Mit Wert und Nutzen planen

„Value Engineering“ zur Optimierung von Bauobjekten in der Phase der Bauausführung

Der Begriff des „Value Engineering“ setzt sich aus dem englischen Wort „Value“ für Wert bzw. Nutzen sowie „Engineering“ für ingenieurwissenschaftlich bzw. technisch zusammen. Der Wert wird weiterhin definiert als das Verhältnis Gegenleistung/Kosten. In diesem Verhältnis lässt sich der Wert einer Leistung nur erhöhen, indem man die Kosten verringert oder die dafür mögliche Gegenleistung erhöht.


1 Allgemeines

Auch bei einem Bauprojekt kann durch systematisches Planen und ingenieurmäßigen Sachverstand eine erhebliche Wertsteigerung (Wert = Gegenleistung/Kosten) erreicht werden. Diese Wertssteigerung ermöglicht, dass bei gleich bleibendem Bauwerk die Herstellungskosten gesenkt werden, oder bei gleich bleibenden Kosten ein höherwertiges Bauwerk erstellt wird.  Grundsätzlich muss jedoch bei der Diskussion des Themas „Value Engineering“ zwischen privaten Auftraggebern und öffentlichen Auftraggebern unterschieden werden. Bei privaten Auftraggebern, der nicht an die europäischen Regelungen der Auftragsvergabe gebunden ist, können bereits in der Planungs- und Ausschreibungsphase mit einem oder mehreren ausführenden Unternehmen die Randbedingungen des Bauwerks derart optimiert werden, dass in der späteren Ausführung für den Auftraggeber (im Weiteren AG) ein maximaler Wert bzw. Nutzen entsteht (1). Wird von einem öffentlichen AG in einem öffentlichen oder beschränkten Ausschreibungsverfahren jedoch ein Bauprojekt ausgeschrieben, so kann durch die Einhaltung der Vergaberegeln die Erfahrung der ausführenden Firmen nur genutzt werden, wenn Optimierungsvorschläge in Form von Alternativangeboten eingereicht werden. Es kann jedoch nicht per se davon ausgegangen werden, dass innerhalb der kurzen Angebotsfrist und den knappen Informationen von Seiten eines Bieters alle Optimierungspotentiale eines Bauprojekts erkannt werden. Somit ist es wesentlich, auch nach Beauftragung eines Bauauftrages Möglichkeiten zu schaffen, die eine Wert- bzw. Nutzensteigerung des Bauprojekts ermöglichen. Eine solche Möglichkeit bietet die Vereinbarung einer „Value Engineering“ Regelung im Bauvertrag. Diese Regelung sieht vor, dass durch Änderungsvorschläge des Auftragnehmers (im Weiteren AN) die Baukosten gesenkt bzw. die Qualität des Bauwerks gesteigert werden. Als Vergütung für einen Änderungsvorschlag erhält der AN einen Bonus welcher sich aus einem bestimmten Prozentsatz der Einsparung gegenüber der Urvertragsleistung errechnet.

 

1.1 Die Regelungen in öster-
reichischen Bauverträgen

Die bisher einzige Möglichkeit zur Implementierung einer Regelung für „Value Engineering“ in die Verträge bei öffentlichen Aufträgen im deutschsprachigen Raum bietet die in Österreich seit dem 01.03.2006 als Gründruck erschienene ON B2118. „Value Engineering“ wird in dieser Werkvertragsnorm als Vorschlag für Kosten mindernde Leistungsänderungen nach folgen-
dem Muster geregelt (2):


Wenn ein Value Engineering vereinbart wurde, gilt für die Vertragsanpassung folgende Regelung: Die sich aus den Änderungsvorschlägen des AN nach Vertragsabschluss ergebende Abweichung ist vom AG schriftlich zu beauftragen. Nicht beauftragte Abweichungen begründen keinen Entgeltanspruch. Als Vorraussetzung für eine Be-
auftragung sind zu klären:


(1) technische Gleichwertigkeit zum festgelegten Bau-Soll

(2) Darstellung der Auswirkungen der Abweichung auf Sicherheit, Qualität, Dauerhaftigkeit, Lebenszykluskosten, Bescheidlage, Nachbarbaulose, Bauzeit und Risiko sowie sonstige Folgekosten unter entsprechender Mitwirkung des AG

(3) Verbindliches Angebot auf Preisbasis, Preiskomponenten und Mengenansätze des Vertrages der durch die Abweichung entstehenden Kostenersparnis sowohl in der Sphäre des AN als auch in der Sphäre des AG

(4) Termin für die Entscheidung des AG


Für den Fall der Beauftragung einer Ausführungsänderung gilt, wenn nichts anderes festgelegt: Jede Ausführungsänderung wird rechtlich im Sinne von 6.3.3 behandelt, d.h. sämtliche im Vertrag festgelegten Bestimmungen für die Alternativen gelten auch für die Ausführungsänderungen, das sind insbesondere Mengengarantie, Übernahme sämtlicher mit der Änderung verbundenen erhöhten Risiken, Durchführung allfälliger zusätzlicher Behördenverfahren durch den AN unter Leitung des AG u. dgl.


(1) Die Festlegung von Pauschalen, anstatt der Mengengarantie für die Leistung, ist möglich.

(2) Die Kostenersparnis ist zwischen AN und AG angemessen aufzuteilen (50:50)



Der in der ÖNorm B2118 als „Value Engineering“ vorgesehene Vertragsbestandteil sieht somit einen Anreizmechanismus vor, der auch nach Auftragsvergabe eine Optimierung durch den AN stimuliert. In der bisherigen Projektabwicklung wurde eine solche Optimierung des Nutzen/Kosten Verhältnisses zum Teil durch den AG mittels der Anordnung geänderter/zusätzlicher Leistungen und der Vergütung über Nachträge ermöglicht. Ungeachtet des nicht immer uneingeschränkten Anordnungsrechts des AG wird eine vollständige Ausnutzung der Optimierungspotentiale eines Bauprojekts durch Anordnungen von Seiten des AG schwer möglich sein. Erst wenn das unmittelbare Know-how der ausführenden Seite mit herangezogen wird, können die maximalen Einsparungen bzw. Wertsteigerungen erreicht werden. Die 50:50 Aufteilung einer Ersparnis zwischen AG und AN als Bonus dient für den AN als Motivation zum Einbringen seines Know-hows. Die Regelungen des Gründrucks der ÖNorm B2118 zum Thema „Value Engineering“ wurden im
Rahmen mehrerer Infrastrukturprojekte in Österreich in beidseitigem Einverständnis zwischen AG und AN nachträglich mit in den Vertrag integriert und dabei verschiedenste Erfahrungen gewonnen (3). Die Regelungen des Gründrucks der ÖNorm B2118 zielen dabei ausschließlich auf Kosteneinsparungen durch Änderungsvorschläge des AN ab.

Trotz der recht umfangreichen Regelungen der ÖNorm B2118 ist die praktische Umsetzung des Themas „Value Engineering“ nicht immer so eindeutig wie zunächst zu vermuten wäre. In der Baupraxis tauchen zwischen AG und AN häufig folgende Diskussionspunkte auf:

n Wie berechnet sich der wahre Wert der Einsparung und somit der Bonus für den AN infolge eines „Value Engineering“?

n Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen „Value Engineering“ und baubetrieblicher Optimierung des AN bzw. Minderkostenforderung des AG?

n Wie geht man mit nachträglichen Änderungen bei einem „Value Engineering“ um?

n Wie geht man mit dem Urheberrecht zwischen den Vertragspartnern um?

