empfohlen. Anschließend legen die Nutzer den Zeitpunkt der nächsten Reinigung selbst fest, ohne jedoch die maximal zulässigen Zeiträume nach DWA-A 138 zu ignorieren. Eine Wartung bzw. Reinigung muss spätestens dann erfolgen, wenn die Schichtdicke des Sediments 70 mm übersteigt. Das wird sehr lange dauern, denn der Stoffeintrag und die Schichtdicke werden beim hier beschriebenen Projekt durch die vorgelagerte Reinigungsstufe der Linienentwässerung mit integriertem Filtersystem besonders stark reduziert.

Bestehende Liegenschaften bei Nachverdichtung also umrüsten?

Die Investition in eine solche Behandlungsanlage rechnet sich insbesondere dort, wo statt „grüner“ Mulden- und Flächenversickerung andere Nutzungen der Oberfläche Vorrang haben. Auch bei Immobilien, die noch Bestandsschutz haben und belastete Oberflächenabflüsse in den Kanal einleiten dürfen, ergibt sich nach Umstellung eine win-win-win-Situation für Betreiber, Kommune und Natur: Die mit Gebühr bzw. Entgelt belastete Ableitung zur Kläranlage entfällt. In Folge sinken die Betriebskosten solcher Liegenschaften und der natürliche Wasserhaushalt profitiert. Man könnte auch so argumentieren: Die vorgestellte dezentrale Niederschlagsentwässerung, insbesondere in verdichteten Siedlungsgebieten, ist Ursachenbekämpfung nach dem Prinzip „Source-Control“.

Kosten- und Flächensparend bauen

Mit dem Rigolentunnel, wie er hier verbaut wurde, können Planer und Ausführende den natürlichen Wasserkreislauf wirkungsvoll wiederherstellen. Dieses System ist eine klare Evolution der Rigole und braucht im Gegensatz zu herkömmlichen Kiesrigolen wesentlich weniger Aushub. Im Vergleich zu Muldensystemen befindet sich das Speichervolumen unterirdisch, somit kann die Oberfläche anderweitig genutzt werden. Falls die Fläche darüber als Feuerwehr- oder LKW-Zufahrt dient, ist die Belastbarkeit der Tunnelkammern besonders wichtig. Diese sind für SLW 60 ausgelegt.

„Die maximale statische Leistung resultiert aus einer Kombination aus Gewölbe und Schotter der Siebung 16/56, mit dem das System aufgefüllt wird“, sagt Marian Dürrschnabel, Produktmanager bei Birco in Baden-Baden. „Dieses Verfüllmaterial wirkt lastabtragend und hat gleichzeitig ein hohes Speichervolumen in den Zwischenräumen. Neben dem offenen Speicher in den Tunneln erhöht sich das Gesamtvolumen erheblich.“ Ansonsten gilt wie immer: Allgemeine Hinweise für Planung, Dimensionierung und Bau von Versickerungsanlagen können dem Arbeitsblatt DWA-A 138 entnommen werden. Regenrückhalteräume werden im Arbeitsblatt DWA-A 117 geregelt. Die örtlichen Bestimmungen sind zusätzlich zu beachten.

Zusammenfassung

Einer der größten Lebensmittelmärkte in Rheinland-Pfalz reinigt und versickert Oberflächenwasser der Verkehrsflächen von Parkplatz und Anlieferung vollständig auf dem eigenen Grundstück. Zur Entlastung des Verarbeiters wurden vom Hersteller die erforderlichen Bauelemente verlegefertig und vormontiert auf die Baustelle geliefert. Das Besondere des gewählten Systems zur Regenwasserbewirtschaftung war, dass kein Platz für zusätzliche Anlagen an der Oberfläche geopfert wird, dass alle Komponenten aus einer Hand geliefert werden, dass die Genehmigungsplanung und die Tiefbaumaßnahmen unkompliziert waren und Inspektion und Wartung mit wenig Aufwand in großen Zeitintervallen genügt – insgesamt gute Voraussetzungen für besonders niedrige Investitions- und Betriebskosten.

www.birco.de

www.klauswkoenig.com

PROJEKTDETAILS

Niederschlagsentwässerung
Objekt: Umbau und Erweiterung Lebensmittelmarkt, Rheinland-Pfalz
Dach- und Verkehrsfläche: 8.760 m² an Versickerungsrigolen angeschlossen
Genehmigungsplanung: Ingenieurbüro Sinden, Viernheim
Ausführungsplanung: Architekturbüro Müller + Huber, Oberkirch

Verarbeiter: Immo Herbst Garten- u. Landschaftsbau GmbH, Frankfurt
Fertigstellung: Oktober 2016
 
Regenwassersammlung und -behandlung
Behandlungsanlage: Bircopur mit Substratfilter und Sedimentationsanlage der Birco GmbH, Baden-Baden. DIBt-Zulassung Nr. Z-84.2-10
Länge: 288 m
Rinnenmaterial, Dimension: Beton, NW 300 AS
Abdeckung: Trapezabdeckung aus Guss
 
Rückhaltung und Versickerung
Produkt: Birco Rigolentunnel von StormTech Typ SC-740 der Birco GmbH, Baden-Baden. DIBt-Zulassung Nr. Z-42.1525

Retentionsvolumen: 2 x 85 m³, 1 x 63 m³ in unterirdischen Rigolen

Tunnelmaterilal, Verfüllmaterial: Polypropylen (PP), Schotter 16/56 mm
Befahrbarkeit:  Schwerlast SLW 60 (nach DIN 1072, gültig bis 2003)

Literatur


– König, Klaus W.: BIRCOpur Grundlagenpapier. Regen-
wasser- bzw. Niederschlagswasser-Behandlung. 2. Auf-
lage, Birco Baden-Baden, 2014. – Kruse, Elke: Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten. Fachbuch, 1. Auflage, Fraunhofer IRB, Stuttgart, 2015. – Regenwasser, ganzheitlicher Umgang mit Niederschlag auf besiedelten Flächen. Broschüre zu Regenwasser-
bewirtschaftung und Entwässerung sowie Stadtplanung. 1. Auflage, Birco Baden-Baden, September 2012.
– Wasserorientierte Stadtplanung. Informationsbroschüre zum Thema Regenwasserbewirtschaftung und Boden
schutz sowie Stadtklima und Wasserkreislauf. 1. Auflage, Birco Baden-Baden, Oktober 2015.

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