8-t-Dämpfer für die Tennis-Elite

Neues Dach über dem Hauptplatz von Roland Garros darf nicht schwingen

Das Tennis-Stadion Roland Garros in Paris war die letzte Grand-Slam-Arena ohne Dach, die French Open bis ins Finale wetterabhängig. Nun hat der zentrale und größte Platz „Philippe Chatrier“ eine faltbare Abdeckung erhalten.

Beim nächsten Grand Slam in Paris werden die Spitzenspiele ohne Regenpausen stattfinden können – dank eines neuen fahrbaren Daches. Maurer stattete die schlanke Stahlkonstruktion mit Dämpfern aus, die auf Schwingungen sofort reagieren: damit das Dach ohne Geräusche schließt und öffnet und das Material nicht ermüdet.

Das Tennis-Stadion Roland Garros in Paris war die letzte Grand-Slam-Arena ohne Dach und die French Open bis ins Finale wetterabhängig. Nun hat der zentrale und größte Platz „Philippe Chatrier“ eine faltbare Abdeckung erhalten und wurde komplett umgebaut. Die Erweiterung auf 15.000 Plätze ist das Herzstück der mehrjährigen Umbauten auf Roland Garros, die 2020 abgeschlossen werden sollen.

Das Dach besteht aus 11 Stahlkastenträgern, von denen einer fest ist und die anderen ausgefahren werden können. Jeder trägt über die ganze Länge einen rund 3 m hohen, schräg stehenden und leicht gewölbten „Flügel“, der als Regenschutz dient. Diese Flügel machen den Tennisplatz in 15 Minuten regensicher. Sie laufen mit Zahnrädern auf einer Zahnschiene, die auf der Außenwand der Arena aufliegt. Doch das muss sehr leise geschehen, denn die Tennisstars sollen nicht gestört werden. Rattern, quietschen oder gar holpern waren also zu unterbinden – und das bei über 100 m langen Stahlträgern. Vor allem windinduzierte Schwingungen in der Stahlkonstruktion mussten bedämpft werden. Neben dem Fahrkomfort war auch die Lebensdauer ein Thema: Das Material soll möglichst überhaupt nicht schwingen, damit es nicht ermüdet und Risse bzw. Brüche vermieden werden.

Platznot: Extrem schlanke Dämpfergeometrie

Deshalb wurden die 10 Stahlträger mit vertikalen Schwingungsdämpfern (TMD – Tuned Mass Damper) ausgestattet. Diese TMDs haben einen Masseblock, der auf Stahlspiralfedern aufliegt. Die Masse schwingt phasenverschoben den Bauwerksschwingungen in vertikaler Richtung entgegen. Das reduziert die Schwingungen um Faktor 2-8. Die notwendige Größe der schwingenden TMD-Masse hängt dabei entscheidend von der Masse des bewegenden Bauwerks ab. In Paris brauchte jeder Stahlträger einen TMD mit 8 Tonnen schwingender Masse. Nur: Wohin mit dieser Masse angesichts der schlanken Stahlträgergeometrie?

„Wir haben die acht Tonnen in die Stahlträger hineingepackt“, erklärt Projektleiter Luca Paroli von Maurer. „Das war allerdings eine Herausforderung, denn die Geometrie der langen schmalen Träger war vorgegeben.“ Die Dämpfergeometrie wurde also aufwendig an die Stahlkästen angepasst.

Eigenfrequenz: Individuelle Justierung vor Ort

Damit die TMDs funktionieren, müssen sie exakt auf die Eigenfrequenz der Träger eingestellt werden. Die Frequenz war zwar aus angenommener Steifigkeit und Masse vorberechnet worden, doch insbesondere die Trägersteifigkeit ändert sich produktionsbedingt. Vor allem Schrauben und Schweißnähte verursachen die Abweichungen. Nachdem das neue Dach montiert war, wurde deshalb jeder einzelne Stahlträger gemessen und der Dämpfer entsprechend justiert. Dafür hatte Maurer verschiedene Federsätze mitgeliefert, die dann abhängig von den Messergebnissen ausgetauscht wurden. Mit einer Toleranz von nur ±1 % sind die Dämpfer nun sehr genau justiert. Zudem ist die innere Reibung in den vertikalen Führungen der TMD-Masse vernachlässigbar gering. Diese beiden Punkte, genaueste Frequenzeinstellung und niedrige Reibung, sorgen für ein Maximum an möglicher Dämpfung: Die TMDs werden bei geringsten Bauwerksbewegungen sofort aktiv und haben einen sehr hohen Wirkungsgrad.

