FÜR DEN UNTERNEHMENSERFOLG

Bau-Marketing: Modewort oder wichtige Disziplin?

Wie wichtig ist Marketing in der Baubranche, was sind die geeigneten Instrument und wo liegen die Defizite? tHIS holte die Meinungen zweier Experten ein: Professor Dr. Sammy Ziouziou und Norbert Weimper M.A. (siehe Kasten „Unsere Gesprächspartner“).

Frage an die Marketingexperten und Kenner
der Baubranche: Was macht diese falsch?

Ziouziou: Falsch ist vielleicht etwas übertrieben. Ich würde es eher Nachholbedarf nennen. Gerade das Verständnis, dass Marketing mehr als kostenverursachende Werbung ist und dass gerade die neuen Medien große Chancen bieten, ist in der Baubranche noch nicht zu 100% angekommen. Zudem finde ich es schade, dass so eine innovationsstarke, für die Wirtschaft elementare Branche ihr Potential nicht in vollem Umfang nach außen transportiert.

Ihre Agentur beziehungsweise Ihr Institut tragen „Bau-Marketing“ im Namen. Ein Begriff, den kaum jemand kennt.

Weimper: Das ist richtig. Bau-Marketing ist ein Zweig des Marketings, der sich noch in der Frühphase der Entwicklung befindet. Dazu kommt, dass es bisher nur wenige Experten, wie zum Beispiel Herrn Professor Ziouziou, auf diesem Gebiet gibt.“

Ziouziou: Gleichwohl ist die Disziplin Bau-Marketing meiner Meinung nach notwendig, um den besonderen Marketing-Anforderungen und -Bedürfnissen der Branche gerecht zu werden.

Welche sind das?

Ziouziou: Die Hauptschwierigkeit liegt im Umbruch dessen, was den Bau traditionell ausmacht: Bau ist ein Projektgeschäft mit Unikatcharakter, was häufig sehr arbeitsteilig und zudem technisch anspruchsvoll ist. Bis vor einigen Jahren reichte es aus, seine Angebote preislich attraktiv zu gestalten, um eine auskömmliche Rendite zu erzielen. Heute ist der Anteil baunaher Dienstleistungen stark gewachsen, zudem werden die Kunden anspruchsvoller – die Märkte erfahren demnach sowohl seitens der Anbieter als auch der Nachfrager deutliche Akzentverschiebungen. Diese Anforderungen ohne ein strukturiertes, auf die Spezifika des Baus zugeschnittenes Marketing erfolgreich zu managen, erscheinen nicht möglich.

Weimper: Zur Ergänzung: Grundsätzlich muss man natürlich  unterscheiden zwischen europa- oder weltweit operierenden Unternehmen der Bauindustrie und kleineren Mittelstandsunternehmen. Für beide Gruppen gelten durchaus unterschiedliche Anforderungen.

Welche Spezifika hat die Baubranche insgesamt?

Weimper: Für viele in der Baubranche galt jahrzehntelang das „Modell Ausschreibung“. Das heißt, die Baubetriebe reagierten lediglich mit Angeboten auf Anfragen. Heute muss man zunehmend agieren, indem man mittels Marketing aktiv auf sich und seine Leistungen aufmerksam macht. Suchmaschinen wie Google und andere Internet-Plattformen erhöhen in dieser Richtung den Druck.

Bau-Marketing bedeutet demnach?

Ziouziou: Bau-Marketing bedeutet, das Unternehmen konsequent Marktseitig zu betrachten und zu führen, was sowohl strategische als auch operative Komponenten beinhaltet: Ein Beispiel: Ein auf Rohbauerstellung spezialisiertes Bauunternehmen muss sich grundsätzlich die Frage stellen, über welches Alleinstellungsmerkmal es verfügt, um in dem harten Preiswettbewerb zu bestehen und ob es nicht über Kompetenzen verfügt, die in einem anderen Segment wie Bauerhaltung ebenfalls eingesetzt werden können, jedoch zu einem günstigeren Risiko-Ertragsverhältnis.

Was müssen die Unternehmen in Sachen Marketing und Kommunikation bedenken?

Weimper: In erster Linie müssen sie sich bewusst machen, dass die „Digitale Revolution“ noch in vollem Gange ist und bereits fast alle Bereiche und Kohorten (zum Beispiel die Silver Surfer) des gesellschaftlichen Lebens umfasst. Unsere Antwort darauf ist ein strategisch angelegtes Online-Marketing, das in der Kommunikation das Web 2.0 umfassend nutzt.

