HAFTUNGSRISIKEN ERHÖHEN

Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft

Die Schwarzarbeit bleibt - glaubt man häufig zitierten Studien - eines der drägenden Probleme der deutschen Wirtschaft. Zwar ist ihr Ausmaß in den vergangenen
Jahren aufgrund der verhältnismäßig guten Konjunktur leicht gesunken, doch ist die Schwarzarbeit im europäischen Vergleich insbesondere in Deutschland ein Problem.

Ein genauerer Blick offenbart allerdings, dass die Methodik vieler Studien zur Schwarzarbeit teilweise zweifelhaft ist und das dort festgestellte Ausmaß der Schwarzarbeit bezweifelt werden muss. Sicher scheint lediglich zu sein, dass die Bauwirtschaft im Branchenvergleich besonders stark von Schwarzarbeit betroffen ist. Im Kampf gegen die Schwarzarbeit sind deshalb Maßnahmen angebracht, die relativ einfach und kostengünstig umzusetzen sind, insbesondere eine Ausweitung und Stärkung der Bürgenhaftung.

Schwarzarbeit kann grundsätzlich als die illegale Ausübung von Tätigkeiten bezeichnet werden, bei der Steuern und Sozialbeiträge hinterzogen werden. Die Schwarzarbeit ist Teil der Schattenwirtschaft, die nach ökonomischer Definition alles beinhaltet, was zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, aber nicht erfasst wird (1), wie z. B. Drogen- oder Menschenhandel, aber auch legale Eigenproduktion oder Tätigkeiten, die nicht nachhaltig in Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt werden. In der wirtschaftspolitischen Diskussion werden die Begriffe der Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft oft synonym verwendet, dabei sind die Schlussfolgerungen völlig unterschiedlich: Während ein Anstieg der Schwarzarbeit auch an einer zu hohen Belastung mit Steuern und Abgaben liegen kann, würde ein Anstieg der illegalen Aktivitäten – die Teil der Schattenwirtschaft sind – gerade nach stärkeren Eingriffen des Staates rufen.

Unterschiedliche Ansätze zur Messung der Schwarzarbeit

Grundsätzlich lassen sich zwei Methoden zur Messung der Schwarzarbeit unterscheiden: Ansätze, die auf Steuerprüfungen bzw. Befragungen eines Teils der Erwerbsbevölkerung basieren (direkte Methoden) sowie ökonometrische Ansätze, denen teilweise volkswirtschaftliche Wirkungszusammenhänge zugrunde liegen (indirekte Methoden wie z. B. Bargeldnachfragefunktion).

Direkte Ansätze können Aufschluss über die Struktur der Schwarzarbeit in einer Volkswirtschaft geben. So können in einer repräsentativen Umfrage die Antworten nach Branchen sortiert ausgewertet werden. Der Nachteil dieser Methoden liegt darin, dass das wahre Ausmaß der Schwarzarbeit aufgrund ihrer Illegalität sehr wahrscheinlich untertrieben wird. Darüber hinaus sind illegale Migranten in den Umfragen stark unterrepräsentiert. Im Falle der Auswertung von Steuerprüfungen stellt sich das Problem, dass Arbeitslose, die schwarzarbeiten, aus der Betrachtung herausfallen.

Mit Hilfe der indirekten Ansätze schätzt man den gesamten Umfang der Schattenwirtschaft, also alles, was über das von den statistischen Ämtern veröffentlichte Bruttoinlandsprodukt (BIP) hinausgeht. So liegt z. B. der Bargeldnachfragefunktion als dem gebräuchlichsten Ansatz die Überlegung zugrunde, dass alle Aktivitäten, die den Rechtsstaat umgehen sollen, mit Bargeld abgewickelt werden. Kontrolliert man für alle Faktoren, die die Bargeldnachfrage beeinflussen (z. B. die Einkommensentwicklung, Zinsen, Zahlungsgewohnheiten), ist die Differenz zwischen dem so geschätzten Anstieg der Bargeldnachfrage und dem tatsächlichen Anstieg des Bargeldumlaufs (der von der Zentralbank beobachtet und ausgewiesen wird) auf einen Anstieg der Schattenwirtschaft zurückzuführen.

