KOMMENTARE ZUR AKTUELLEN RECHTSPRECHUNG FÜR DIE BAUWIRTSCHAFT

Von Vertragsstrafen, ­Verjährungsfristen und zwingendem Ausschluss

Unser Autor Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie kommentiert hier drei Urteile, die großes Interesse verdienen. Zweimal entschied der BGH, einmal das OLG Düsseldorf.

Vertragsstrafe für Überschreitung von Zwischenfristen wirksam?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 133/11 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags getroffene Vertragsstrafenregelung, die eine für die schuldhafte Überschreitung einer Zwischenfrist zu zahlende Vertragsstrafe auf höchstens 5 % der Gesamtauftragssumme festlegt, ist unwirksam.

Zwischen dem Auftraggeber (AG) und dem Auftragnehmer (AN) bestand ein Werkvertrag über Abriss eines alten und Herstellung und Montage eines neuen Deichtores. Der Vertrag enthielt einen Fertigstellungstermin und diverse Zwischenfristen, u. a. „Herstellung aller für den Hochwasserschutz erforderlichen Bestandteile bis spätestens zum 31.10.2008“. Nach diesem Termin setzt die Hochwasserperiode ein, in der Bautätigkeiten nach der Deichschutzverordnung grundsätzlich verboten sind. Sowohl der Fertigstellungstermin als auch die Zwischenfristen waren mit Vertragsstrafen sanktioniert. Für jeden Werktag des Verzugs sowohl bei Überschreitung der Ausführungsfrist als auch von Zwischenfristen sollte der AN 5.000 Euro zahlen, wobei die Vertragsstrafe auf insgesamt 5 % der Auftragssumme begrenzt war. Der beauftragte Generalunternehmer (GU) stellte diesen Vertragstermin an den mit der Herstellung des Deichtors beauftragten Nachunternehmer (NU) durch. Der NU lieferte das Deichtor jedoch – unstreitig schuldhaft – 28 Tage zu spät, weshalb der AG eine Vertragsstrafe in Höhe von 140.000 Euro vom Werklohn des GU abzog. Der GU wollte deshalb im Werklohnprozess des NU mit einem (Verzugs-)Schadensersatzanspruch in derselben Höhe aufrechnen.

Nach Ansicht des BGH kann der GU hier nicht aufrechnen, da die Vertragsstrafenvereinbarung zwischen AG und GU unwirksam war. Die Vereinbarung sei als AGB Vertragsbestandteil geworden und unterliege der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB; dieser halte die Klausel nicht stand. Die Vertragsstrafenregelung sei deshalb AGB-widrig und unwirksam, weil ihre Höchstgrenze von 5 % der Auftragssumme bei bloßem Verzug mit einem Zwischentermin den AN unangemessen hart belaste. Bei Beurteilung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe sei nicht nur das Interesse des AG daran zu würdigen, zur Vermeidung eventuell hoher Schäden Druck auf den AN auszuüben, um die Einhaltung eines Termins zu sichern. Vielmehr müssten auch die Interessen des AN berücksichtigt und vor allem beachtet werden, dass die für die Überschreitung eines Zwischentermins vereinbarte Vertragsstrafe unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehe, den der AN durch seine Leistung verdiene. Insoweit gelte nichts anderes als für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, mit der ein Fertigstellungstermin abgesichert werden solle. Die Vereinbarung müsse berücksichtigen, welche Auswirkungen die Vertragsstrafe auf den AN habe und sich in wirtschaftlichen Grenzen halten. Auf dieser Grundlage habe der Senat bereits früher entschieden, dass eine Obergrenze einer Vertragsstrafe für die Überschreitung eines Fertigstellungstermins von über 5 % der Auftragssumme zu hoch sei. Dies gelte umso mehr bei Zwischenterminen. Insoweit sei zu bedenken, dass der AG bei der Absicherung eines Zwischentermins nicht davon profitieren können solle, dass der AN später auch weitere Leistungen erbringe, die nicht dazu dienten, die Einhaltung des Zwischentermins zu sichern. Vielmehr sei ein angemessenes Gleichgewicht der Interessen von AG und AN nur gewahrt, wenn der AG nicht anders stehe, als hätte er den AN allein mit Leistung bis zum Zwischentermin beauftragt. In diesem Falle wäre der Zwischentermin ein Endtermin und die prozentualen Höchstsätze einer Vertragsstrafe müssen sich an der Auftragssumme orientieren. Eine Vertragsstrafe, die einen Tagessatz von mehr als 0,3 % und eine Obergrenze von 5 % von einem höheren Betrag vorsehe, sei unangemessen und deshalb unwirksam. Nicht anders könne es sein, wenn die Vertragsstrafe für einen Zwischentermin an die gesamte Auftragssumme anknüpfe, die auch durch Leistungen erwirtschaftet werde, die erst nach dem Zwischentermin erbracht würden. Dies gelte auch dann, wenn bei Verträgen, die Bauleistungen im Rahmen des Hochwasserschutzes zum Gegenstand hätten, die Einhaltung einer Zwischenfrist zur Erhaltung des Hochwasserschutzes unabdingbar notwendig sei und daran ein größeres Interesse als an der Einhaltung der Fertigstellungsfrist bestehe. Denn der AG sei ohnehin ausreichend durch mögliche Schadensersatzansprüche geschützt.

