Mehrfaches Bieten?

Gleichzeitige Angebotsabgabe einer Bietergemeinschaft und eines seiner Mitglieder

Es stellt sich die Frage, ob Mitglieder einer Bietergemeinschaft für sich selbst an einem Ausschreibungsverfahren ein Angebot abgeben können, wenn sie bereits als Teil einer Bietergemeinschaft ein gemeinschaftliches Angebot abgegeben haben.

Führen Parallelangebote von einer Bietergemeinschaft und ihren Einzelbietern zum Ausschluss?

Der Ausschluss von den wesentlich gleich lautenden Parallelangeboten eines Bieters allein und als Mitglied einer Bietergemeinschaft war nach Auffassung der Vergabekammer Brandenburg mit Beschluss vom 09.01.2006 zwingend geboten, weil davon auszugehen war, dass die Angebote in Kenntnis des jeweils anderen Angebotes kalkuliert und erstellt worden sind und damit der vergaberechtliche gebotene Geheimwettbewerb nicht mehr gewährleistet ist. Die Angebote des Einzelbieters und der Bietergemeinschaft waren wegen des Verstoßes gegen den gebotenen Geheimwettbewerb vom Verfahren ausgeschlossen. Der Begriff der „Wettbewerbsbeschränkenden Abrede“ sei nach Auffassung der Vergabekammer weit auszulegen und umfasst alle Verhaltensweisen eines Bieters, die den vergaberechtlichen Wettbewerb beeinträchtigen. Dies geschehe nicht nur durch gesetzeswidrige Absprachen, sondern auch durch alle Abreden zwischen Bietern, welche den Geheimwettbewerb in irgendeiner Weise beeinträchtigen. In dem der Alleinbieter die Inhalte des Angebotes der Bietergemeinschaft gekannt habe, liege ein echter Bieterwettbewerb im Verhältnis zwischen dem Alleinbewerber und der Bietergemeinschaft nicht vor. Somit seien die beiden betroffenen Angebote gemäß § 2 Nr. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2006 zwingend auszuschließen gewesen.

Bereits mit Beschluss vom 16.09.2003, Reg. 52/03 hat das OLG Düsseldorf entschieden, in der Regel ein Wettbewerbsverstoß anzunehmen sei, wenn ein Bieter für die ausgeschriebene Leistung nicht nur ein eigenes Angebot abgibt, sondern sich daneben auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft für die selbe Leistung bewirbt.

 

Ist eine Aufgabentrennung nachzuweisen?

Mit Beschluss des OLG München vom 28.04.2006 – Verg 6/06 wurde erstmalig entschieden, dass bei der Vergabe freiberuflicher Leistung nach der VOF ein Einzelbewerber auch Mitglied einer Bewerbergemeinschaft sein kann, wenn eine klare Aufgabentrennung zwischen den Aufgabenbereichen der Mitglieder der Bewerbergemeinschaft besteht, so dass die Gefahr einer vergaberechtlich unzulässigen Wettbewerbsverzerrung nicht gegeben ist. Allerdings hat das OLG in seine Begründung auch festgestellt, dass sich Parallelangebote im Bereich der VOL/A / oder VOB/A verbieten, da die Gefahr einer unzulässigen Abstimmung bestehe. Das OLG hat einen Unterschied darin gesehen, dass es sich nicht um den Vergleich verschiedener Angebote einer bereits festgelegten, ausgeschriebenen Leistung, sondern um die Auswahl von Teilnehmern, mit denen in einem Zweitschritt die Auftragsbedingungen verhandelt werden, handelt. Darüber hinaus war dem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt eine klare Aufgabentrennung zwischen dem Einzelbewerber und der Bietergemeinschaft nachgewiesen worden. Nach Auffassung des OLG war die Gefahr einer vergaberechtlichen unzulässigen Wettbewerbsverzerrung bei dieser Konstellation nicht gegeben.

 

Doppel-Bewerbung von Holding-Töchtern?