Ausmaß des volkswirtschaftlichen Schadens durch Schwarzarbeit differiert

Der Umfang der Schattenwirtschaft wird von dem Linzer Professor Friedrich Schneider und dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen (IAW) mittlerweile in jährlichem Rhythmus für Deutschland und Österreich geschätzt. Laut jüngster Studie lag der Umfang der Schattenwirtschaft im vergangenen Jahr in Deutschland bei 357,4 Mrd. EUR oder 13,4 % des BIP und damit leicht unter der Quote des Vorjahres (13,5 %) (vgl. Abbildung 1) sowie deutlich unter dem Höchstwert im Jahr 2003 von 17,1 % des BIP. In einem Vergleich von OECD-Ländern läge Deutschland mit einem volkswirtschaftlichen Schaden in dieser Größenordnung im Mittelfeld, hinter den südlichen Peripherieländern der Eurozone und den nordischen EU-Mitgliedsländern.

Die regelmäßig durchgeführte Befragung der Rockwool Foundation (2) kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Schwarzarbeit am BIP im Jahr 2008 (der letzten Erhebung) bei lediglich 0,8 % lag und trendmäßig seit 2005 gesunken ist.

Wie lassen sich derartig große Differenzen erklären? Zunächst einmal handelt es sich um zwei unterschiedliche Bezugsgrößen. Während sich die Studie von Schneider und dem IAW auf das Ausmaß der Schattenwirtschaft bezieht, dreht sich die Befragung der Rockwool Foundation nur um das Ausmaß der Schwarzarbeit. Darüber hinaus liefern Umfragen, wie bereits erwähnt, eher eine Untergrenze für das Ausmaß an Schwarzarbeit.

Bei Schneider und dem IAW sind die Ergebnisse stark davon abhängig, welche Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in der Schattenwirtschaft unterstellt wird. Gemeinhin wird einfach angenommen, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Bargeldes in der Schattenwirtschaft derjenigen in der offiziellen Wirtschaft entspricht. Bargeld spielt allerdings eine zunehmend untergeordnete Rolle, weshalb die Umlaufgeschwindigkeit des Bargeldes (das Bruttoinlandsprodukt bezogen auf das Bargeld) relativ hoch ist. Dieser Umstand spiegelt sich dann in gleichem Maße in einer großen Schattenwirtschaft wider, denn die hohe Umlaufgeschwindigkeit wird auf die Schattenwirtschaft übertragen. Im Gegensatz dazu sinkt die Umlaufgeschwindigkeit breiter gefasster Geldmengenaggregate zunehmend und macht in der Eurozone nur noch 9 % der Umlaufgeschwindigkeit des Bargeldes aus. Setzt man entsprechend eine geringere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes an, ist der Umfang der Schattenwirtschaft bedeutend kleiner und mit den Umfrageergebnissen von Feld und Larsen kompatibel (3).

Bedeutung der Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft

Feld und Larsen kommen zu dem Ergebnis, dass auf das Baugewerbe mit mehr als 35 % der geleisteten schwarzgearbeiteten Stunden der weitaus größte Teil der Schwarzarbeit entfällt. In Absolutbeträgen hieße dies, dass im Jahr 2008 Arbeiten im Umfang von 6,5 Mrd. EUR oder rund 7 % der im Baugewerbe geleisteten Wertschöpfung „schwarz“ ausgeführt worden sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (4) sind die Zuschätzungen, die bei der Ermittlung des Bruttoinlandsproduktes vorgenommen werden, für den Wohnungsbau mit fast 20 % am größten. Allerdings umfassen diese auch die Eigenleistung der privaten Haushalte und eine Separierung von Schwarzarbeit und Eigenleistung ist aufgrund der Erhebungsmethode nicht möglich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die empirische Forschung Hinweise dafür liefert, dass das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland in den vergangenen Jahren – wohl hauptsächlich konjunkturbedingt – gesunken ist. Die absolute Höhe des Schadens durch Schwarzarbeit ist allerdings strittig. Dabei gibt es gute Gründe anzunehmen, dass das „wahre“ Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland wohl näher an den niedrigeren Ergebnissen der direkten Befragungen als an den Ergebnissen der Makro-Modelle liegt. Bei einem Anteil von 5 % am BIP wären dies aber immer noch 132 Mrd. EUR. Darüber hinaus deuten die empirischen Ergebnisse darauf hin, dass die Bauwirtschaft am stärksten von Schwarzarbeit betroffen ist. Übernimmt man die gewonnenen Anteile des Baugewerbes an der geleisteten Schwarzarbeit aus den Umfragen, dürfte sich der Schaden auf bis zu 50 Mrd. EUR belaufen.

