Der Ukraine-Krieg und seine Rechtsfolgen für Bauverträge

Teil II: Was ist bei Vertragsabschluss zu beachten?

Im Teil I wurde die Frage behandelt, wie sich der Ukraine-Krieg auf Bauverträge auswirkt, die bereits geschlossen sind. Die nachstehenden Ausführungen befassen sich nun mit der Frage, was bei Vertragsabschluss zu beachten ist.

Wie in der THIS-Ausgabe 09.2022 bereits ausgeführt, trägt der Anbieter das sogenannte Festpreisrisiko. Der einmal vereinbarte Preis verändert sich während Laufzeit des Vertrags nicht, grundsätzlich unabhängig davon, wie sich die Kosten des Auftragnehmers entwickeln. Um das Festpreisrisiko des Auftragnehmers abzumildern, wäre grundsätzlich erforderlich, entsprechende Gleitklauseln mit dem Auftraggeber zu vereinbaren.

Was gilt hierzu bei öffentlichen Aufträgen der staatlichen Bauverwaltungen?


© Maxx Studio/Shutterstock

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Am 25. März 2022 hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ein Rundschreiben an die nachgeordneten Behörden versandt, mit dem für spezielle Produktgruppen, nämlich Sonderregelungen festgelegt wurden, zu denen für die genannten Stoffe in Bauverträgen Preisgleitklauseln aufgenommen werden können:

Stahl und Stahllegierungen

Aluminium

Kupfer

Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut)

Epoxidharze

Zementprodukte

Holz

Gusseiserne Rohre

Für bereits geschlossene Verträge wurde unter Hinweis auf § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage; siehe hierzu Teil I) bestimmt, dass die Ereignisse im Zusammenhang mit diesem Krieg im Einzelfall geeignet sind, eine Preisanpassung bei den betroffenen Positionen vornehmen zu können, sofern für den Auftragnehmer die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, wobei auf die „Gesamtbetrachtung des Vertrags“ abzustellen ist.

Diese ursprünglich befristete Regelung wurde mit einem weiteren Rundschreiben des Bundesbauministeriums vom 22.06.2022 bis zum 31.12. 2022 verlängert, wobei dieses Rundschreiben weitere Verbesserungen zugunsten der Bieter/Auftragnehmer beinhaltet.

Was gilt bei Bauaufträgen der kommunalen Auftraggeber?

Die genannten Rundschreiben sind nur für das Bundesbauministerium und dessen nachgeordnete Behörden verbindlich. Andere öffentliche Auftraggeber sind somit nicht unmittelbar verpflichtet, die dort festgelegten Grundsätze bei ihren Vergaben anzuwenden.

Allerdings sind auch diese öffentlichen Auftraggeber an die VOB/A gebunden, die in § 9d VOB/A vorsieht, Gleitklauseln in den Vertrag aufzunehmen, wenn „wesentliche Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten“ sind. Demgemäß verfahren viele kommunalen Auftraggeber nach Abschluss ihrer Verträge in gleicher Weise wie die Bundesbaubehörden. Im Einzelfall empfiehlt sich für Bieter/Auftragnehmer, über ihren Verband oder ihre Kammer einschlägige Informationen einzuholen.

Kann der Bieter in seinem Hauptangebot eine eigene Preisgleitklausel vorsehen?

Eine solche Praxis würde gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A zum Ausschluss des Angebots führen, weil Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind.

Kann der Bieter in einem Nebenangebot eine eigene Preisgleitklausel vorsehen?

Auch als Nebenangebot wäre ein solches Angebot nicht wertbar. Selbst wenn der Auftraggeber solche Angebote zur Wertung zulassen würde (siehe hierzu § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A), könnte der Zuschlag auf ein solches Angebot nicht erteilt werden. Nach § 127 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist der Zuschlag auf das „wirtschaftlichste Angebot“ zu erteilen.

Ein Nebenangebot mit einer solchen Klausel entzieht sich aber zum Zeitpunkt der Vergabe einer entsprechenden Prüfung, sodass dieses Angebot auch nicht wertbar wäre.

Privataufträge: Wie können sich Vertragspartner vor Preisrisiken während der Vertragslaufzeit schützen?

– Ist eine Preisgleitklausel überhaupt notwendig?

Vorab ist als erstes zu prüfen, ob und wie eine Preisgleitklausel im Vertrag gänzlich vermieden werden kann.

Beispiel: Der Fliesenleger erhält am 1. November 2022 einen Bauauftrag; Fertigstellungsfrist bis zum 10. März 2023. Vielleicht kommt hier in Betracht, das notwendige Material so rechtzeitig zu bestellen und mit den Zulieferern eine Festpreisabrede hierzu zu treffen, sodass sich für den Auftragnehmer das Risiko einer Preisänderung gar nicht stellt.

– Was tun bei Bauaufträgen mit einer langen Ausführungsfrist?

Gelingt es nicht, das Festpreisrisiko etwa durch Vereinbarungen mit den Zulieferern zu lösen, stellt sich die Frage, ob es möglich ist, mithilfe eigener Vertragsbedingungen dieses Risiko zu vermeiden oder zu mindern.

Beispiel: Der Auftraggeber verwendet in seinem Einheitspreis-Bauvertragsmuster folgende Klausel: „Die dem Angebot des Auftragnehmers zugrunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich“.