 

1.2 Die Regelungen in inter-

nationalen Bauverträgen

In Verträgen im europäischen Ausland
werden Regelungen zum Thema „Value Engineering“ teilweise auf Basis frei formulierter und individuell ausgehandelter Vertragsbedingungen in Verträge eingeflochten. Selten wird in diesen frei formulierten Vertragsbedingungen jedoch die ganze Breite des Regelungsbedarfs erfasst. Als Beispiel für eine solche Formulierung sei hier ein ins Deutsche übersetzter Auszug eines Vertrages bei einer innerstädtischen Tiefbaumaßnahme im europäischen Ausland zitiert:



„Der AN kann Anspruch auf Zahlung eines Bonus von 40% des Saldos der Einsparungen per Ende der Arbeiten gegenüber
der Basisauftragssumme durch Optimalisierung/ Änderung der Arbeiten … erheben (Value Engineering).“



Bei einem solchen Verständnis von „Value Engineering“ bleiben zwischen AG und AN neben den bereits beschriebenen, noch folgende zusätzliche Diskussionspunkte offen:

n Ist eine Vergütung in Form eines Bonus für eine Optimierung nur dann möglich, wenn die Abrechnungssumme am Ende der Arbeiten unter der ursprünglichen Basisauftragssumme liegt?

n Was ist, wenn die Abrechnungssumme durch Mengenänderungen / Leistungsänderungen / zusätzliche Leistungen im Projektverlauf erhöht wurde und somit die Einsparung gegenüber der Basisauftragssumme durch eine Optimierung bereits aufgebraucht ist?

n Wird die Einsparung immer auf das Gesamtprojekt bezogen, oder können auch optimierte Teilleistungen mit deren Basisauftragssumme zur Berechnung der Einsparung miteinander verglichen werden?

 

1.3 Abgrenzungen

Großer Diskussionsbedarf in der Abwicklung von Optimierungen im Rahmen von „Value Engineering“ besteht erfahrungsgemäß bei der Abgrenzung zwischen einer Minderkostenforderung des AG, einer baubetrieblichen Optimierung des AN und einem richtigen „Value Engineering“.3

 

Minderkostenforderung des AG:

In diesem Fall kommt es zur Innovation durch Know-how des AG. Dieser ordnet im Rahmen seines Anordnungsrechtes eine Änderung an. Die neue Leistung wird im Rahmen eines Nachtrags vom AN angeboten und die dadurch entfallende Vertragsleistung zum Abzug gebracht. Die Ersparnisse aus dem Unterschied zwischen der Vertragsleistung und der geänderten Leistung gehen somit zu 100% an den AG.

 

Baubetriebliche Optimierung des AN:

Eine baubetriebliche Optimierung stellt den Fall dar, dass der AN im Rahmen der Projektabwicklung sein spezifisches Know-how nutzt, und durch Umstellung seiner baubetrieblichen Rahmenbedingungen eine für ihn günstigere Herstellung des Bauwerks erreicht. Das Endprodukt (Bauwerk) selbst erfährt keine Änderung gegenüber der vertraglich geforderten Leistung. Beispiele hierfür wären der Einsatz von mehr oder größeren Geräten, größeren Kolonnen oder einem anderen Bauverfahren. Die Ersparnisse aus baubetrieblichen Optimierungen gehen zu 100% an den AN.

 

„Value Engineering“ durch AG und AN:

Im Gegensatz zu den beiden vorher genannten Vorgehensweisen bedingt „Value Engineering“ kein einseitiges Vorgehen eines Vertragspartners, sondern ein kooperatives Zusammenarbeit der beiden Vertragsparteien. Die Idee für das „Value Engineering“ kommt entweder vom AN, oder sie erfordert die aktive und kreative Mitarbeit des AN. Nur wenn beide Parteien von einem „Value Engineering“ überzeugt sind und auch einen eigenen Nutzen (im Sinne einer Win-Win Situation) durch eine faire Verteilung der Ersparnisse (Bonus) und Risiken erkennen können, wird eine Innovation im Sinne eines „Value Engineering“ zum Erfolg führen.

