Betonschäden vermeiden

Viele Betonschäden an Brücken, Tunneln, Straßen und Fassaden ließen sich durch sorgfältiges Arbeiten und Kontrolle nach dem Reifegradverfahren vermeiden.

Wenn ein Betonprojekt gut vorbereitet und ausgeschrieben ist, soll es auch genau so ausgeführt werden. Zunächst muss Beton die Qualität haben, die ausgeschrieben ist. Viele Betonschäden entstehen durch eine schlechte Verarbeitung auf der Baustelle. Der Beton wird qualitativ herabgesetzt, z.B. durch Wasserzugabe (auch Regen), die Betondeckung ist nicht korrekt, die Verdichtung mangelhaft, oder die Nachbehandlung wird vernachlässigt. Dazu kommt, dass im Allgemeinen die Betondruckfestigkeit im Bauteil während der Erhärtungsphase nicht kontrolliert wird.

Um die Qualität des Bauteil-Betons während der Erhärtungsphase zu kontrollieren, kann vom sogenannten Reifegradverfahren Gebrauch gemacht werden. Bereits vor ca. 18 Jahren wurde das Reifegradverfahren in Deutschland eingeführt. In den Niederlanden, wo das Verfahren seit 32 Jahren existiert, gibt es keine einzige Betonbaustelle ohne dieses Verfahren.

Das Reifegradverfahren

Zum ersten Mal wurde das Reifegradverfahren in Deutschland 1991 im Heft 422 des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton vorgestellt und 1997 vom Verfasser dieses Beitrags eingeführt. Nachdem im September 2001 die NEN 5970 „Bestimmung der Druckfestigkeitsentwicklung von jungem Beton auf der Grundlage der gewichteten Reife“ erschienen war, wurde anschließend das Verfahren in DIN 1045 – 3 „Ausführung“ und ZTV-ING-3 „Ausführung“ empfohlen.

Vergleich Erhärtungsprüfung zu Reifegradverfahren

Die Festigkeit von Beton ist u.a. eine Funktion von Zeit und Temperatur. Diese beiden Faktoren werden zur Größe „Reife“ umgerechnet – gleiche Reife bedeutet gleiche Festigkeit. Die Druckfestigkeit von jungem Beton, 70% der 28 Tage-Druckfestigkeit, kann nach DIN 1045-3 und ZTV-ING-3 mittels der Erhärtungs- oder der Reifegradprüfung bestimmt werden.

In Grafik 1 sind beide Prüfungsarten gegenübergestellt. Es ist ersichtlich, dass die Erhärtungsprüfung (die Würfel müssen so gelagert werden wie der Beton im Bauteil) umständlicher und außerdem teurer ist als das Reifegradverfahren, das nur auf einfacher Temperaturmessung beruht.

Oft wird der Bauteilbeton während der Erhärtungsphase nicht überwacht. Da in den seltensten Fällen in den Bauunterlagen Anforderungen vorkommen, die die Mindestbetondruckfestigkeit für das Ausschalen, Weiterklettern, Fugenschneiden usw. angeben, kann es in solchen Fällen zu Schädigungen und zum unwirtschaftlichen Arbeiten kommen.

Wann Ausschalen?

Für zahlreiche Anwendungen von Beton ist die Kenntnis des frühestmöglichen Zeitpunkts zum Ausschalen oder Vorspannen bedeutsam. Dieser Zeitpunkt wird von der Festigkeitsentwicklung im frühen Erhärtungsstadium bestimmt. Diese Festigkeitsentwicklung wird wiederum von vielen Faktoren beeinflusst, z.B. der Betonzusammensetzung (Art und Menge des Zements, w/z-Wert, Zusätze), der Umgebungstemperatur und der Nachbehandlung. Aufgrund der komplexen Einflüsse auf die Festigkeitsentwicklung ist die Festlegung des frühestmöglichen Ausschalzeitpunkts oder das Erreichen der Umspannfestigkeit in der Praxis oftmals nicht exakt möglich, so dass zu Lasten der Produktivität größere Sicherheitszeiträume eingehalten werden müssen.