Anmerkung

Die Entscheidung zeigt, wie schwierig es ist, wirksame Vertragsstrafen auf Zwischenfristen speziell in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbaren. Wie der BGH selbst hinweist, wäre es hier dem AG unbenommen geblieben, eine Vertragsstrafe individuell – und nicht wie hier in AGB – zu vereinbaren. Mittels AGB möglich wäre auch eine Begrenzung der Vertragsstrafe für Zwischentermine – bezogen auf den anteiligen Auftragswert, der allerdings in der Praxis wiederum nicht unproblematisch zu ermitteln wäre.

Keine Verkürzung der Verjährungsfrist für Vergütungsansprüche in AGB!

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 15/12 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

Eine vom Auftraggeber in einem Bauvertrag gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, mit der die Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch des Auftragnehmers auf zwei Jahre abgekürzt wird, ist unwirksam, weil sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Ein Auftraggeber (AG) hatte den Auftragnehmer (AN) auf Basis eines VOB-Vertrags mit der Ausführung von Elektroarbeiten beauftragt. Teil B Ziffer VIII des Vertrages lautete: „Die Gewährleistungsfrist beträgt abweichend von § 13 Nr. 4 VOB/B 5 Jahre; ansonsten verbleibt es bei den Regelungen der VOB.“

Teil B Ziffer IX lautete: „Die Ansprüche des Auftragnehmers auf Werklohn verjähren in zwei Jahren.“

Der AN stellte im Juni 2006 seine Schlussrechnung. In Höhe von 2.041 Euro wurde die Forderung vom AG nicht bezahlt. Im Juni 2009 erhob der AN daraufhin Werklohnklage. Der AG berief sich auf Verjährung und verwies dabei auf die von ihm gestellte AGB-Klausel, nach der die Werklohnansprüche des AN in zwei Jahren verjährten. Er meinte, die Frist für die Verjährung der in der Schlussrechnung geltend gemachten Vergütungsforderungen habe am 1.01.2007 zu laufen begonnen. Verjährung sei daher am 31.12.2008, spätestens jedoch – wegen der nachfolgenden Verhandlungen der Parteien – im März 2009 eingetreten. Die im Juni 2009 eingegangene Klage sei daher nicht geeignet gewesen, die eingetretene Verjährung zu hemmen.

Das vorinstanzliche Amtsgericht und Landgericht (LG) hielten die Forderung des AN für verjährt.

Der BGH sieht das völlig anders. Die AGB-Klausel in Ziffer IX des Vertrages halte der rechtlichen Nachprüfung nicht stand und sei unwirksam. Die Verkürzung der Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des AG auf zwei Jahre benachteilige den AN unangemessen, da sie gegen das gesetzliche Leitbild des § 195 BGB (dreijährige Verjährungsfrist) verstoße und keine Interessen des AG erkennbar seien, die eine derartige Verkürzung rechtfertigen könnten. Da der BGH die Sache nicht selbst entscheiden könne, war das Urteil des LG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlungsentscheidung zurückzuverweisen.

Anmerkung

AGB-Klauseln zur Verjährung sind nur in engen Grenzen wirksam. Der BGH setzt mit der Entscheidung seine strenge Rechtsprechung zu AGB-Klauseln in Bauverträgen konsequent fort. AGB-Klauseln, deren Zweck sich darin erschöpft, die berechtigten Interessen eines Vertragspartners zu beschneiden, haben – nach dieser Rechtsprechung – in einem Vertrag nichts zu suchen. So sind beispielsweise Klauseln nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, die die Gewährleistungsfrist eines Nachunternehmers einen Monat nach Ablauf der Gewährleistungsfrist des Hauptunternehmers gegenüber dem Bauherrn enden lassen. Wirksam dagegen ist eine Verlängerung der in § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B enthaltenen Regelungsfrist von 4 auf 5 Jahre in AGB; denn bei der fünfjährigen Frist handelt es sich um die gesetzliche Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, so dass eine entsprechende Klausel den AN nicht unangemessen benachteiligen kann. Auch eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist über diese 5 Jahre hinaus ist nicht generell unzulässig, da § 309 Nr. 8 BGB nur eine Verkürzung der Verjährungsfrist verbietet. So hat bereits der BGH im Jahre 1996 eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf zehn Jahre bei Flachdacharbeiten in AGB gebilligt.

Zwingender Ausschluss bei Änderung der Vergabeunterlagen

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2012 – Verg 37/12 – (www.ibr-online.de) u. a. Folgendes entschieden:

1. Ändert ein Angebot Vergabeunterlagen ab, so ist es zwingend vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen.