Von dieser Konstellation in denen ein Bieten des Einzelunternehmens zugleich als Mitglied einer Bietergemeinschaft einer Ausschreibung teil nimmt, hat die Vergabekammer Nordbayern mit Beschluss vom 03.05.2007 die Konstellation einer Doppelbewerbung von Holding-Töchtern abgegrenzt. Danach kann eine wettbewerbsbeschränkende Abrede nicht schon aus dem Umstand geschlossen werden, dass sich zwei über eine Holding verbundene Firmen jeweils am Wettbewerb beteiligt haben, oder dass sich diese Bieter zum Teil der gleichen Nachunternehmer bedienen. Voraussetzung für ein Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 2006 ist viel mehr, dass eine wettbewerbsbeschränkende Abrede mit einem konkreten Nachweis belegt wird. Damit stellte die Vergabekammer Nordbayern klar, das allein aus dem Umstand, der Verbundenheit nicht auf eine wettbewerbsbeschränkende Abrede im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 c) VOB/A geschlossen werden kann. Nach Auffassung der Vergabekammer Nordbayern wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass den über eine Holding verbundenen Bietern eine Verbundenheit selbst vielfach nicht bekannt ist. Folglich kann die – eine wettbewerbsbeschränkende Abrede begründete – gegenseitige Kenntnis der Angebotsinhalte nicht per se unterstellt werden. Dies wird in dem Beschluss dadurch unterstrichen, dass es in der Konstellation keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eintritt. Vielmehr kommt ein Ausschluss aus dem Vergabeverfahren mangels konkreten durch das Unternehmen erbrachte Nachweise einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede nicht in Betracht. Eine lediglich innere Verflechtung konkurrierender Bieter über eine gemeinsame Holding oder Muttergesellschaft reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

 

Bewerbung als Bieter-Mitglied und als Einzelbewerber

In diese Richtung ging auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 13.04.2006 – Verg 10/06, in dem Verhältnis kein eigenes Angebot und Angebot als Subunternehmer eines Dritten keine unzulässige Bewerbung entschieden wurde. Der Umstand, dass ein Bieter, der in dem Angebot eines anderen Bieters als Subunternehmer aufgeführt ist, ein eigenes Angebot aufgeführt ist, ein eigenes Angebot abgibt, erfüllt nicht den Tatbestand der unzulässigen Doppelbewerbung.

Danach kann eine die Grundsätze des Geheimwettbewerbs verletzende Doppelbewerbung nicht alleine aus dem Umstand begleitet werden, dass zwei Bieter gesellschaftlich mit einander verbunden sind und an derselben Adresse residieren. Allein aus diesen Umständen kann die für den Angebotsausschluss erforderliche Kenntnis des Angebotes des jeweiligen anderen Bieters nicht abgeleitet werden. Dafür reicht es auch nicht aus, dass der eine Bieter wegen des beabsichtigten Subunternehmereinsatzes vom anderen Bieter dessen Preisrahmen kennt, weil der andere Bieter im Verhältnis zur Ausschreibungsstelle zu anderen Konditionen anbieten kann, als im Verhältnis zum einen Bieter.

Nach Auffassung des OLG haben auch keine Umstände vorgelegen, welche eine auf den Ausschluss rechtfertigende Unternehmensverbindung im Sinne der §§ 36 Abs. 2 GWB, 17, 18 AktG hinweist.

 

Parallele Angebote von Bieter-Gemeinschaft und deren Mitgliedern?

Mit Beschluss vom 11.06.2010 hat die Vergabekammer Thüringen parallele Angebotsabgaben von Bietergemeinschaften und deren Mitglieder als zulässig erachtet. Im vorliegenden Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass die angebotenen Leistungen nicht weitgehend identisch sind. Dementsprechend hat die Vergabekammer Thüringen auch entschieden, dass es zulässig ist, dass ein Bieter ein Einzelangebot bezüglich eines Loses abgibt und sich parallel an einem Angebot einer Bietergemeinschaft über die Summe aller Lose beteiligt. Nach Auffassung der Vergabekammer Thüringen liegt eine Identität der Angebotsinhalte vor.