 

2 Die Vergütung eines „Value Engineering“ über einen Bonus

Die Basis zur Berechnung eines „Value Engineering“ ist nach den Gedanken der ÖNorm B2118 immer das Angebot des AN mit den Einheitspreisen und der zugrunde liegenden Urkalkulation. Kommt im Rahmen der Ausführung des Bauprojekts der AN auf eine Idee, welche eine gegenüber des Vertrages kostengünstigere bzw. qualitativ höherwertige Herstellung des Bauwerks vorsieht, so kann im Sinne eines „Value Engineering“ zwischen dem AN und AG eine kostenmindernde oder qualitätssteigernde Leistungsänderung vereinbart werden. Die durch die Idee des AN eingesparten Kosten einer kostenmindernden Leis-
tungsänderung werden in einem vorher vereinbarten Schlüssel zwischen AG und AN aufgeteilt. In der ÖNorm B2118 wird dabei eine 50% Aufteilung der Ersparnisse vorgeschlagen. Da eine qualitätssteigernden Leistungsänderung in der Praxis selten auftritt, wird nachfolgend ausschließlich auf die kostenmindernde Leistungsänderung im Rahmen eines „Value Engineering“ eingegangen. Die genaue Art Berechnung der Vergütung einer kostenmindernden Leistungsänderung und darauf aufbauend des Bonus für den AN, wird in der ÖNorm B2118 nicht geregelt. Prinzipiell kommen folgende beiden Fälle in Frage:

n Fall 1: Alle dem AN aufgrund des „Value Engineering“ ersparten Kosten der Urvertragsleistung sind verursachungsgerecht den entfallenden Positionen zuzuordnen.

n Fall 2: Dem AN entstehen Ersparnisse durch Wegfall der Urvertragsleistung, die nicht oder nicht zur Gänze verursachungsgerecht den entfallenden Positionen zuordenbar sind.

 

2.1 Fall 1: Die entfallenden Leistungen sind über Positionen abgedeckt

Die Vergütung für ein „Value Engineering“ stellt sich im Fall 1, dem Idealfall (siehe Abbildung 2), wie folgt dar:

1. In einem ersten Schritt wird der Preis der Urvertragsleistung über die vertraglichen Einheits- oder Pauschalpreise ermittelt (hier exemplarisch 150.000 €).

2. In einem weiteren Schritt wird der Preis für die Kosten mindernde Leistungsänderung ermittelt (hier exemplarische 95.000 €). Diese Kosten werden ähnlich einem Nachtrag aufbauend auf die Kosten- und Leistungsansätze der Urkalkulation neu kalkuliert.

3. Das Delta zwischen der Urvertragsleistung und der Kosten mindernden Leistungsänderung entspricht der Ersparnis gegenüber dem Urvertrag. Diese Ersparnis wird halbiert und dem AN als Anreiz für seine Optimierungsidee im („Value Engineering“) als Bonus vergütet. Zusätzlich ist dem AN in jedem Falle der Preis für die Kosten minderndeLeistungsänderung (das später hergestellte Bauwerk) zu vergüten (in diesem Fall 95.000 €).

 

