Eignungskriterien und Zuschlagskriterien …

… eine wichtige Abgrenzung

Immer wieder wird der Versuch unternommen, Bieter, die für geeignet erklärt worden sind, im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung hinsichtlich ihrer besonderen Qualitäten zu bewerten. Hierdurch werden Kriterien der Eignungsprüfung in die Wirtschaftlichkeitsprüfung mit übernommen. Die Rechtsprechung zeigt, dass es keine Möglichkeiten gibt, die Eignung bzw. die besonderen Qualitäten und Fähigkeiten eines Bieters im Rahmen der Wirtschaftlichkeit noch einmal zu berücksichtigen.

Kein „Mehr an Eignung“

Mit seinem Urteil vom 15.04.2008 – X ZR 129/06 (ZfBR 2008, 614) hat der BGH festgestellt, dass es ein „Mehr an Eignung“ nicht gibt. Die Eignungsprüfung diene dazu, die Unternehmen zu ermitteln, die die nachgefragte Leistung nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erbringen können. Dem Angebot eines für geeignet befundenen Bieters darf das jenige eines Konkurrenten nicht maßgeblich wegen dessen höher eingeschätzte Eignung vorgezogen werden. Der BGH hat entschieden, dass nach § 25 VOB/A a.F. § 16 VOB/A n.F. der Auftraggeber die Wertung der Angebote grundsätzlich in mehreren aufeinander folgenden Stufen vorzunehmen hat. Die Eignungsprüfung hat daher abgeschlossen zu sein, bevor der Auftraggeber das wirtschaftlich günstigste Angebot auswählt. Nach Auffassung des BGH ist es nicht möglich, zunächst die Wertung im engeren Sinne zu durchlaufen und danach zu entscheiden, ob der Bieter überhaupt geeignet ist oder nicht.

 

Unterschied zwischen Eignungskriterien und Zuschlagskriterien

Mit seiner Entscheidung vom 24.01.2008 – Rs. C-532-06 (ZfBR 2008, 309) hatte der EuGH zuvor festgestellt, dass Kriterien der Eignungsprüfung keine Kriterien zur Feststellung des wirtschaftlich annehmbarsten Angebotes sind.

Die Prüfung der Bietereignung und die Bestimmung des zu bezuschlagenden Angebotes seien zwei getrennte Vorgänge. Für die Eignung von Bietern sei deren wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit maßgeblich. Die Bewertung der Angebote selbst, erfolge hingegen nach Kriterien, die der Auswahl der wirtschaftlich annehmbarsten Offerte dienen (z.B. Preis, Qualität). Demnach sei es rechtswidrig, dass eine Vergabestelle die Kriterien der „Erfahrung“, „Personal/Ausstattung“ und „Fähigkeit“ als Zuschlagskriterien und nicht als Eignungskriterien ausgewiesen hat.


Dementsprechend hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 10.09.2009 – Verg 12/09 (ZfBR 2010, 104 Ls, Vergaberecht 2010, 83) entschieden, dass Zuschlagskriterien für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nur Aspekte sein dürfen, die sich auf den Leistungsgegenstand beziehen. Ein „Mehr an Eignung“, sei kein Wertungskriterium der Wirtschaftlichkeit. Werden in den Zuschlagskriterien eignungsbezogene Merkmale zu Grunde gelegt, verstößt der Auftraggeber gegen die Bestimmungen des § 25 Nr. 2 und 3 VOL/A a.F.


Auch im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens mit vorgelagertem Teilnahmewettbewerb erfolgt die Eignungsprüfung im Rahmen dieses Teilnahmewettbewerbs. Elemente dieser Eignungsprüfung können nicht mehr als Zuschlagskriterium verwendet werden.

 

Kriterium: „Projekterfahrung“

Streitgegenständlich waren die Kriterien „Erfahrung hinsichtlich der Projektdurchführung“ und „Mitarbeiterprofil“. Hinsichtlich der Projekterfahrung von Mitarbeitern sei eine Aufsplittung in qualitativ und quantitativ Bestandteile nicht möglich, da für die fachliche Eignung eines Bieters regelmäßig nicht nur die Anzahl der Mitarbeiter, sondern auch deren Erfahrung und Qualifikation wesentlich sind. Selbst wenn ein Unternehmen ein „Mehr an Eignung“ aufweise, dürfe dieser Umstand nicht im Rahmen der Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines Angebotes zu Ungunsten eines preisgünstigeren Angebotes berücksichtigt werden. Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes dürfen vielmehr stets nur solche Faktoren sein, die mit dem Leistungsgegenstand des Auftrags im Zusammenhang stehen.


Mit seiner Entscheidung vom 12.11.2009 - Rs. C-199/07 (ZfBR 2010, 98) hat der EuGH nochmals entschieden, dass eine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht zulässig ist. Als „Zuschlagskriterien“ seien Kriterien ausgeschlossen, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrages zusammenhängen.

Streitgegenständlich waren die Zuschlagskriterien „Spezielle und allgemeine Erfahrung in der konkreten Planung ähnlicher Projekte“, „tatsächliche Kapazität zur Durchführung einer Studie“, „spezielles Wissenschafts- und Betriebspersonal, das zur Durchführung der fraglichen Studie vorgesehen ist, sowie Ausrüstung im Hinblick auf das Ziel der Studie“.

