Keine Denkverbote mehr!

Neuer Anlauf für Verkehrsfinanzierung erforderlich

Der Staat kommt nicht mehr mit: die klassische Finanzierung der Verkehrswege über den Haushalt ist überholt. Den enormen Anstieg des Verkehrs in den nächsten Jahrzehnten wird man mit der üblichen Kameralistik nicht mehr stemmen können. Experten verlangen seit langem den Übergang zur Nutzerfinanzierung. Eine echte Debatte über Für und Wider Pkw-Maut will in Deutschland trotzdem nicht aufkommen.

Es ist ja nicht so, dass das Land von null aus startet. Seit Jahren schon treibt Toll Collect die elektronische Maut auf Autobahnen bei Lastwagen von über 7,5 Tonnen Gewicht ein. Dies spült je nach Verkehrsaufkommen jährlich vier Milliarden Euro in die Kassen des Bundes. Das deutsche System der E-Maut mit den On-Board-Units ist technisch das fortschrittlichste der Welt. Allerdings hat bisher noch kein anderes Land die kostspielige Technologie übernommen. Wahrscheinlich weil die Betreiberkosten zu hoch sind. Außerdem haben die Anlaufschwierigkeiten das revolutionäre System politisch und medial diskreditiert. Die Deutschen schämten sich. Das Ergebnis ist, dass diese Errungenschaft im Ausland mehr geschätzt wird als hierzulande. Die Vorgeschichte mit der Lkw-Maut belastet natürlich die Debatte über die Pkw-Maut. Politisch tut sich zurzeit nichts. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, eigentlich ein Anhänger der Pkw-
Maut, wurde bereits vom Kanzleramt zurückgepfiffen. Die Maut, so räumt er in Interviews ein, „steht nicht im Koalitionsvertrag und deshalb nicht auf der Tagesordnung“. Nicht einmal die Liberalen verlangen offensiv eine innovative Verkehrswegefinanzierung. Heißt das, dass man das Thema für diese Legislaturperiode vergessen kann? Muss man abwarten, bis eine eventuelle Merkel-III-Regierung nach 2013 das heiße Eisen anpackt? Nein, ein solches Verhalten wäre fahrlässig. Es ist höchste Zeit hier und heute über ein modernes Finanzierungssystem für Verkehrsleistungen nachzudenken.

 

Noch ist der Straßenbau nicht unterfinanziert

Im Moment läuft der Straßenbau. Dank der beiden Konjunkturprogramme ist genug Geld vorhanden. Die Verkehrsausgaben des Bundes stiegen von einem ungenügenden Volumen von 9 Mrd. Euro in 2008 auf befriedigende 12 Mrd. in 2009 und 2010. Die Gefahr ist, dass ab 2011, nach Auslaufen der Programme, die Ausgaben wieder auf das alte Niveau oder gar tiefer sinken. Bekanntlich
wird der Bundesfinanzminister dann konsolidieren müssen. Und Streichungen in den Investitionsbudgets sind erfahrungsgemäß politisch leichter durchzuführen als in den Sozialbudgets. Herbert Bodner, Präsident des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie, befürchtete in seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz, dass in 2011 „das dritte Jahr der Wirtschaftskrise zum eigentlichen Krisenjahr der deutschen Bauwirtschaft werden könnte“.

 

Kommunen als Wackelkandidaten

Letztes Jahr erfüllte der Bund die Erwartungen, seine Bauausgaben stiegen um 21 %. Die Länder steigerten ihre Bauausgaben bis November um 10 %. Die Kommunen, die für den größten Teil der öffentlichen Bauausgaben aufkommen, erhöhten ihre Bauausgaben lediglich um 3,3 % in den ersten drei Quartalen. In 2010 dürften die Kommunen aufgrund sinkender Steuereinnahmen sämtliche Ausgaben stark zurückfahren. Bodner warnt, es könne nicht sein, „dass der Bund sich zur Stabilisierung der Konjunktur verschuldet, Länder und Kommunen aber diese Anstrengungen durch Investitionszurückhaltung konterkarieren“.

 

Den Minister beim Wort nehmen

Auch wenn man es politisch wollte, könnte die E-Maut für Pkw in absehbarer Zeit nicht eingeführt werden. Die Erfassungssysteme für eine streckenbezogene Pkw-Gebühr sind nämlich längst noch nicht praxistauglich, gab Bodner vor der Presse zu. Deshalb schlug er mittelfristig die Einführung einer elektronischen Vignette für Pkw und leichte Lkw vor; langfristig könnte „gegebenenfalls“ die E-Vignette durch eine streckenbezogene Maut ersetzt werden, „sobald dafür die technischen Voraussetzungen geschaffen sind“. Man könnte es aber auch bei der Vignette belassen. Über die Einführung von Vignette/ Maut könnte anlässlich der Neuausschreibung der Toll-Collect-Konzession entschieden werden. Für Bodner wäre damit „der drohende Finanzierungsengpass im Bereich der Bundesfernstraßen abgewendet“. Vielleicht gelingt es ihm mit seinen innovativen Vorschlägen Herrn Ramsauer aus der Reserve zu locken. Schließlich sagt der Minister ja, es gebe in Hinsicht Maut in seinem Haus keine Denkverbote. Er könnte seine Ministerialbeamten damit beauftragen, Zukunftsszenarien für Vignette und E-Maut zu entwerfen. Das hätte zumindest den Vorteil, die lähmende Denkblockade zu durchbrechen.

Marcel Linden,

Bonn

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