2.2 Fall 2: Ersparnisse des AN sind nicht durch die entfallenen Positionen abgedeckt

Sobald die entfallende Leistung mit Zeitgebundenen Kosten (ZGKB) oder fixen Kostenbestandteilen (BE/BR) in Verbindung steht, ist zu untersuchen, ob dem AN nicht zusätzlich zum Entfall der Positionen der Urvertragsleistung noch weitere Kosten durch die kostenmindernde Ausführungsänderung entfallen. Solche Ersparnisse ergeben sich, wenn Teile der Herstellkosten der Urvertragsleistung „verschmiert“ kalkuliert sind. Beispielsweise können fixe Kostenbestandteile (BE/BR bzw. Investitionen) einer entfallenden Urvertragsleistung in den übergeordneten Positionen für BE/BR der Gesamtbaustelle enthalten sein. Da diese Kosten für den AN aufgrund der Kosten mindernden Ausführungsänderung „Value Engineering“ nicht mehr oder reduziert anfallen, sind sie als Ersparnis des AN zu werten. Sind diese Ersparnisse des AN auf Basis der Urkalkulation unstrittig zwischen AN und AG ermittelt, so gilt es diese mit der bisherigen Vergütungsberechnung für das „Value Engineering“ zu verflechten.

1. In einem ersten Schritt wird wiederum der Preis der Urvertragsleistung über die vorhandenen Einheitspreise (bzw. Pauschalpreise) ermittelt (hier exemplarisch 150.000 €).

2. In einem weiteren Schritt wird der Preis für die Kosten mindernde Leistungsänderung ermittelt (hier exemplarische 95.000 €). Diese Kosten werden im Grunde wie ein Nachtrag aufbauend auf die Kosten- und Leistungsansätze der Urkalkulation neu kalkuliert.

3. Das Delta zwischen der Urvertragsleistung und der Kosten mindernden Leistungsänderung entspricht der Ersparnis gegenüber dem Urvertrag.

4. Zu dieser Summe wird dann noch die Ersparnis des AN addiert. Diese Ersparnis des AN stellt die Summe der entfallenden dar, die „verschmiert“ in andere Positionen umgelegt wurde.

5. Die Gesamtersparnis AG und AN zusammen wird in dem vereinbarten Schlüssel (50:50) aufgeteilt.

6. Da dem AN durch die kostenmindernde Leistungsänderung Kosten entfallen, welche in andere Positionen verschmiert kalkuliert sind, müssen diese in der Vergütung für das „Value Engineering“ entfallen. Dies entspricht dem Vorgehen, dass z.B. eine Position für BE/BR unverändert vergütet wird, obwohl in ihr „verschmiert“ Kosten kalkuliert sind, die bei Ausführung der kostenmindernden Leistungsänderung entfallen.

7. Zusätzlich ist dem AN in jedem Fall der Preis für die Kosten mindernde  Leistungsänderung (das später auch hergestellte Bauwerk) zu vergüten (in diesem Fall 95.000 €).


2.3 Stolpersteine bei der Ver-
gütung von „Value Engineering“

Gestaltet sich die Ermittlung der Vergü-
tung für den Bonus des „Value Enginee-
ring“ bereits nicht so eindeutig, wie der
erste Blick erahnen lässt, so sind noch
weitere mögliche Stolpersteine bei der
Vertragsgestaltung und -abwicklung zu beachten.

 

„Value Engineering“ über
die Gesamtauftragssumme:

Die zitierte „wachsweiche“ Regelung zum Thema „Value Engineering“ aus dem europäischen Ausland lässt großen Interpretationsspielraum zu. Die Beantwortung der Frage, ob dem AN eine Vergütung (Bonus) für eine Optimierung nur bei Unterschreitung der Basisauftragssumme durch die Abrechnungssumme am Ende des Projektes zusteht, stellt die Weichen für die Motivation des AN zur weiteren Optimierung. Kommt es im Laufe des Projektes zu Änderungen aus der Sphäre des AG, die zu einer deutlichen Überschreitung der Abrechnungssumme gegenüber der Basisauftragssumme führen, so besteht für den AN
keinerlei Anreiz eine Optimierung im Sinne des „Value Engineering“ durchzuführen, da eine Unterschreitung der Basisauftragssumme und somit ein Bonus nicht erreichbar sind.

