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Risikooptimierte Marktbearbeitung in der deutschen Bauwirtschaft

Die Aufteilung von Märkten in kleinere Teilmärkte ist eine elementare Aufgabe des Marketings, unabhängig von branchen- und unternehmensspezifischen Besonderheiten. Je nach Art des Geschäftsmodells können sich allerdings unterschiedliche Gewichtungen der einzelnen Segmentierungskriterien ergeben.

In der Konsumgüterbranche galten lange Zeit so genannte soziodemographische Faktoren als Differenzierungsansatz, die zunehmend durch „Lifestyle“ Modelle ersetzt werden. Für sämtliche Ansätze gilt jedoch: Innerhalb der Marktsegmente sollen die Kundenbedürfnisse möglichst ähnlich sein (interne Homogenität), in Bezug auf andere Marktsegmente sollen sich die Kundengruppen möglichst klar abgrenzen lassen (externe Homogenität). Ein Kriterium, das in der Bauwirtschaft über viele Jahre vernachlässigt wurde und dass in jüngster Zeit einen signifikanten Bedeutungszuwachs erfuhr, ist das spezifische Risiko bei der Übernahme eines Bauprojekts. Im Folgenden sollen die Grundzüge eines derartigen Vorgehens skizziert werden.

 

Grundlagen der Marktsegmentierung im Bau

In der Bauwirtschaft existieren im Wesentlichen vier Kriterien, die als Grundlage für eine Aufteilung des Gesamtmarktes herangezogen werden:

n Regionalkriterien, wonach ein Gesamtmarkt (z.B. Deutschland) in regionale Teilmärkte aufgeteilt wird, häufig grob in Himmelsrichtungen oder in Anlehnung an die föderalen politischen Strukturen. Bei einer weiter gefassten geographischen Segmentierung wird häufig zwischen den Nationalstaaten oder zwischen ganzen Ländergruppen differenziert.

n Produktkriterien: Hierbei dienen produktspezifische Merkmale als Grundlage der Teilmarktabgrenzung, z.B. Hochbauleistungen, Ingenieurbau oder Verkehrswegebau. Diese Strukturierung ermöglicht es den Bauunternehmen, ihre internen Ressourcen kompetenzorientiert zusammenzufassen.

n Kundenkriterien beziehen sich häufig auf die Struktur der Auftraggeber; öffentliche und privatwirtschaftliche Kunden, industrielle Kunden, in einigen Fällen werden Kundengruppen aber auch je nach Branche zusammengefasst.

n Auftragsbezogene Kriterien unterscheiden beispielsweise unterschiedliche Projektvolumina, z.B. Großprojekte ab 100 Mio. €. Eine weitere Möglichkeit ist auch, die einzelnen Aufträge nach verschiedenen Finanzierungsmodellen, wie z.B. PPP, zu segmentieren. 

Diese vier Hauptkriterien spiegeln die häufigsten Segmentierungsgrundlagen wider, in vielen Fällen kommt es im Unternehmensalltag auch bisweilen zu Überlappungen der Segmente. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass viele Unternehmen  zwei oder mehrere Dimensionen zusammenfassen, beispielsweise Hochbau/Europa oder   Tiefbau/Großprojekte/Amerikas. Je nach Tiefe der Marktaufteilung können dabei neue Sub-Segmente entstehen.

 

Relevante Risikoaspekte

Sämtliche unternehmerischen Tätigkeiten sind in einer freien bzw. sozialen Marktwirtschaft  mit Risiko behaftet. Das Risiko, dass eine Produkteinführung floppt, d.h. nicht im erwarteten Umfang vom Markt angenommen wird, liegt über alle Branchen hinweg bei durchschnittlich 70%; aber auch Zahlungsausfälle oder andere Risiken, die die Unternehmen häufig nicht zu vertreten haben, wie beispielsweise die Finanzmarktkrise und die Auswirkungen auf die Realwirtschaft, können die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen negativ beeinflussen. In der Bauwirtschaft treten zu den allgemeinen Risiken des Wirtschaftslebens noch  weitere, die für die Baubranche typisch sind:

n Vertragsrechtliche Risiken, die sich teilweise durch eine unausgewogene Angebots- bzw. Nachfragekonstellation ergeben, und die die Auftraggeber häufig aufgrund dessen auf die Bauunternehmen abwälzen

n Technische Risiken, die sich trotz vorheriger Untersuchungen z.B. aufgrund der Geologie, ergeben können

n Preisrisiken, die sich aus einer möglichen Preissteigerung der Faktorkosten zwischen der Angebotsabgabe und der Projektrealisierung generieren können

n Mengenrisiken, die aus den Abweichungen der einzubauenden Mengen resultieren können

n Vollständigkeitsrisiken, die je nach Vertragsgestaltung von einer der Vertragsparteien oder gemeinsam anteilig zu tragen sind

n Risiken aus Änderungsanweisungen des Auftraggebers mit negativen Folgen für den baubetrieblichen Produktionsprozess.


