Zukunft des Leitungsbaus sichern

rbv besorgt wegen Investitionsstau, zusätzlichen Belastungen und Fachkräftemangel

Die Instandhaltung der leitungsgebundenen Infrastruktur zähle zu den großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte, so Dipl.-Ing (FH) Fritz Eckard Lang, Präsident des Rohrleitungsbauverbandes e.V. (rbv), anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbandes am 11. September 2017 in Köln.

Ein dichtes Netz aus unterirdischen Ver- und Entsorgungsleitungen durchzieht Deutschland. Allein die Länge der öffentlichen Abwasserkanäle beträgt hier zu Lande laut Statistischem Bundesamt 575.800 km (Stand 2013). Ihr Wiederbeschaffungswert liegt entsprechend der Berechnungen des Instituts für Unterirdische Infrastruktur (IKT) bei 631 Mrd. Euro, legt man den Mittelwert der Kosten für eine Erneuerung und für eine Neuerschließung aus einer Umfrage der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) aus dem Jahr 2015 zugrunde. Hinzu kommen laut „Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2015“ 530.000 km Wasserversorgungsleitungen (ohne Hausanschlussleitungen) mit einem vom IKT berechneten Wiederbeschaffungswert von 159 Mrd. Euro. Zudem beträgt die Länge der Gasleitungen laut einer Veröffentlichung des Bundesverbandes der energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) aus dem Jahre 2014 510.000 km (153 Mrd. Euro Wiederbeschaffungswert laut IKT) und die Länge der Fernwärmeleitungen 25.200 km (IKT-Wiederbeschaffungswert: 16 Mrd. Euro). „Die Zahlen machen deutlich, mit welch bedeutendem Anlagevermögen wir es zu tun haben“, so Dipl.-Ing (FH) Fritz Eckard Lang, Präsident des Rohrleitungsbauverbandes e.V. (rbv), anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbandes am 11. September 2017 in Köln. Daher zähle die Instandhaltung der leitungsgebundenen Infrastruktur zu den großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte.


Investitionsstau auflösen

In diesem Zusammenhang findet Lang deutliche Worte: „Ein unhaltbarer Zustand“ sei der Rückgang der Investitionen zum Erhalt der Netze. Folge sei, dass der Zustand der unterirdischen Infrastruktur schlechter geworden ist. Lang fordert daher gleichermaßen die Auflösung des Investitionsstaus und eine Verstetigung der Investitionen: „Die Entscheidungsträger in den Kommunen und bei den Netzbetreibern sind gefordert, im Sinne der Nachhaltigkeit mehr Geld in den Erhalt der Netze zu investieren und die Erneuerungsraten deutlich zu erhöhen.“ Diese Themen seien wiederholt Gegenstand von Round-Table-Gesprächen mit Versorgungsunternehmen gewesen.

Auch bei einem anderen Thema bezieht Lang deutlich Position: Faire und auskömmliche Aufträge sind laut Lang eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Leitungsbauunternehmen die Verantwortung für das wertvolle Allgemeingut weiterhin wahrnehmen können. „Ohne die anerkannt hohe Qualität und das Know-how der Leitungsbauunternehmen gibt es keine funktionierende unterirdische Infrastruktur und ohne die Unternehmen – wenn man ihnen weiterhin die notwendigen Umsätze verweigert – in Zukunft eine funktionsbeschränkte, wenn nicht sogar eine kollabierende Infrastruktur“, so der rbv-Präsident. Soweit dürfe es erst gar nicht kommen, „aus Gründen der Versorgungssicherheit und aus Verantwortung den nachfolgenden Generationen gegenüber“.