Nach dem Urteil des BGH vom 20.07 2017 – AZ: VII ZR 259/16 – ist die genannte Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) unwirksam. Da die Klausel auch den Preisanpassungsanspruch des Auftragnehmers nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) erfasst und das Wort „grundsätzlich“ bei der für allgemeine Geschäftsbedingungen gültigen Auslegungsregel als „ausnahmslos“ verstanden werden kann, ist sie gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Beispiel: Der Auftragnehmer verwendet bei seinen Angeboten folgende Klausel: „Bei einer Steigerung von Material – und Rohstoffpreisen von mehr als 5 % gegenüber den bei Vertragsschluss gültigen Preisen sind wir berechtigt, die am Tag der Lieferung gültigen Preise zu berechnen“.

Diese Klausel verstößt als „Allgemeine Geschäftsbedingung“ (AGB) gegen das sogenannte Transparenzgebot (Gebot der Klarheit), weil die Höhe der eventuellen Preissteigerungen für den Auftraggeber unberechenbar ist. Außerdem wird der Auftraggeber hierdurch „unangemessen benachteiligt“ (§ 307 Abs. 1 BGB).[1]

Als AGB gelten „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) dem anderen Vertragspartner bei Abschluss des Vertrags stellt“ (§ 305 Abs. 1 BGB).

Das „Vielzahl – Kriterium“ ist erfüllt, wenn die Klausel mindestens dreimal verwendet wurde oder zumindest die Absicht besteht, sie mehrfach zu übernehmen. Dabei ist egal, ob der Verwender die Bedingungen selber formuliert oder ob er eine Klausel lediglich einmalig verwendet, die von einem Dritten verfasst wurde oder aus einem Formularvertrag stammt.

Ist der Vertragspartner des Verwenders ein sogenannter Verbraucher (ein privater Auftraggeber, der den Bauvertrag „zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB), unterliegen die Vertragsklauseln des Verwenders schon dann der strengen Inhaltskontrolle nach § 307ff, wenn der Verwender sie nur für eine einmalige Verwendung formuliert hat und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Im Ergebnis bedeutet dies, dass jeder Vertrag, der dem Verbraucher fertig formuliert vorgelegt wird, der Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt.

Fazit

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass es für die Praxis ein doch recht hohes Risiko darstellt, wenn man versuchen will, die hier anstehenden Probleme durch eigene, nicht mit dem Vertragspartner ausgehandelte Bedingungen lösen zu wollen.

Wie ausgeführt, ist nicht sinnvoll, das Problem der unklaren Preissituation bei den genannten Produktgruppen durch „einseitige“ und vorformulierte Vertragsbedingungen lösen zu wollen. Vielmehr ist zu empfehlen, dass die Vertragspartner bei diesen Positionen die beiderseitigen Risiken durch eine entsprechende individuelle Vertragsgestaltung ausschließen bzw. reduzieren.

Vorweg ist hierzu die Empfehlung auszusprechen, sich hierbei zum Beispiel durch einen entsprechend qualifizierten Anwalt oder Fachverband rechtliche Unterstützung zu sichern, zumal bei Vertragsschluss nicht abgesehen werden kann, wie sich die Situation insbesondere auf dem Energiesektor und die hieraus resultierenden Kosten weiter entwickeln wird .

Als Lösungsvorschlag könnte in Betracht kommen, sich mit dem Vertragspartner darauf einigen, dass die durch den Ukraine-Krieg risikobehafteten Positionen nicht der Festpreisbindung unterliegen. Dies könnte beispielsweise in der Weise geschehen, dass der Bauvertrag (zum Beispiel Einheitspreisvertrag) mit einem sogenannten Selbstkostenerstattungsvertrag „gekoppelt“ wird.

Dieser Vertragstyp war bis zur Fassung der VOB/A 2006 in § 5 Nr. 3 VOB/A geregelt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen – hier nur die von der unsicheren Preissituation betroffenen – Positionen auf der Basis der bei Vertragsabschluss gültigen tatsächlichen Selbstkosten des Auftragnehmers kalkuliert und angeboten werden. Auf diese Selbstkosten wird zum Beispiel ein Zuschlag für Nebenkosten des Auftragnehmers (einschließlich Gewinn) in Form einer unveränderlichen Pauschale erhoben. Abgerechnet werden die bei Vertragsdurchführung gültigen tatsächlichen Selbstkosten des Auftragnehmers einschließlich dem pauschalierten Zuschlag. Dem Auftraggeber wird die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer definierten Frist Konkurrenzangebote zu den „tatsächlichen Selbstkosten des Auftragnehmers“ einzuholen.
 

Was gilt, wenn es – als Folge des Ukraine-Kriegs – während der Vertragsdurchführung zu Leistungsstörungen/Behinderungen kommt?

Insoweit kann auf die Ausführungen im Teil I verwiesen werden. Die VOB/B (§ 6 VOB/B), aber auch das BGB bieten insoweit Regelungen, die für eine im Wesentlichen faire Risikoverteilung sorgen.

Bausuchdienst GmbH

www.baurechtsuche.de

[1] BGH NJW 1985, S. 855,856

Dr. Olaf Hofmann ist Fach- und Buchautor. Er arbeitete viele Jahre als Anwalt und Lehrbeauftragter für Baurecht.
© Bausuchdienst
Dr. Olaf Hofmann ist Fach- und Buchautor. Er arbeitete viele Jahre als Anwalt und Lehrbeauftragter für Baurecht.
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