In jedem Fall können, und das ist der Kern des Problems, die unterschiedlichen Risikoelemente zu gravierenden wirtschaftlichen Risiken führen und ggf. die ohnehin nicht gerade üppige Rendite im Bau weiterhin substanziell schmälern. Daher ist eine deutlich höhere Risikowahrnehmung der erste Schritt zu einer risikooptimierten Marktbearbeitung, die dementsprechend umgesetzt generell mit einer Steigerung des Renditepotenzials einhergeht.

Ein effektives Risikomanagementsystem setzt bereits in der Planungsphase eines Bauprojekts an und zieht sich konsequent durch die weiteren Phasen durch. In jeder der einzelnen Phasen ist es wichtig, mögliche Risiken chronologisch und strukturiert zu bearbeiten: Zunächst muss das Risiko identifiziert werden (Risikoidentifikation), um anschließend den damit verbundenen wirtschaftlichen Aufwand bewerten zu können (Risikobewertung). In einem dritten Schritt werden, basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen, Angebotspreise errechnet, die die spezifischen Risiken ausreichend reflektieren (Risikobeurteilung). Die Preisangebotspolitik sollte die jeweiligen projektbezogenen Risiken in einem angemessenen Maß berücksichtigen. Dennoch können gute Gründe dafür sprechen, dass Bauunternehmen von dem risikointegrierten Preisansatz abweichen, z.B. wenn  es sich um zukunftsorientierte Referenzprojekte handelt. Das bedeutet, dass jedes Projekt unter einer Zielhierarchie zu betrachten ist, in dem das Risikomanagement generell einen hohen Stellenwert einnehmen sollte.

 

Integration risikooptimierter und marktorientierter Ansätze

Der Schwerpunkt des Risikomanagements ist demnach, entscheidungsrelevante und projektzielorientierte Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört es, sowohl generelle Marktsegmentrisiken und spezifische Projektrisiken miteinander zu verbinden. Die generellen Risiken in bestimmten Marktsegmenten, die das anbietende Unternehmen entweder aus eigener Erfahrung oder aus anderen Quellen kennt, können als Blaupause und Grundstruktur für eben jene Ausschreibungen dienen.

Eine risikooptimierte und marktorientierte Vorgehensweise verbindet beide wichtige Dimensionen, die Absatzseite und die marktseitigen und v.a. projektspezifischen Risiken miteinander. So steht eine projektspezifische Risikobetrachtung nicht im Gegensatz zu strategischen marktsegmentspezifischen Risikoerwägungen. Im Gegenteil: Die Zusammenfassung beider für das Unternehmen wichtiger Dimensionen kann vor dem Hintergrund einer definierten Zielhierarchie transparent miteinander abgewogen werden. Ist das Projekt wichtig für den Eintritt in ein neues Marktsegment, so kann das Gesamtrisiko auch unter den Gesichtspunkten eines „Eintrittspreises“ verbucht werden, je nach Unternehmenspräferenzen. In der Praxis ist eine detaillierte und professionelle IT-Struktur als Voraussetzung unabdingbar, damit in der geringen Zeitspanne zur Angebotsbearbeitung auf vorhandene Erkenntnisse zugegriffen werden kann. Dies ermöglicht eine Fokussierung auf die verbleibenden Projektrisiken, was in der Regel ohnehin auch aufgrund der Komplexität, der geringen zur Verfügung stehenden Zeit und der teilweise intransparenten Informationslage immer noch eine Herausforderung darstellt.

 

Fazit

Die Zusammenführung beider Dimensionen setzt voraus, dass eine Marktsegmentstrategie und eine (IT)-Plattform für ein professionelles Risikomanagement existiert. Ein systematischer Ausbau derartiger Kompetenzprofile kann einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, die Rendite in Bauunternehmen strukturell nachhaltig zu verbessern.

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