Eignungsnachweise und Referenzen

Woher kommen die Eignungsnachweise?

Der Auftraggeber kann zum Nachweis der Eignung gemäß § 6 Abs. 3 VOB/A die Vorlage von Referenzen für vergleichbare Tätigkeit sowie Angaben im Umfang der letzten drei Jahre verlangen.

Eignungsnachweise einer neu gegründeten Firma

Auch ein sogenannter „Newcomer“ muss die vom Auftraggeber geforderten Umsatzangaben und Referenzen der vergangenen drei Jahre erfüllen (OLG Dresden, Beschluss vom 23.07.2002, W Verg 0007/02). Nach dem Wortlaut des § 6 Nr. 3 VOB/A kann der Auftraggeber zum Nachweis der Eignung gerade solche Referenzen aus den letzten drei Jahren verlangen.

Die Vergabevorschriften nehmen bewusst in Kauf, dass bei öffentlichen Aufträgen der Marktzutritt für „Newcomer“ erschwert wird (VK Brandenburg, Beschluss vom 30.05.2005 – VK 21/05). Der alleinige Verweis auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Unternehmensgruppe reicht nicht für den Nachweis der Eignung der Bieterin. Es ist nicht auf die individuelle Eignung einzelner Personen – z.B. Geschäftsführer – abzustellen. Es kommt auf die Gesamtheit der das Unternehmen prägenden Leistungsträgers, auf die gesamte Betriebsorganisation und Struktur des Unternehmens an, also auf die Summe der im Unternehmen angesammelten Erfahrungen und Qualifikationen.

Sagt der Bewerber die geforderte technische Ausrüstung samt Personal erst für den Auftragsfall zu, soll er nicht geeignet sein. Entscheidend sei der Zeitpunkt der Bewerberauswahl bzw. der Wertung (OLG Dresden).

 

Eignungsnachweise durch Vorlage von Referenzen des Vorgängerunternehmens

Referenzen für „Verwandte“ oder „Vorgängerunternehmen“ können allenfalls dann Berücksichtigung finden, wenn eine weitgehende Personenidentität besteht und dies bereits mit dem Teilnahmeantrag dargelegt wird (OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 – 1 Verg 9/10).

Die Berücksichtigung derartiger „Fremd“- Referenzen sei allenfalls möglich, wenn eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig gewesen seien, und die Mitarbeiter des Bieters stehe. Eine derartige Identität muss jedoch schon mit den vorgelegten Unterlagen bei Abgabe des Teilnahmeantrages dargelegt werden.

Unzulässig ist nach dem Beschluss des OLG Frankfurt vom 09.07.2010 – 11 Verg 5/10 – folgendes: Stammen die von der Bietergemeinschaft vorgelegten Referenzen nicht von einem Bietergemeinschaftsmitglied, sondern von einem anderen Unternehmen, ist dies unzulässig.

Anhand von Referenzen und Umsatzzahlen will der Auftraggeber feststellen, ob der potentielle Auftraggeber Erfahrungen auf dem Gebiet der nachgefragten Leistung hat und ob er in der Lage sein wird, den Auftrag auch tatsächlich auszuführen. Er will also eine gewisse Leistungskonstanz durch die Anforderung entsprechender Nachweise erhalten. Wird bei der Vorlage von Referenzen von Tätigkeit anderer Firmen zurück gegriffen, so taugt dies nicht zum Nachweis der Eignung des Bieters, weil damit nicht dokumentiert werden kann, dass sich dieser konkrete Bieter auch wirklich hinsichtlich der nachgefragten Leistung am Markt bereits bewährt hat.

Die früheren Leistungen eines anderen Unternehmers können nur dann die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens für einen konkreten Auftrag belegen, wenn sichergestellt ist, dass diese den ausgeschriebenen Auftrag vollständig oder zumindest für einen ganz überwiegenden Teil durch dasselbe Personal des Unternehmens durchgeführt wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. 11.2001 – Verg 33/01). Grundsätzlich wird die Fachkunde eines Unternehmens durch die personelle Ausstattung geprägt und beruht auf den Erfahrungen und Kenntnisse seiner Mitarbeiter. Werden Referenzen vorgelegt, die sich auf Leistungen der „Fremdfirmen“ beziehen, ist letztlich entscheidend, welche Personen an der Durchführung der Aufträge beteiligt waren, die sich dieser Referenzen beziehen. Nur soweit eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren und den Mitarbeitern in dem neu gegründeten Unternehmen festgestellt werden kann, können die Referenzen des bisherigen Unternehmens berücksichtigt werden. Denn nur bei einer derartigen Fallkonstellation kann der Auftraggeber sicher sein, dass das neu gegründete Unternehmen die Gewähr dafür bietet, dass die bisherigen Leistungen des vorherigen Unternehmens und Referenzgebers auch weiterhin erbracht hat (VK Münster). Entscheidend ist deshalb, ob Bieter den ausgeschriebenen Auftrag vollständig oder zumindest zu einem ganz überwiegenden Teil durch das Personal des in den Referenzen genannten Unternehmens durchführen wird. Die hierzu notwendigen Angaben müssen mit Einreichen der Referenzen vorgelegt werden.

 

Berücksichtigung persönlicher Referenzen als Firmenreferenzen

Persönliche Referenzen können mit Firmenreferenzen jedenfalls in den Fällen nicht gleich gesetzt werden, wo komplexe Bau- und Verfahrensabläufe die Tätigkeit vieler, und die Fachkunde eines ganzen Unternehmens von seinen Mitarbeiter bedingen (VK Thüringen, Beschluss vom 24.06.2009 – 250-4002.20-3114/2009-005-SOK).