Reifefunktionen

Dies führte zur Entwicklung von „Reifefunktionen“. Die bekanntesten sind von Saul [1] sowie von Papadakis und Bresson. In der Gleichung von Saul werden nur die Betontemperatur und das Alter des Betons berücksichtigt. Papadakis und Bresson führten zusätzlich einen konstanten Faktor für Zement ein und untergliederten die Temperaturkurve des erhärteten Betons in Intervallen von 10° C. Da die Hydration mit steigender Temperatur beschleunigt wird, erhielten die Temperaturintervalle Faktoren, die umso höher sind, je höher das Temperaturintervall liegt. Aufgrund der Wichtung der Temperaturintervalle führten Papadakis und Bresson den Begriff der „gewichteten Reife“ ein.

Von de Vree (CEMIJ-NL) wurde die Methode nach Papadakis und Bresson so angepasst, dass sie jetzt gültig ist für alle vorkommenden Temperaturen. Die gewichtete Reife nach de Vree wird wie folgt berechnet:


Darin bedeuten:

Rg = gewichtete Reife in einer Stunde [°C*h]

T = mittlere Erhärtungstemperatur des Betons in dieser

Stunde [°C]

C = zementspezifischer Kennwert

Für die Anwendung der gewichteten Reife nach de Vree ist folglich die Kenntnis eines zementspezifischen Kennwerts (C-Wert) erforderlich. Im C-Wert wird die Temperaturempfindlichkeit des Zements erfasst, ist also abhängig von der Zementzusammensetzung. Der C-Wert muss also für jeden Zement gesondert ermittelt werden.

Die Bestimmung des C-Werts

Die Bestimmung des C-Werts basiert auf der Messung der Festigkeitsentwicklung nach EN 196-1. Es werden entweder sechs Mörtelprismen oder zehn Würfel mit einer Kantenlänge von 150 mm hergestellt; die eine Hälfte der Prüfkörper in einem Wasserbad bei 20°C und die andere Hälfte bei 65° C gelagert. Zu unterschiedlichen Zeiten wird die Druckfestigkeit festgestellt. Dabei wird darauf geachtet, dass für jede Serie die Prüfergebnisse gleichmäßig, über einen bestimmten von der Festigkeitsklasse des geprüften Zements abhängigen Festigkeitsbereich verteilt sind.

Anschließend wird die Erhärtungszeit – unter Verwendung einer Anzahl angenommener C-Werte – in gewichtete Reife umgerechnet und pro C-Wert eine Grafik erstellt, in der die Festigkeiten bei 20° C und 65° C eingetragen werden.

Der richtige C-Wert ist der, bei dem die Linien durch die Schnittpunkte sich so gut wie möglich überlagern. In diesem Falle können die beiden Linien durch eine Linie ersetzt werden, die für beide Temperaturen gültig ist. Auch andere Temperaturen werden Festigkeitsergebnisse zeigen, die auf derselben Linie liegen.

Der C-Wert wird im Allgemeinen vom Zementhersteller bestimmt und kann dort erfragt werden, kann aber auch von jedem Labor, das in der Lage ist, Proben bei 25° C und 65° C erhärten zu lassen, ermittelt werden. Die Durchführung des Verfahrens ist im NEN5970 [4] beschrieben.

Eichgrafik des Betons

Bei der Anwendung der gewichteten Reife zur Bestimmung der Druckfestigkeit von Beton muss von einer bekannten Festigkeitsentwicklung bei einer ebenfalls bekannten Erhärtungstemperatur von Beton gleicher Zusammensetzung ausgegangen werden. Aus diesen Daten lässt sich eine Grafik erstellen, die das Verhältnis zwischen gewichteter Reife und Druckfestigkeit zeigt. Diese Grafik wird Eichgrafik genannt. Sie wird im Allgemeinen vom Betonhersteller aufgestellt. Bei Änderung oder Betonzusammensetzung, sei es durch Wechsel der Zementart und -festigkeitsklasse oder des Zuschlags sowie durch Änderung des Wasserzementwertes, ist die Eichgrafik neu zu erstellen, da der Beton eine andere Festigkeitsentwicklung aufweisen kann.

Herstellung der Eichgrafik des Betons

Im Prinzip wird die Festigkeitsentwicklung bei einer bekannten Temperatur in einem Festigkeitsbereich von 16 N/mm2, anhand von fünf 150 mm-Prüfwürfeln, bestimmt (Grafik 2). Um sicher zu gehen, dass die Temperatur in allen Proben bekannt und gleich ist, werden die Probekörper mit Form in ein Wasserbad von ca. 20° C gestellt. Zu verschiedenen Zeitpunkten wird die Druckfestigkeit bestimmt und die entsprechende Reife am Reifecomputer, der mit dem zuletzt zu prüfenden Würfel per Thermokoppelkabel verbunden ist, abgelesen. Diese beiden Werte werden pro Würfel in eine Grafik eingetragen (Grafik 3).