Die Eignungsprüfung und die Zuschlagserteilung seien zwei verschiedene Vorgänge, für die unterschiedliche Regeln gelten. Die Eignungsprüfung werde nach den in Art. 30, 31 Sektorenrichtlinien 93/38/EWG genannten Eignungskriterien der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit vorgenommen. Dagegen stütze sich die Zuschlagserteilung auf die in Artikel 34 Abs. 1 Sektorenrichtlinie 93/38/EWG aufgezählten Kriterien (niedrigster Preis oder wirtschaftlich günstigstes Angebot). Zwar seien die möglichen Zuschlagskriterien in Artikel 34 Abs. 1 a Sektorenrichtlinie 93/38/EWG nicht abschließend aufgezählt, es kommen jedoch nur Kriterien in Betracht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes dienen. Die als „Zuschlagskriterien“ benannten Kriterien beziehen sich auf Erfahrungs- und auf tatsächliche Fähigkeiten. Es handelt sich um Kriterien, die die fachliche Eignung der Bieter für die Ausführung des Auftrages betreffen und nicht die Eigenschaft von Zuschlagskriterien im Sinne des Artikel 34 Abs. 1 Sektorenrichtlinie 93/38/EWG.

Auch wenn das OLG Düsseldorf mit seiner damaligen Entscheidung vom 21.05.2008 – Verg 19/08 und Beschluss vom 05.05.2008 – Verg 5/08 noch die Möglichkeit offen gelassen hatte, bestimmte Erfahrungen der Bieter in die Wirtschaftlichkeitsprüfung mit einfließen zu lassen, wenn sie einen spezifischen Bezug zur Auftragsdurchführung aufweisen und sich leistungsbezogen auswirken, so ist die Aufstellung solcher Zuschlagskriterien nach der aktuellen Rechtsprechung nicht möglich.

So sind Kriterien, wie „Qualitätsmanagement“, „Personalkonzept“, „besondere Erfahrung“ und „Geräteeinsatz“ nach der aktuellen Rechtsprechung zur Verwendung als Zuschlagskriterium nicht geeignet.

 

Eignungskriterium im VOF-Verfahren

Es stellt sich die Frage, ob eine weitergehende Verwendung der Eignungskriterien im VOF-Verfahren möglich ist. Hierzu hat die Vergabekammer Baden-Württemberg mit Beschluss vom 10.01.2011 – 1 VK 69/10 entschieden, dass im Gegensatz zu den Bereichen der VOB/A und der VOL/A es im Bereich der VOF zulässig sei, Leistungskriterien auf der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens erneut zu aktivieren und beispielsweise Referenzen einer vertiefenden Betrachtung zu unterziehen. Obwohl auch im Bereich der VOF zwischen Eignungsprüfung und Zuschlagswertung zu unterscheiden sei, sei es zulässig, persönlichkeitsbe-
zogene Merkmale auf der zweiten Stufe bei der Entscheidung, welcher Bieter den Auftrag erhalten soll, zu berücksichtigen. Der Unterschied des VOF-Verfahrens, d.h. der Vergabe freiberuflicher Leistungen zu den VOB- bzw. VOL-Verfahren liege darin, dass die Wertung weitgehend auf einer Prognose-Entscheidung, wer die beste Leistung erwarten lasse, beruhe und nicht auf einem konkreten Leistungsangebot. Die Prognose-Entscheidung setze eine Prüfung voraus nach welcher der Bieter auszuwählen ist, der aufgrund seiner bisherigen Projekte die beste Gewähr dafür bietet, die Leistung optimal auszuführen.

Das OLG München hingegen hat mit Beschluss vom 10.02.2011 – Verg 24/10 auch in einem VOF-Verfahren betont, dass die der Leistungsprüfung unterliegenden Kriterien nicht zum Gegenstand der Zuschlagswertung gemacht werden können. Aus diesem Grund seien die Merkmale „Erfahrung des Personals“ und „Erfahrung in der Zusammenarbeit“ als Zuschlagskriterium vergaberechtswidrig. Die Trennung zwischen Eignungs- und Leistungskriterien folge aus § 16 Abs. 3 VOF. Bei der Erfahrung handelt es sich um einen klassischen Aspekt der persönlichen Eignung des jeweiligen Bieters bzw. seiner Mitarbeiter. Sie resultiere aus Referenz und Tätigkeiten aus zurückliegenden Aufträgen und sei kein auftragsbezogenes Merkmal, da sie gerade nicht mit dem ausgeschriebenen Auftrag zusammenhängt. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass es sich bei der Projektsteuerung um ein Vertrauensverhältnis handelt, bei dem es entscheidend auf das eingesetzte Personal ankomme.

 

Die Rügepflicht des Bieters

Es stellt sich die Frage, ob und wann ein Bieter die Pflicht zur Erhebung einer Rüge hat, wenn eine vergaberechtlich saubere Trennung zwischen Eignung- und Zuschlagskriterien in der Ausschreibung nicht erfolgte. Die Rügeobliegenheit setzt positive Kenntnisse der Umstände, die Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens werden können, voraus. Dies beinhaltet auch die laienhafte Wertung, dass sich aus den erkannten Umständen ein Verstoß gegen das Vergaberecht ergibt. Eine bloße Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes genügt nicht. Entscheidend für die Beurteilung der Rügepflicht wird es sein, ob der Bieter schon während des Vergabeverfahrens eine Vermischung von Eignungs-/Zuschlagskriterien erkannt hat bzw. erkennen konnte und diese als vergaberechtswidrig eingeordnet hat.

Nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.09.2009 Verg 12/09 sei auch bei wiederholter Teilnahme an Ausschreibungen nicht davon auszugehen, dass Bieter die aktuelle Rechtsprechung von OLG und BGH kennen müssen. Auch das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 20.07.2011 – 15 Verg 6/11 immer noch festgestellt, dass die Entscheidungen zum Verbot der Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien noch so neu sind, dass eine Verbreitung als allgemeines Wissen noch nicht vorausgesetzt werden kann.


Noch müssen die Bieter die aktuelle Rechtsprechung von OLG und BGH nicht kennen

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