Die persönlichen Referenzen früherer Projektleiter oder eines Vorstandmitglieds, die heute Geschäftsführer sind, können bei einer komplexen Baumaßnahme die fehlenden Firmenreferenzen nicht ersetzen. Jedenfalls für den Bauauftrag ist der Einsatz persönlicher Referenzen regelmäßig nicht geeignet, eine durch die Vergabestelle geforderten Nachweis der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu ersetzen.

 

Berufung auf die Leistungsfähigkeit der Muttergesellschaft

Der Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde wird durch eine bloße Erklärung der Muttergesellschaft des Bieters, dass die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt wird, nicht geführt. Darin liegt nicht die notwendige verbindliche Vereinbarung über die Überlassung zur Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel.

Eine Berufung auf die Leistung eines anderen Unternehmens im Rahmen des Nachweises der Leistung und Fachkunde ist zulässig. Sie ist nach § 7 Abs. 9 EG VOL/A davon abhängig, dass der Bieter den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen. Aus der Erklärung muss hervorgehen, dass ein Zugriffsrecht auf fremde Ressourcen tatsächlich besteht. Die Erklärung muss sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auch gerade auf die für die Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel beziehen. Es muss eine verbindliche Vereinbarung über die Überlassung bestehender, zur Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel getroffen werden. Sie darf nicht einer späteren Vereinbarung vorbehalten sein.

Unerheblich ist, ob der Bieter bei Abgabe seines Angebotes davon ausging, er wird den Auftrag aus eigenen Mitteln erfüllen können, weshalb die Bereitstellung von betrieblichen Mitteln durch die Muttergesellschaft nur als „eventuell erforderlich“ bezeichnet worden ist.

Beruft sich der Bieter auf die Leistungsfähigkeit und Fachkunde eines Dritten, um im Vergabeverfahren eigene Nachweise zu ersetzen, so muss auch die Verfügbarkeit der Mittel dieses Unternehmens gegeben sein, weil sonst der Vorlage der Nachweise kein Aussagewert in Bezug auf die Eignung des Bieters zukäme. Unerheblich ist die Personenidentität des Betriebstättenleiters und des Geschäftsführers von Bieter und Muttergesellschaft. Sie ist zur Erfüllung die in § 7 VOL/A normierten Anforderungen nicht geeignet, weil sie nicht zwingend den Schluss auf die Verpflichtung eines der Unternehmen zur Überlassung technischer oder personeller Mittel an das andere Unternehmen zulässt. (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 – Verg W 10/09).

 

Berücksichtigung von Ressourcen Dritter bei der Eignungsprüfung eines Bieters

Auch bei der Eignungsprüfung – hier der Prüfung von Referenzen – sind zugunsten eines Bieters Referenzen Dritter zu berücksichtigen, die dem Bieter zugerechnet werden können (VK Bund, Beschluss vom 05.09.2001 – VK 1-23/01).

Sind vorgelegte Referenz nicht für den Bieter ausgestellt worden, hat die Bieterin nicht nachgewiesen, dass ihr die Ressourcen des Schwesterunternehmens bei der Ausführung der zu vergebenden Leistung zur Verfügung stehen. Die Vergabekammer Bund lässt im Ergebnis die für das Schwesterunternehmen der Bieterin vorgelegte Referenz zu. Bei einer Referenz gehe es inhaltlich allgemein um den Nachweis konkreter praktischer Erfahrung eines Bewerbers, die sich nur über die Durchführung entsprechender Vorhaben oder ihrer weitgehenden Durchführung gewinnen lassen. Derartige Erfahrungen seinen in erster Linie Personen gebunden.

Ausweislich der Angebotsunterlagen bestehe eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die bisher für das Schwesterunternehmen der Antragstellerin gearbeitet haben und dem Managementteam, für den von der Vergabestelle ausgeschriebenen Auftrag. Damit kann die Bieterin genau auf diejenigen Erfahrungen zurück greifen, die die Referenz nachweist. Den Anforderungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an die zulässige Berufung eines Bieters auf die Ressourcen Dritter sei damit entsprochen (Generalunternehmer im Baubereich). Danach sind solche Ressourcen dann anzuerkennen, wenn der Bieter beweist, dass er über die Erfahrung bzw. Mittel des Dritten tatsächlich verfügt.

 

Berufung auf die Referenz eines konzernverbundenen Unternehmens

Beruft sich ein Bieter auf die Referenz eines konzernverbundenen Unternehmens, so ist dies ein Drittunternehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.06.2010 – Verg 13/10).

Der Begriff des Nachunternehmers ist ein anderer als der des Drittunternehmers bei der Eignungsleihe. Die durch ein Drittunternehmen zur Verfügung gestellten „Mittel“ dürfen sich auf Beratung und Unterstützung beschränken und müssen nicht die eigentliche Auftragserfüllung betreffen.

Es ist zu unterscheiden zwischen Drittunternehmen im Sinne Artikel 25 Richtlinie 2004/18/EG § 10 VOL/A a.F. und Drittunternehmen im Sinne Artikel 48 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG, § 7 a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A a.F.

Letzterer zeichnet sich dadurch aus, dass er „Mittel“ zur Verfügung stellt. Diese „Mittel“ bestünden in der Praxis zumeist in der Übernahme von Unteraufträgen, müssen es aber nicht. Jedoch müssen diese „Mittel“ der Art sein, dass sie die Eignung des Bieters zur Durchführung des Auftrages begründen oder sichern können. Das zur Verfügung gestellte „Mittel“ kann die Beratung und Unterstützung durch das Schwesternunternehmen bei der Auftragsbewältigung sein.

Es kommt auf die Summe der gesammelten Erfahrungen und Qualifikationen an!

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