Die zitierten Regelungen aus dem europäischen Ausland zeigen eher die Charakteristika eines halbherzigen GMP Vertrages („Guaranteed Maximum Price“). Bei dieser Vertragsform wird am Ende eines Projektes bei einer Unterschreitung der Vertragssumme die Ersparnis zwischen AG und AN nach einem vereinbarten Schlüssel aufgeteilt.
Jedoch auch bei einem GMP Vertrag sind Änderungen aus der Sphäre des AG gesondert zu betrachten und können nicht automatisch Teil der vertraglich fixierten Auftragssumme sein (4).

 

Risikoaufschlag für Mengen-

garantie:

Die ÖNorm B2118 sieht für kostenmindernde Leistungsänderungen im Rahmen eines „Value Engineering“ die mögliche Übernahme einer Mengengarantie (bzw. eine Pauschale) sowie sonstiger durch die Ausführung erhöhter Risiken vor. Wird die Kosten mindernde Leistungsänderung auf Basis der Urkalkulation kalkuliert, so ist meist in diesen Preisen ein erhöhtes Risiko für eine Mengengarantie nicht berücksichtigt. Somit ist berechtigterweise in der Kalkulation einer kostenmindernden Leistungsänderung mit einer Mengengarantie ein solcher Risikoaufschlag einzukalkulieren. Einen solchen Aufschlag hätte der AN in Form eines höheren Wagnissatzes einkalkuliert, wenn der Hauptauftrag eine solche Mengengarantie bzw. Pauschalierung für die Gesamt- bzw. Teilleistung verlangt hätte.

 

Doppelte Ausführungsplanung:

Bei der Ermittlung des Preises der entfallenden Urvertragsleistung sollte im Falle eines Einheitspreisvertrages eine ausreichend genaue Mengenermittlung möglich sein. Eine solche Mengenermittlung lässt sich häufig nur über eine Ausführungsplanung durchführen. Kommt es beispielsweise durch eine kostenmindernde Leistungsänderung zu einer Änderung des Tragwerks so müssen eigentlich zwei Ausführungsplanungen erstellt werden. Die erste Ausführungsplanung der entfallenden Urvertragsleistung wird nur benötigt, um die genauen Mengen zu ermitteln und ist somit volkswirtschaftlich betrachtet unnötig.

Die zweite Ausführungsplanung für die kostenmindernde Leistungsänderung („Value Engineering“) wird benötigt, um die genauen Preise zu ermitteln und um das Bauwerk danach in dieser Form herstellen zu können. Bei kostenmindernden Leistungsänderungen, die umfangreiche Leistungen betreffen, kann eine solche Doppelplanung schnell einen großen Anteil der möglichen Ersparnis verbrauchen. Der Ansatz der Mengen aus dem Vertrags LV zur Berechnung des Preises der entfallenden Leistung birgt das Risiko, dass im Falle von falsch angesetzten Mengen die Kosten der Ersparnis stark verfälscht werden. Es ist im Einzelfall zu klären, ob eine Einigung über die Mengenansätze zwischen dem AG und AN mit oder ohne eine detaillierte Ausführungsplanung der Vertragslösung möglich ist, bzw. ob die Mehrkosten der „unnötigen“ Ausführungsplanung eine eventuelle Ungenauigkeit bei der Mengenermittlung nicht aufwiegen.

 

Kalkulatorisch umgelagerte Kosten des AN:

Im Idealfall ist die Ersparnis des AN durch die wegfallende Urvertragsleistung in einer realistischen, kostendeckenden Höhe in der Urkalkulation ersichtlich. Problematisch werden in der Praxis allerdings die extremen Ausprägungen bei den umgelagerten Kosten.