Abfallbestimmungen erhöhen Baukosten

Nicht nur die Investitionszurückhaltung macht den Leitungsbauunternehmen zunehmend zu schaffen, sondern auch die Bestimmungen für die Abfallbeseitigung auf Baustellen. „Kreislaufwirtschaftsgesetz und Bundes-Bodenschutzgesetz machen das Thema bundesweit relevant“, erklärt rbv-Hauptgeschäftsführer Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dieter Hesselmann. Vielen Auftraggebern sei nicht bewusst, dass Bodenaushub in ihr Eigentum übergeht und sie für die ordnungsgemäße Entsorgung verantwortlich sind. Hesselmann befürchtet, „dass steigende Kosten für den Abtransport von Abfällen vom Baufeld sowie für deren Entsorgung dazu führen, dass Auftraggeber künftig entweder noch weniger Mittel als bisher in das eigentliche Bauvorhaben investieren können oder die Entsorgung und die damit verbundenen Kosten zur Aufgabe der beauftragten Leitungsbauunternehmen machen“. Vor diesem Hintergrund suchte der rbv wiederholt das Gespräch mit Institutionen und Branchenverbänden wie zum Beispiel dem BDEW. Verschärft wird das Problem durch die jüngste Novelle der Gewerbeabfallverordnung, wonach seit dem 1. August 2017 auf Baustellen anfallender Schutt und Abfall in zehn Fraktionen getrennt werden muss. Hinzu kommen Dokumentationspflichten ab einer Abfallmenge von zehn Kubikmetern. Die betroffenen Bauunternehmen befürchten nun eine weitere Verteuerung des Bauens.  


Dem Fachkräftemangel begegnen

Auch in personeller Hinsicht drückt vielen Leitungsbauunternehmen der Schuh. Seit Jahren belastet sie zunehmend der Fachkräftemangel, unter anderem als Folge der demografischen Entwicklung. In einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) im Frühsommer 2017 sorgt sich mehr als jedes zweite befragte Unternehmen der Bauwirtschaft um die Fachkräftesicherung. Der Mangel an qualifiziertem Personal führe dazu, dass weniger als möglich in neue Technologien investiert wird, da den Unternehmen schlicht das fachkundige Personal zur Bedienung der Technologien fehlt. So wird der Fachkräftemangel zum echten Wachstumshemmnis. Welche Folgen das für den Leitungsbau und die Versorgungssicherheit in Deutschland haben kann, aber auch wie der Leitungsbau attraktiver für Fachkräfte und den Nachwuchs gemacht werden kann bzw. wie der rbv seine Mitgliedsunternehmen dabei unterstützt, dazu äußert sich der Präsident des rbv, Fritz Eckard Lang, im Interview.



„Der Leitungsbau verdient ein positives Image“


Herr Lang, wie stark ist der Leitungsbau vom Fachkräftemangel betroffen?

Lang: Sehr stark – während andere Branchen noch die ersten Auswirkungen spüren, ist der Fachkräftemangel im Leitungsbau längst angekommen. Das betrifft die Leitungsbauunternehmen und deren Auftraggeber gleichermaßen.


Warum ist das so?

Lang: Der Leitungsbau hat immer noch nicht das positive Image, das er verdient. Hinzu kommt, dass das Durchschnittalter im Leitungsbau über dem des sonstigen Baugewerbes liegt und sich aufgrund der niedrigen Teilzeitquote relativ wenige Erwerbstätige in eine Vollzeittätigkeit überführen lassen. Darüber hinaus ist der Drang der Schulabgänger in die Universitäten ungebrochen; gleichzeitig schreitet die technologische Entwicklung – getrieben auch durch die Energiewende – immer weiter fort, was hochqualifiziertes technisches Personal wie Facharbeiter, Meister und Techniker erfordert. Nicht zuletzt ist es kaum gelungen, ein wichtiges Potenzial auszuschöpfen, und zwar das der weiblichen Nachwuchskräfte. Und bei aller gebotenen Zurückhaltung möchte ich auch nicht verhehlen, dass der Baubereich infolge der Tarifpolitik der letzten Jahre in Punkto Bezahlung an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat.


Welche Auswirkungen hat dies auf den Leitungsbau in Deutschland?

Lang: Ganz konkrete – betrachten wir nur einmal die aktuelle Bausituation in diesem Sommer: Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die ersten Mitgliedsunternehmen Mehraufträge gezwungenermaßen ablehnen mussten, da sie nicht die personellen Kapazitäten haben. Denken wir das einmal weiter, so kann dies eines Tages ebenfalls negative Auswirkungen auf die Versorgungsicherheit haben. Ein Grund ist also der Personalmangel, ein anderer die Unstetigkeit von Investitionen. So ist die Auflösung des Investitionsstaus die eine Sache, die Verstetigung von Investitionen eine andere, ebenso wichtige.