Der Reifecomputer

Zur Durchführung des Reifegradverfahrens nach de Vree wurde vor ca. 30 Jahren der Reifecomputer, der die Berechnung des Reifegrades schnell und zuverlässig ausführt, entwickelt und gebaut. Er misst den Temperaturverlauf an maximal vier Stellen in den erhärtenden Betonbauteilen mittels Thermokoppel-Maßkabeln, die eine Länge von maximal 150 m aufweisen können, und errechnet daraus die Reifeentwicklung (Grafik 4).

Die Einstellungen und Ergebnisse lassen sich am Reifecomputer im Display oder am PC oder Notebook auslesen. Die modernste Version des Reifecomputers kann eine Nachricht oder die Ergebnisse selbst direkt ins Büro schicken. Obendrein gibt es die Möglichkeit, beim Erreichen der angestrebten Druckfestigkeit pro Sensor eine Nachricht  zu erhalten.

Die Grafiken 5 bis 7 zeigen die Messergebnisse und die zugehörigen Betondruckfestigkeiten. Sie lassen sich bei bestehender Internet-Verbindung direkt online abrufbar. Ist keine Internetverbindung vorhanden, lassen sich mittels eines Gedächtnismoduls des Reifecomputers die vorhandenen Daten am PC oder Notebook betrachten und verarbeiten.

Anwendungsbereiche des Reifegradverfahrens

Das Reifegradverfahren lässt sich in vielen Situationen schnell und sinnvoll einsetzen:

– Ersatz für Erhärtungsprüfung an Würfeln

– Umsetzen der Kletterschalung

– Freigabe von Fahrbahnflächen

– Fugenschneiden im Straßenbau

– Ermittlung der Sichtbetonreife

– Lenzen einer Baugrube

– Beendigung der Nachbehandlung

– Vorspannen

– Ausschalen

– Temperaturmessung im Massenbeton

– Steuerung von Heiz- und Kühlanlagen

Zusätzliche Varianten

Eine Variante des Reifecomputers steuert bis zu vier Heizanlagen in Betonfertigteilwerken, so dass man bei minimalem Energieaufwand zu einem gewünschten Zeitpunkt eine vorgegebene Druckfestigkeit erreicht. Zur Riss-Minimierung bei Tunneln und Brücken kann der Reifecomputer durch Steuerung einer Wasserkühlung die Betontemperaturen in gewissen Grenzen halten.

HTK Tegelaar

www.tegelaar.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2016

Concremote: Betonmonitoring in Echtzeit

Entscheidend für einen reibungslosen Bauablauf sind zuverlässige Informationen über die Temperatur und Festigkeit des Betons. Mit Concremote setzt Doka genau hier an: die Technologie liefert Daten...

mehr
Ausgabe 04/2014 HEIDELBERGCEMENT

„Wir wollen Beton ständig nützlicher machen“

tHIS: Herr Bohlmann, unter Ihrer Leitung wurden der Spezialzement „ChronoCem IR“ und das Schnellreparatur-system „Chronocrete“ entwickelt. Wie lange haben die Entwicklungsarbeiten gedauert?...

mehr
Ausgabe 04/2014 HEIDELBERGCEMENT AG

Schnelle Stadtbahn-Erneuerung

Der normale Verschleiß durch den Schienenverkehr und das Überrollen durch viele hundert Fahrzeuge täglich hatten den Gleisen und dem Unterbau der Stadtbahn U5 in Stuttgart zugesetzt. Sie mussten im...

mehr
Ausgabe 1-2/2011

Systematische Betoninstandsetzung

Qualitative Sanierungsmaßnahmen als Synonym für nachhaltiges Bauen

Stahlbeton als bewährter Verbundbaustoff ist aus dem Ingenieurbau sowie der Architektur der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken und wird unter anderem durch die regelmäßige Vergabe des...

mehr
Ausgabe 04/2009

Wenn der Beton es in sich hat ...

Pumpen von Ultrahochfestem Beton

In Zusammenarbeit mit der Zementindustrie hat einer der führenden koreanischen Stahlbaukonzerne einen Ultrahochfesten Beton mit 200 N/mm² (200 MPa) Druckfestigkeit entwickelt, der erstmals auf...

mehr