 

Hat sich die Rechtslage geändert?

Mit Entscheidungen vom 23.12.2009 – Rs.C-376/08 – hat der EUGH entschieden, dass Mitglieder einer Bietergemeinschaft eigene Angebote abgeben dürfen. Neben einer Bietergemeinschaft einerseits sowie eines ihrer Mitgliedsunternehmen andererseits konkurrierend an dem selben Vergabeverfahren teil, so kommt ein Ausschluss der Bietergemeinschaft bzw. des konkurrierenden Mitgliedsunternehmens erst in Betracht, wenn diesem die Möglichkeit eingeräumt wurde, nachzuweisen, dass trotz eines möglicherweise „bösen Anscheins“ die beiden konkurrierenden Angebote unabhängig voneinander eingereicht wurden.

Nach Auffassung des EUGH ist der automatische Ausschluss nur fester Konsortien und deren Mitgliedsunternehmen diskriminierend und gemeinschaftsrechtswidrig. Zwischen beiden Formen der konsortialen Zusammenarbeit sind auf Grundlage der der Entscheidung zugrunde liegenden italienischen Rechtslage keine solchen Unterschiede erkennbar, die eine insoweit unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.

Selbst wenn der automatische Ausschluss gleichermaßen für sämtliche Formen der konsortialen Zusammenarbeit gelten würde, wäre diese Maßnahme unverhältnismäßig. Ein Ausschluss wegen abgestimmter Angebote und eines damit verbundenen möglicherweise unfairen Wettbewerbes kommt erst in Betracht, wenn den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit eingeräumt wurde nachzuweisen, dass die fraglichen Angebote völlig unabhängig voneinander erstellt wurden. Ein automatischer Ausschluss ohne Prüfung der Einzelfallumstände geht über das hinaus, was zum Erreichen eines fairen Wettbewerbes erforderlich ist.

Diese Entscheidung des EUGH entspricht den Intentionen bisheriger EUGH Rechtsprechungen. So wurde bereits entschieden, dass ein automatischer Ausschluss von Teilnehmern an einem Vergabeverfahren wegen scheinbarer Interessenkonflikte im Rahmen der Projektantenproblematik unzulässig ist. So wurde bereits mit Urteil des EUGH vom 03.03.2005 – Rs.C-23/03. Auch die Entscheidung, dass ein Bieter vor Ausschluss seines unangemessen niedriges Angebotes gehört werden muss basiert auf dem Gedanken, dass dem Bieter die Gelegenheit zu geben ist, die verschiedenen Bestandteile seines Angebotes zu erläutern.

Bereits mit Urteil vom 19.05.2009 hat der EUGH entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Vorschrift entgegensteht, mit der in Verfolgung der legitimen Ziele der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz im Rahmen der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ein absolutes Verbot für Unternehmen, zwischen denen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht oder die miteinander verbunden sind, aufgestellt wird sich gleichzeitig im Wettbewerb zueinander an ein und demselben Ausschreibungsverfahren zu beteiligen, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, nachzuweisen, dass es dieses Verhältnis auf ihr jeweiliges Verhalten im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ausgewirkt hat.

 

Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des EUGH korrigiert die bisherige nationale Rechtsprechung dahingehend, dass ein uneingeschränkter Ausschluss der Angebote bei doppelter Beteiligung an dem Ausschreibungsverfahren nicht zwingend vorzunehmen ist. Vielmehr ist den betroffenen Bietern stets die Möglichkeit eines Entlastungsnachweises einzuräumen. Der Bieter hat daher zukünftig die Möglichkeit seine jeweiligen Einzelfallumstände darzutun und kann erwarten, dass eine vorherige Aufklärung stattfindet.

... kein zwingender Ausschluss der Angebote mehr bei doppelter Beteiligung ...

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