Wie kann vor diesem Hintergrund der Leitungsbau attraktiver für Fachkräfte und den Nachwuchs gemacht werden?

Lang: Der Leitungsbau ist attraktiv – nur wissen es offensichtlich zu wenige. Einmal ganz davon abgesehen, dass der Leitungsbau systemrelevant ist, das heißt für den Erhalt der Ver- und Entsorgungssicherheit in Deutschland von entscheidender Bedeutung ist.

Der Leitungsbau bietet verantwortungsvolle, abwechslungsreiche Tätigkeiten, und die Beschäftigungsperspektiven sind günstig. Unsere Aufgabe muss es sein, noch massiver für den Leitungsbau zu werben. Mit „uns“ meine ich die Leitungsbauunternehmen, aber selbstverständlich auch den rbv, der seine Mitgliedsunternehmen in ihren Bemühungen unterstützt.  


Wie begegnen die rbv-Mitgliedunternehmen dem Fachkräftemangel?

Lang: Selbstverständlich kann unsere klein- und mittelständisch geprägte Branche nicht Unsummen in das Personalmarketing stecken, aber die Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie werben beispielsweise an Schulen, Berufsakademien und Fachhochschulen für sich, führen potenzielle Auszubildende in Form von Praktika an die Unternehmen heran und investieren in attraktive Internetauftritte, um sich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zudem arbeiten unsere Mitgliedsunternehmen permanent an flexiblen Formen der Arbeitsorganisation und Arbeitszeitmodelle, soweit dies im Bereich des Leitungsbaus möglich ist. Dazu gehört, Mitarbeiter im Rahmen einer lebenszyklusorientieren Personalplanung kontinuierlich weiterzubilden und durch Wissenstransfer dafür zu sorgen, dass das Know-how in den Unternehmen erhalten bleibt. Und gerade in einer Branche wie dem Leitungsbau, in der weiterhin viele Tätigkeiten mit einer körperlichen Belastung einhergehen, investieren die Unternehmen in ein betriebliches Gesundheitsmanagement.


Wie unterstützt der rbv seine Mitglieder dabei?

Lang: Unser rbv/BFA-Ausschuss für Personalentwicklung arbeitet eng mit den Berufsbildungszentren des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e. V. (HDB) zusammen und entwickelt Konzepte und Lösungsmöglichkeiten für unsere Branche. Mit dem „Berufsförderungswerk des Rohrleitungsbauverbandes“ (brbv) haben wir das Thema Aus- und Weiterbildung organisatorisch im Verband verankert. Nehmen Sie beispielsweise den vom brbv organisierten Fortbildungslehrgang zum geprüften Netzmeister, der sich längst zum Erfolgsmodell entwickelt hat. Oder denken Sie an die gemeinsam mit dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches ausgerichteten Deutschen Meisterschaften der Wasserversorgungstechnik bzw. der Gasversorgungstechnik auf der gat + wat, um interessierten Jugendlichen auf anschauliche Art zu zeigen, wie spannend und verantwortungsvoll die Aufgaben im Rohrleitungsbau sind. Darüber hinaus unterstützt der rbv das Online-Portal „Berufswelten Energie & Wasser“, das den Akteuren der Branche bei der Nachwuchsgewinnung Hilfestellung gibt. Ich möchte zudem unseren neu aufgelegten Flyer und das Angebot individualisierbarer Bauzaunbanner für die Ansprache von potenziellen Auszubildenden nennen.

Auch der rbv selbst steuert intern dem „Fachkräftemangel“ entgegen, indem wir den Arbeitskreis „Junge Führungskräfte“ ins Leben gerufen haben und so frühzeitig den Führungsnachwuchs in unsere Verbandsarbeit einbinden.

All das sind Investitionen in die Zukunftssicherung unserer Branche, die sicherlich den Leitungsbauunternehmen selbst zugute kommen –, aber letztendlich auch der Versorgungssicherheit in Deutschland.


www.rohrleitungsbauverband.de




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