„Beim Thema Sicherheit sind wir alle gefragt“

Layher-Gerüstsysteme – sicher und ergonomisch

Gespräch mit Wolf Christian Behrbohm, Geschäftsführer der Wilhelm Layher GmbH & Co KG, über Wege zur Unfallvermeidung durch bessere Sicherheitskultur, technisch sinnvolle Lösungen und verstärkte Kontrollen.

THIS: Sie sind nicht nur Marktführer in Deutschland, sondern auch der weltgrößte Anbieter von Systemgerüsten. Bringt das unterschiedliche Anforderungen für die Produktentwicklung?

Wolf Christian Behrbohm: So unterschiedlich sind die Anforderungen gar nicht. Gerüste sind nicht Selbstzweck, sondern dienen dazu, Gewerken sicheren Höhenzugang zu bieten. Sie müssen einfach und schnell zu montieren sowie flexibel und vielseitig im Einsatz sein. Außerdem spielen Sicherheit und Ergonomie eine große Rolle – sowohl bei der Montage als auch bei der Nutzung von Gerüsten. Und unsere Kunden erwarten natürlich auch Investitionssicherheit. Dies gilt sowohl in Deutschland als auch für unsere Märkte im Ausland.

THIS: Was bedeutet das?

Wolf Christian Behrbohm: Ein Gerüstsystem ist ein Investitionsgut, das in der Regel über viele Jahre zum Einsatz kommt. Entsprechend hoch sind unsere Anforderungen an produzierte Qualität – im Hinblick auf die sichere Nutzung ebenso wie auf die Lebensdauer der Gerüstbauteile.

Wichtig ist aber auch, dass Kunden über Jahre oder gar Jahrzehnte nachkaufen und neue Aufgabenstellungen im Markt sicher und wirtschaftlich lösen können. Nehmen Sie unser Allround-Gerüst, das seit 1974 erfolgreich auf dem Markt ist und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Dazu gehört die Weiterentwicklung im Rahmen unserer Philosophie Layher Lightweight mit dem Ziel, durch Reduzierung des Bauteilgewichts bei gleichbleibend hoher Tragfähigkeit, konstruktive Verbesserungen und neue Fertigungsprozesse die Leistung bei Montage und Transport zu steigern – den Hauptkosten der Gerüstbaudienstleistung.

Dazu gehört aber auch die Verbreiterung der Anwendungsvielfalt durch neue Ausbauteile. Alle Neuheiten sind bei Layher selbstverständlich statisch und maßlich ins System integriert und damit mit bestehenden Bauteilen unseres Baukastens – auch früherer Generationen – kombinierbar. Das bedeutet Investitionssicherheit für unsere Kunden.

THIS: Sicherheit, Absturzsicherheit ist beim aktuellen Bauboom mit dem verstärkten Einsatz von ungelernten Arbeitskräften ein großes und wichtiges Thema.

Wolf Christian Behrbohm: Sicherheit für Gerüstmonteure und Gerüstnutzer ist grundsätzlich ein wichtiges Thema und bei uns in der Produktentwicklung deshalb ein zentraler Fokus. Gerüstbauer schaffen sichere Arbeitsplätze in der Höhe für andere Gewerke. Bei Auf- und Abbau gibt es für den Gerüstbauer selbst – je nach Montagezustand – natürlich potentielle Absturzgefahren.

In letzter Zeit war der Aufstieg in die oberste, noch ungesicherte Gerüstlage wieder vermehrt in der Diskussion. Ausgehend vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung stehen Gerüstbauern verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen sich ein mögliches Absturzrisiko auf ein Minimum reduzieren lässt. Informationen finden die Gerüstmonteure in unseren detaillierten Aufbau- und Verwendungsanleitungen sowie in unserem umfangreichen Seminar- und Schulungsprogramm für Einsteiger wie für erfahrene Gerüstmonteure.

THIS: Wie macht man Gerüste „sicher“?

Wolf Christian Behrbohm: Unsere Ingenieure im Technischen Büro analysieren in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden kontinuierlich die Montageabläufe und Tätigkeiten im Gerüstbau sowie bei der Nutzung von Gerüsten. Auf dieser Basis entwickeln wir praxisorientierte und ganzheitliche Lösungen, die den Gerüstbau sicherer, aber auch wirtschaftlicher machen. Denn am Ende des Tages möchten unsere Kunden Geld verdienen.

Lassen Sie mich mit dem Thema Ergonomie noch einen dritten Schwerpunkt ergänzen, der noch viel zu wenig in der öffentlichen Diskussion vorkommt. Dabei wird bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln Ergonomie in der Betriebssicherheitsverordnung genauso gefordert wie Sicherheit. Zu Recht, denn neben der Verantwortung für die eigenen Mitarbeiter hat die Verbesserung der Ergonomie und damit die Verlängerung der Lebensarbeitszeit von Mitarbeitern angesichts des Fachkräftemangels für Gerüstbauunternehmen auch einen ökonomischen Aspekt.

THIS: Mit welchen konkreten Produkten unterstützen Sie Kunden beim Thema Sicherheit?