Können Sie ein Kardinalproblem der Unternehmen
in Sachen Marketing ausmachen?

Ziouziou: Die Bedeutung des Marketings für den unternehmerischen Erfolg wird oftmals unterschätzt oder als lästige Pflicht angesehen. Und dementsprechend wird das Potential des „Stiefkinds“ Marketing durch fehlende Bereitschaft und Fachkompetenz nicht ausgeschöpft. Das beginnt bei einer fundierten Positionierung des eigenen Unternehmens im Markt.

Welche Empfehlungen würden Sie den Marketing-
Verantwortlichen in den Unternehmen geben, um im
Bau-Marketing voranzukommen?

Ziouziou: Wie in anderen Branchen auch steht die Situationsanalyse am Anfang, um die eigenen Möglichkeiten angemessen einschätzen zu können. Diese zentrale Vorgehensweise erfordert vor allem in Bezug auf eine ehrliche Betrachtung eigener Defizite ein hohes Maß an Kritikkultur – der Rest drängt sich danach förmlich auf. Ein gutes Beispiel ist die Kampagne „Umparken im Kopf“, der eine klare und ehrliche Auswertung der Schwachstellen (Reputation) vorausging. Marketing ist keine Naturwissenschaft, aber eben auch keine Hexerei.

Und in Sachen Online-Marketing?

Weimper: Vernetzte Inhalte und Mehrwert-Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Kunden sollte ein elementarer Bestandteil der unternehmenseigenen Marketing- und Kommunikationsstrategie sein. Um diese Vernetzung zu strukturieren und in Arbeitsprozesse umzuwandeln, hat meine Agentur das DOT-Marketing entwickelt.

Können Sie das genauer erklären?

Weimper: Im Kern geht es darum, aus dem Internet 100% Zielgruppe herauszufiltern und auf die Website und dort zur Aktion zu bringen. Dies geschieht über Social Media-Angebote wie zum Beispiel Facebook, aber auch Foren und Bewertungsportale spielen eine wichtige Rolle. Das Unternehmen kann diese Kommunikationskanäle auch als „Radar“ nutzen, um Kundenwünsche oder Unzufriedenheit bereits in der Entstehungsphase zu erkennen.

Welche Trends werden zukünftig die Baubranche und das Bau-Marketing beeinflussen?

Ziouziou: Bauen als Verfahren wird komplexer, sowohl technisch als auch juristisch. Die Bauprozesse werden betriebswirtschaftlich optimiert werden, hier spielt der Einsatz von Software eine zunehmend tragende Rolle, wie Building Information Modeling (BIM) bereits heute zeigt. Gleichzeitig wird die hohe Arbeitsteiligkeit der Wertschöpfung unter Qualitätsgesichtspunkten integrativer und intelligenter gemanagt werden müssen.

Da die Märkte in den meisten westlichen Industrienationen
auch aufgrund der Demographie langfristig nur geringe Wachstumsraten aufweisen werden, müssen die Unternehmen Stra-
tegien entwickeln, in prinzipiell stagnierenden Märkten ausreichend zu verdienen. Genau hier setzt Bau-Marketing (strategisches) an.

Weimper: Ich denke, dasszum einen das „intelligente“ Haus und technische Entwicklungen wie Brennstoffzellenheizung oder Solarstromspeicher die Branche in Atem halten werden. Zudem gewinnen Nachhaltigkeit, Ökologie, Wohngesundheit und Wohnraumschaffung im urbanen Raum an Bedeutung. Weil sich die Customers Journey und die traditionellen Vertriebswege durch die Internetisierung stark verändern, wird crossmediales Kooperations-Marketing von Unternehmen auch mit branchenfremden Partnern ein erfolgreiches Instrument sein.⇥■

UNSERE GESPRÄCHSPARTNER


Professor Dr. Sammy Ziouziou: Jahrelang selbst in der Bauindustrie tätig; Deutschlands erster Professor für BauMarketing mit einem Lehrstuhl an der Beuth Hochschule für Technik Berlin; Leiter der Weiterbildungseinrichtung Institut für Bau-Marketing.

Norbert Weimper M.A.: Marketing- und Kommunikationsspezialist und Online Marketing Consultant (IHK); Inhaber der auf Mittelständler der Baubranche spezialisierten Agentur Prometheus Bau-Marketing.community in Pforzheim.

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