Lager: Elastomer, Kalotten und Zug-Druck

Zudem lieferte Maurer die 20 Lager unter den Stahlträgern. Geplant waren ursprünglich nur Elastomerlager, doch es ergaben sich Platzprobleme. Ein Teil der Elastomerlager wurde deshalb durch deutlich kleinere Kalottenlager ersetzt. Diese Lager haben im Inneren eine Kalotte, die wie ein Kugelgelenk Rotationen um alle Achsen ohne signifikante Widerstände aufnehmen kann.

Zwischen den Lagerelementen sind zwei 8 mm dicke Scheiben aus MSM – Maurer Sliding Material – zur Aufnahme von Verdrehungen und Horizontalverschiebungen eingebaut. MSM kann sehr viel höhere Pressungen aufnehmen als Elastomerlager. Daher konnte der Grundriss um mehr als 30 % kleiner ausgelegt werden. Ein positiver Nebeneffekt der MSM-Kalottenlager ist deren Verschleiß- und Alterungsbeständigkeit. Gemäß Zulassung haben sie eine zertifizierte Mindestlebensdauer von 50 Jahren.

Zwei dieser Kalottenlager wurden zudem als Zug-Druck-Lager ausgelegt, das heißt: Sie nehmen nicht nur Druck und Verdrehungen auf, sondern auch abhebende Kräfte. Das ist vor allem wichtig, wenn der Wind unter das fahrende Dach fährt. Die Zug-Druck-Lager liegen unter dem zweiten Träger. Gleichzeitig ermöglichen diese speziell konstruierten Lager die zwängungsfreie Abtragung von vertikalen Druck- und Zugkräften in jedem Verdrehungs- und Verschiebungszustand.

Eigentümer des Stadions ist die FFT (Féderation Francaise de Tennis). Architekt der kompletten Umgestaltung ist das Cabinet ACD-Girardet, Co-Architekt für das mobile Dach ist Cabinet DVVD. Federführend für Engineering und Bau des Gesamtprojekts ist ein Joint Venture von VCF – Vinci Construction France und Cimolai SpA, Letztere ist verantwortlich für den Stahlbau der Tribünen und das mobile Dach. Im Januar 2020 wurden die letzten Teile eingebaut. Insgesamt soll die Neugestaltung 2020 abgeschlossen werden.

Maurer SE

www.maurer.eu

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2018

Korrosionsgeschütze Mercedes-Benz-Arena

Beschichtungssystem für den Korrosionsschutz

Um das Verhalten der bestehenden Beschichtung beurteilen zu können und um einen verbindlichen Ausführungsstandard für die Beschichtungsarbeiten festzulegen, wurden im Vorfeld Kontrollflächen...

mehr
Ausgabe 04/2018

Multifunktions-Arena für Erfurt

Modernisierung mit Betonfertigteilen

Als Leichtathletik- und Fußballstadion blickt das Erfurter Steigerwaldstadion auf eine glanzvolle und abwechslungsreiche Geschichte zurück. 1931 als Mitteldeutsche Kampfbahn für Turnfeste,...

mehr

Unter Dach und Preis

Kurz vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft wurde das von Alpine gemeinsam mit einem polnischen Partner errichtete EM-Stadion in Danzig gleich mit zwei renommierten Preisen ausgezeichnet. Bei...

mehr
Ausgabe 09/2011

Sportliche Herausforderungen im Stadion- und Sportstättenbau

Schalungs- und Gerüstlösungen im Sportstättenbau

Bereits für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 wurden vier Stadien mithilfe von Peri Schalungs- und Gerüstsystemen errichtet bzw. erweitert, unter anderem das 70 000 Zuschauer fassende Greenpoint...

mehr
Ausgabe 03/2020

Speziallösung für Olympiastadion

Dach-Lager für wechselnde Lasten

Das 1934 bis 1938 erbaute Stadion beheimatete 1952 die olympischen Spiele. Die Stadionarena wird als die schönste der Welt bezeichnet – sie war das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs, den die...

mehr