Wenn beispielsweise für die Ersparnis des AN entweder ein sehr guter oder ein sehr schlechter Preis in der Urkalkulation zu finden ist, so sind folgende Standpunkte bei AN und AG zu erwarten:

n Im Falle eines schlechten Preises wird der AG zu recht behaupten, dass der AN bei einer fiktiven Ausführung der Urvertragsleistung wesentlich höhere Kosten gehabt hätte und somit der Ansatz der urkalkulatorischen Kosten den AN besser stellt, als es ihm zustehen würde.

n Der AN wiederum wird bei einem guten Preis (Bonitätsposition) zu recht behaupten, dass er bei einer fiktiven Ausführung der Urvertragsleistung wesentlich geringere Kosten gehabt hätte und er somit durch den Ansatz der urkalkulatorischen Kosten schlechter gestellt wird, als es ihm zustehen würde.

Die einzige Möglichkeit solche Diskussionen zu beenden, ist der Ansatz von Ist-Kosten, welche eventuell durch Angebote oder ähnliches zu untermauern sind.

 

Urheberrecht zwischen den Vertragspartnern:

Bei Optimierungen im Rahmen des „Value Engineering“, welche durch vermeintlich simple Ideen zu großen Einsparungen führen und somit zu einem hohen Bonus des AN, kann in seltenen Fällen der AG in die Versuchung geraten, die Idee des AN unter Umgehung der Regelungen des „Value Engineering“ anzuordnen und über eine Minderkostenforderung 100% der Ersparnis für sich zu beanspruchen. In einem solchen Fall werden Optimierungsvorschläge des AN in einem ersten Schritt unter Hinweis auf die technische Gleichwertigkeit zur Urvertragsleistung abgelehnt und anschließend kopiert, an ein oder zwei Stellen von eher nebensächlicher Bedeutung verän-
dert und dann im Rahmen des Anordnungsrechts angeordnet. Dass ein solches Vor-
gehen des AG  dem Miteinander zwischen AG und AN nicht zuträglich ist, steht außer Frage.

 

2.4 Nachträgliche Änderungen am „Value Engineering“

Im Idealfall wird eine kostenmindernde Leistungsänderung mit einem eigenen Leistungsverzeichnis gemeinsam zwischen AN und AG detailliert beschrieben. In dieser Beschreibung wird dargelegt, unter welchen Randbedingungen das Angebot des AN seine Gültigkeit hat. Treten nun Änderungen aus der Sphäre des AG auf, die in diese Randbedingungen eingreifen, so kann es notwendig sein, die Preise für die kostenmindernde Leistungsänderung anzupassen. Änderungen können im Extremfall dazu führen, dass die im Rahmen des „Value Engineering“ beauftragte Bauleistung mit der nachträglichen Änderung teurer wird als die ursprüngliche Vertragsleistung mit der gleichen Änderung. Ein solcher nachträglicher Vergleich zwischen der kostenmindernden Leistungsänderung und der Urvertragsleistung ist nach Meinung des Autors nicht statthaft, da nach Beauftragung der kostenmindernden Leistungsänderung die ursprüngliche Vertragsleistung entfällt und somit ein Vergleich („Was wäre wenn?“) vertraglich nicht relevant ist.

 

3 Zusammenfassung und

Ausblick

Die Einbindung von Regelungen zum „Value Engineering“ in Bauverträge bietet eine gute Möglichkeit, um ein Projekt auch noch nach Vertragsunterzeichnung im Hinblick auf Kosten und Qualität zu optimieren. In einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen AG und AN kann dabei jede Seite von den Nutzen profitieren. Zu beachten ist allerdings, dass bei der Abwicklung von kostenmindernden Leistungsänderungen im Rahmen von „Value Engineering“ ein erheblicher Regelungsbedarf zwischen den beiden Vertragspartnern besteht. Die Regelungen der bisher im Gründruck erschie-
nenen ÖNorm B2118 bieten bereits eine gute Basis, welche jedoch noch im Detail zu präzisieren und zu ergänzen ist.


Dr. Axel Wais M.Sc., Ed. Züblin AG, Direktion IW - Tunnelbau, Stuttgart

E-Mail: Axel.Wais@zueblin.de

www.zueblin-tunnelling.com

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