2. Enthält ein Leistungsverzeichnis eines Bauvorhabens eine Mindestanzahl an Gerätschaften (hier: mindestens 11 Baukräne), handelt es sich nicht um zwingende Ausschreibungsbedingungen, wenn diese Angabe gleichzeitig relativiert wird, dass dies „der Sicht des Verfassers“ entspreche und nicht unterschritten werden „solle“. Vielmehr handelt es sich um funktionale Leistungsmerkmale, die den Bietern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Bewältigung der Bauaufgabe eröffnen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Rohbauarbeiten für mehrere Hochschulgebäude im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. In seinem Leistungsverzeichnis (LV) hatte er eine „Mindestanzahl von 11 Baukränen“ vorgegeben. Diese Vorgabe hatte er allerdings mit den Hinweisen relativiert, dass diese Festlegung „die Sicht des Verfassers“ wiedergibt und nicht unterschritten werden „solle“.

Bieter A, der nach der Wertung Bestbieter war, hatte in seinem Angebot die Vorgabe von 11 Baukränen unterschritten. Darauf erhob der konkurrierende Bieter B ein Nachprüfungsverfahren mit dem Ziel, das Angebot des Bieters A auszuschließen. Die Vergabekammer hatte hier B Recht gegeben und schloss das Angebot des Bieters A aus. Dagegen wehrte sich Bieter A.

Das OLG gibt hier dem Bieter A Recht; sein Angebot sei nicht auszuschließen. Die Voraussetzungen des einzig in Betracht kommenden Ausschlusstatbestands der §§ 16 Abs. 1b i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A lägen nicht vor, da das Angebot des A keine solche Änderungen enthalte. A habe in seinen Angeboten nur vier Baukräne angeboten. Hierdurch sei er jedoch nicht von Ziffer 1.1 des Leistungsverzeichnisses abgewichen, auch wenn dieses und der dem LV beigefügte Baueinrichtungsplan mehr Baukräne vorsehe. Denn bei verständiger Würdigung der Vergabeunterlagen handele es sich hier nicht um zwingende Ausschreibungsbedingungen. Ziffer 1.1 des LV i.V.m. dem als Anlage beigefügten Baustelleneinrichtungsplan stellten vielmehr funktionale Leistungsmerkmale dar, die den Bietern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Bewältigung der Bauaufgabe eröffneten. Das LV sei hier so auszulegen, dass die Anzahl der einzusetzenden Baukräne vom Bieter bestimmt werden könne. Eine verbindliche Festlegung auf insgesamt 11 Baukräne könne dem LV nicht entnommen werden. Bereits der Wortlaut des LV lasse erkennen, dass der AG den Bietern die Entscheidungsfreiheit überlassen wolle, mit wie vielen Baukränen sie die ausgeschriebene Leistung erbringen wollten. Zwar würden in Ziffer 1.1 des LV die Worte „Mindestanzahl der Bewältigung der Bauaufgabe“ verwendet, deren grundsätzliche Eindeutigkeit aber durch die gleichzeitige Einschränkung, dass dies „der Sicht des Verfassers“ entspreche und nicht unterschritten werden „solle“, relativiert. Eine eindeutige Festlegung auf eine Mindestanzahl anzubietender Baukräne erfolge hierdurch nicht.

Aus Ziffer 1.1 des LV, in der die Bieter aufgefordert würden, einen eigenen Baustelleneinrichtungsplan vorzulegen, in den die vom Bieter gewählten Standorte für Großgeräte und mobile Kräne einzutragen seien, ergebe sich vielmehr, dass der dem LV beigefügte Baustelleneinrichtungsplan nicht verbindlich sei, sondern nur eine von mehreren Varianten für die Aufgabenerfüllung darstelle und damit als bloße Anregung zu verstehen sei. Dies sei auch von mehreren Bietern so verstanden worden.

Anmerkung

Trotz dieser interessanten Entscheidung sollten sich die Vergabebeteiligten Folgendes klarmachen: Bieter können grundsätzlich keine eigenen, von den Vorgaben des Auftraggebers abweichenden Vorstellungen durchsetzen. Der Auftraggeber ist dagegen zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung verpflichtet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EG). Konkret heißt dies, dass der AG sein Leistungsbestimmungsrecht so ausüben muss, dass bei einem Bieter keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen können, was der Aufraggeber tatsächlich will. Unklarheiten in Vergabeunterlagen – insbesondere im LV – gehen daher zu Lasten des AG. Wenn der Bieter einen Widerspruch bzw. eine Mehrdeutigkeit in den Vergabeunterlagen entdeckt, sollte er den AG darauf aufmerksam machen und diesen Aspekt gegebenenfalls rügen (§ 107 Abs. 3 GWB). Hält der AG aber an seinen Vorgaben nach wie vor fest, ist der Bieter – nach der Rechtsprechung sogar bis zur Grenze der technischen Baubarkeit – tatsächlich verpflichtet, entsprechend der Vorgaben des Auftraggebers anzubieten.

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