Vorsicht (Verjährungs)Falle, Teil 1

Verjährungsfrist bei Gesamtschuldnern

Der Bundesgerichtshof hat in einigen neueren Entscheidungen zur Verjährung von Ausgleichsansprüchen unter Gesamtschuldnern und von Bürgschaftsforderungen gegenüber Bürgen Stellung genommen. Es lohnt sich, auf diese Entscheidungen näher einzugehen, um mögliche Verjährungsfallen aufzuspüren, aber auch mögliche rechtliche Stolpersteine abzubauen. Im Teil 1 geht es um die Verjährungsfrist bei Gesamtschuldnern, im Teil 2 um die Verjährung von Bürgschaftsforderungen und deren Rechtsfolgen für die Vertrags- und Baupraxis.

Frage 1: Was sind

Gesamtschuldner?

Gesamtschuldner sind Schuldner für alles. Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal fordern darf, sind die-
se mehreren Schuldner Gesamtschuldner (§ 421 BGB), was im Baurecht sehr häufig vorkommt. Planer, ausführende Firmen und Bauüberwacher haften oft dem Bauherrn gemeinsam für einen Baumangel, wenn auch aus unterschiedlichen Gesichtspunkten (Planungsverschulden, Ausführungsfehler, Verletzung der Prüf- und Hinweispflicht zur Bedenkenanmeldung, Überwachungsfehler).

Nach § 426 Abs. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über (§ 426 Abs. 2 BGB).

Frage 2: Wann beginnt die

Verjährungsfrist regelmäßig?

Nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Ein Anspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB ist entstanden, wenn er geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Das ist grundsätzlich der Zeitpunkt seiner Fälligkeit. Die Möglichkeit der Bezifferung ist nicht notwendig. Ausreichend ist die Möglichkeit einer Feststellungsklage.

 

Frage 3: Wann verjährt der Ausgleichs-anspruch unter Gesamtschuldnern?

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.06.2009 – VII ZR 167/08 – entschieden, dass ein Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern drei Jahre nach der Entstehung verjährt. Mit Blick darauf, dass nach gefestigter Rechtsprechung ein entsprechender Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB bereits in dem Augenblick entsteht, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also mit der Begründung der Gesamtschuld (BGH BauR 1994, 621; BGH BauR 2008, 381), beginnt zu diesem Zeitpunkt auch die Verjährung. Eine Gesamtschuld wird unabhängig davon, welche Ausprägung der Ausgleichsanspruch zum Zeitpunkt seiner Entstehung hat, begründet; sei es als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch oder als Zahlungsanspruch gegen einen anderen Gesamtschuldner nach Erfüllung der Gesamtschuld durch einen Gesamtschuldner.

 

Frage 4: Was muss ein ausgleichsberechtigter Gesamtschuldner beachten?

Im konkreten Fall des BGH hatte der Haftpflichtversicherer eines Architekten, der mit dem Bauunternehmer für einen Mangel in gesamtschuldnerischer Haftung stand, aus übergegangenem Recht einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB gegen den Bauunternehmer geltend gemacht, nachdem der Architekt allein wegen Baumängeln vom Bauherrn in Anspruch genommen worden war. Der Bauunternehmer selbst erhob im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichsprozesses die Einrede der Verjährung. Zu beachten ist, dass der Ausgleichsanspruch nicht erst mit der Zahlung des Haftpflichtversicherers des Architekten an den Bauherrn/Gläubiger entstand. Schon der – zuvor entstandene – Befreiungsanspruch des einen Gesamtschuldners gegen den anderen Gesamtschuldner begründe die Gesamtschuld und führe zur Entstehung des Ausgleichsanspruchs, so dass der auch die Verjährungsfrist in Gang setze.

Hieraus folgt, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Bei dem Gesamtschuldnerausgleich handelt es sich um einen ein-
heitlichen Anspruch auf Ausgleich, wobei
§ 426 Abs. 1 BGB bewusst offen lasse, wie der Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern erfolgen solle.

Die Zahlung des Ausgleichsberechtigten an den Gläubiger ist danach auch keine tatbestandliche Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs. Es entstehe auch kein neuer Anspruch durch diese Zahlung. Vielmehr kann und muss der Ausgleichsanspruch dann nur in anderer Form als zuvor erfüllt werden.

Dass es bei einer einmal eingetretenen Verjährung des Ausgleichsanspruchs hierbei sein Bewenden haben muss, wird vom Bundesgerichtshof mit den gesetzlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts begründet. Danach steht der Schuldnerschutz und der Rechtsfriede als wesentlicher Zweck des Rechtsinstituts der Verjährung im Vordergrund. Im Übrigen – so der Bundesgerichtshof – würde die Anknüpfung der Verjährung an die Zahlung dazu führen, dass der Eintritt der Verjährung von dem Verhalten des Ausgleichsberechtigten abhängig sei und dieser es somit allein in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungshemmender Maß-
nahmen beliebig hinauszuzögern.

 

Frage 5: Wann hat der ausgleichsberechtigte Gläubiger im Gesamtschuldnerausgleich von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt?

Für eine Kenntnis aller Umstände, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründen, ist es erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnisse über folgende Umstände hat:

1. Über die Umstände, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen.

2. Kenntnisse von den Umständen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn – den Ausgleichsberechtigten – selbst begründen.

3. Kenntnisse von den Umständen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen.

4. Kenntnis von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.

Mithin reicht es nicht aus, den im Bauwerk zu Tage getretenen Mangel zu kennen, weil daraus nicht ohne weiteres die Kenntnis der für einen Anspruch des Bestellers gegen die Baubeteiligten notwendigen weiteren Voraussetzungen abzuleiten sein muss. In der nächsten Ausgabe werden dann Verjährungsfragen und Verjährungsfallen im Zusammenhang mit Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften behandelt.

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