Wolf Christian Behrbohm: Zur Minimierung von Unfallrisiken auf dem Gerüst verfolgen wir verschiedene Ansätze: von neuen Werkstoffen wie glasfaserverstärktem Kunststoff bei Gerüstböden über durchdachte Aufbaufolgen wie beim Allround-Traggerüst TG 60 bis hin zu temporären Lösungen wie dem vorlaufenden Montage-Sicherungs-Geländer – auch MSG genannt. Temporäre Lösungen bedeuten bei Auf- und Abbau zwar einen geringen Mehraufwand, dafür ist das MSG absolut flexibel. Zu den Vorteilen gehören die Anpassbarkeit an verschiedene Feldlängen sowie die Anwendungsmöglichkeit an der Außen- und der Innenseite von Gerüsten. Das ist beispielsweise bei Stahlskelettbauten ein wichtiger Ansatzpunkt.

Darüber hinaus lässt sich das MSG nicht nur bei Fassadengerüsten, sondern bei vielen verschiedenen Gerüstanwendungen einsetzen, also auch bei Raumgerüsten, Hängegerüsten oder Überbrückungen. Mit diesen und vielen anderen Lösungen haben wir in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, das Sicherheitsniveau im Gerüstbau zu erhöhen. Und das werden wir auch künftig tun. Man darf aber nicht vergessen, dass selbst für die sichere Anwendung dieser Lösungen gut ausgebildete und geschulte Monteure notwendig sind. Man darf bei allen Überlegungen den Faktor Mensch nicht außer Acht lassen.

THIS: Können Sie das näher erläutern?

Wolf Christian Behrbohm: In der vergangenen Zeit wurde von öffentlicher Stelle immer wieder die Forderung nach systemintegrierten Geländern bei Fassadengerüsten laut, obwohl Fassadengerüste nur einen Teilbereich im Gerüstbau darstellen und zudem überhaupt nicht belegt ist, dass sich damit das Sicherheitsniveau gegenüber anderen Lösungen wirklich steigern lässt. Fakt ist: Hält sich ein Gerüstbauer auf der Baustelle nicht an die vorgegebenen Sicherungsmaßnahmen, nützen die besten Maßnahmen nichts.

Für die Erhöhung des Sicherheitsniveaus ist es vielmehr entscheidend, Mitarbeiter für das Thema Sicherheit zu sensibilisieren, Akzeptanz für notwendige Maßnahmen zu schaffen, regelmäßig zu schulen und zu unterweisen, aber auch zu kontrollieren – also zusammengefasst eine Sicherheitskultur im Unternehmen zu implementieren und weiterzuentwickeln.

THIS: Wie lässt sich die Sicherheitskultur verbessern?

Wolf Christian Behrbohm: Ein wesentlicher Baustein ist das Thema Aus- und Weiterbildung. Gerüstmonteure müssen, um beim Thema zu bleiben, die verschiedenen Sicherungsmaßnahmen kennen – aber auch wissen, wie diese je nach Situation richtig einzusetzen sind. Als Unterstützung für unsere Kunden veranstalten wir in den Wintermonaten bei uns am Stammsitz die Layher Technik-Seminare, bei denen erfahrene Schulungsingenieure theoretische wie praktische Grundlagen vermitteln. Allein in dieser Saison finden 36 Termine zu verschiedenen Themen statt.

Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Faktor Kontrolle. Als beispielsweise der Sicherheitsgurt in PKWs eingeführt wurde, lehnten viele Autofahrer diesen zuerst ab. Erst als die Risiken stärker öffentlich thematisiert wurden und das Nicht-Anlegen des Gurtes mit einer Geldstrafe belegt wurde, änderte sich die Situation. Heutzutage schnallen sich die meisten ganz automatisch an, ohne auch nur einen Gedanken an das Thema zu verschwenden. Dies ist zwar nicht ganz vergleichbar, aber ein einfaches Beispiel, um den Sachverhalt deutlich zu machen.

THIS: Wird zu wenig kontrolliert?

Wolf Christian Behrbohm: Vor kurzem wurde in einer Reportage darüber berichtet, dass im vergangenen Jahr die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle in der Bauindustrie generell gestiegen sei. Dagegen würden die Betriebskontrollen staatlicher Arbeitsschutzbehörden seit Jahren zurückgehen. Eine Aussage war, dass von 21.000 Baustellen in Stuttgart nur 30 kontrolliert werden können. So ist die Forderung nach technischen Lösungen nicht wirklich überraschend.

THIS: Nun ja, das verlagert zwar die Verantwortung recht einseitig, aber ich verstehe den Charme der Idee.

Wolf Christian Behrbohm: Die Forderung nach technischen Lösungen und damit die Verlagerung der Verantwortung auf die Hersteller allein ist auf lange Sicht aber nicht zielführend. Vor allem, da die geforderten systemintegrierten Geländer nicht gleichbedeutend mit einer zwingenden Aufbaufolge sind, und erste Lösungen auf Basis nicht symmetrischer H-Rahmen durch die ungleichmäßige Gewichtsverteilung deutliche Nachteile bei der Ergonomie mit sich bringen. Diese Lösungen sind zudem ausschließlich für glatte Fassaden geeignet und nur an der Außenseite von Gerüsten einsetzbar. Von Nachteilen bei Lagerung und Transport ganz zu schweigen. Trotzdem sehen wir uns als Hersteller in der Verantwortung, unsere Gerüste technisch – wo möglich – auch künftig weiterzuentwickeln. Beim Thema Sicherheit sind wir jedoch alle gefragt – also Gerüsthersteller, Gerüstbauunternehmer und Überwachungsstellen. Nur durch das Zusammenspiel von technisch sinnvollen Lösungen, regelmäßigen Schulungen und Kontrolle können wir das Sicherheitsniveau im Gerüstbau nachhaltig erhöhen.

Wilhelm Layher GmbH & Co KG

www.layher.com

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