Mögliche Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft

Die Ausführungen legen nahe, sich bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit über die bereits durchgeführten Maßnahmen hinaus auf solche zu konzentrieren, die verhältnismäßig einfach und kostengünstig umzusetzen sind. Dabei lassen sich bestehende Maßnahmen grob in drei Kategorien einteilen: Öffentlichkeitsarbeit, Überwachungsmaßnahmen und Anreizmaßnahmen.

Was die Öffentlichkeitsarbeit angeht, sollten die Risiken, die mit der  Bürgenhaftung verbunden sind, stärker ins Bewusstsein gerufen werden. Darüber hinaus könnte es sinnvoll sein, ein „Weißbuch der Baubranche“ zu erstellen, in welches Baubetriebe aufgenommen werden, die sich bisher – auch als Auftraggeber – besonders vorbildlich verhalten haben und noch nicht durch Schwarzarbeit auffällig geworden sind bzw. in dem besonders vorbildliche Baustellen in diesem Sinn vorgestellt werden. Parallel zur Schaffung eines Weißbuches könnte ein bundesweites Korruptionsregister eingeführt werden. Bisher gibt es solche Register nur in einzelnen Bundesländern, in denen öffentliche Auftraggeber ab einer bestimmten Auftragshöhe vor Auftragserteilung verpflichtend eine Anfrage beim Korruptionsregister stellen müssen.

Die Überwachungsmaßnahmen könnten durch eine intensivere Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen, z. B. über eine gemeinsame internetbasierte Informationsplattform, gesteigert werden. Zudem könnte es sinnvoll sein, dass dem Zoll alle Baustellen ab einer bestimmten Größenordnung automatisch angezeigt werden müssen, um mögliche Prüfungen zu erleichtern.

Am einfachsten und kostengünstigsten umzusetzen sind Anreizmaßnahmen. Hier ist an erster Stelle die Stärkung der Bürgenhaftung zu nennen. Einerseits könnte man in Erwägung ziehen, dass alle in Anspruch genommenen Nachunternehmerleistungen in den Rechnungen ausgewiesen werden müssen, um die Bürgenhaftung effektiver durchzusetzen. Zudem sollte die Bürgenhaftung auf öffentliche Auftraggeber ausgeweitet werden. Es ist unverständlich, warum gerade für die öffentliche Hand die Bürgenhaftung im Falle von Schwarzarbeit nicht gilt.

Neben den bereits bestehenden Möglichkeiten, sich von der Bürgenhaftung zu befreien (Beauftragung von präqualifizierten Baubetrieben), ist es denkbar, dies auch dann zu ermöglichen, wenn Bauherren/Auftraggeber sich bereit erklären, relevante Informationen zu allen auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern regelmäßig an die für die Prüfung zuständigen Stellen zu melden. Schließlich könnte darüber nachgedacht werden, das Risiko der Schwarzarbeit weiter zu erhöhen. Dies könnte zum Beispiel über eine Einschränkung des Versicherungsschutzes erreicht werden, wenn die Baukosten nicht vollständig belegt werden können.

Die Bekämpfung der Schwarzarbeit bleibt eine große Herausforderung. Zum einen ist die Größenordnung des volkswirtschaftlichen Schadens nur sehr schwer einzuschätzen, zum anderen sind (auch dadurch bedingt) die Wirkungen vieler Maßnahmen unsicher bzw. deren Kosten-Nutzen-Verhältnis schwer zu kalkulieren. Sicher scheint lediglich zu sein, dass die Bauwirtschaft besonders stark vom Problem der Schwarzarbeit betroffen ist. Maßnahmen, die die Anreize zur Schwarzarbeit senken, sind relativ kostengünstig umzusetzen und sollten aus diesem Grund verstärkt werden. Gerade wenn der Kampf gegen die Schwarzarbeit in Zeiten klammer Kassen ohne wesentliche zusätzliche finanzielle Mittel auskommt, dürfte die Akzeptanz in der Politik und Wirtschaft gewährleistet sein.

Quellen/Literatur

(1) Vgl. F. Schneider, D.-H. Enste: Shadow Economies: Sizes, Causes and Consequences. Journal of Economic Literature Vol. 38 (2000), S. 78.

(2) Vgl. L.-P. Feld, C. Larsen: Das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland, Odense 2012.

(3) Vgl. U. Thießen: The Shadow Economy in International Comparison: Options for Economic Policy derived from an OECD Panel Analysis, DIW Berlin Discussion Papers Nr. 1031 (2010), S. 68-72.

(4) Vgl. Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. Inlandsprodukt nach ESVG 1995. Methoden und Grundlagen, Wiesbaden 2007, S. 286.

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