Vom Ich zum Wir (Teil 1)

Moderne Führungskultur

Arbeit soll zukünftig vernetzter, flexibler und agiler werden. Doch das ist nur dann möglich, wenn zugleich auch an einer neuen Form von Führungskultur gearbeitet wird.

Die Bauwirtschaft boomt. Nur was nützt die beste Auftragslage, wenn Bauprojekte floppen. Platzen Termine oder werden Budgets überschritten, hat dies oft zwischenmenschliche Ursachen. Denn in Boomphasen konzentriert sich vieles auf das Thema Personal. Die Fachkräftelücke und steigende Komplexität erhöhen den Veränderungsdruck weiter. „Chefs sind nur dann erfolgreich, wenn sie ihre Mitarbeiter einbeziehen und nicht zu Befehlsempfängern degradieren“, sagt der preisgekrönte Führungsexperte Mike Fischer, auch mit Blick auf den digitalen Wandel.
Der 55-jährige Multiunternehmer, Erfolgsautor und Redner weiß, wovon er spricht. Mike Fischer hat mehrere Unternehmen gegründet und an die Spitze geführt. Erst eine der umsatzstärksten Intensiv-Fahrschulen Deutschlands, die Fischer Academy aus Gera. Dann einen der beliebtesten Pizza-Lieferdienste. Und jüngst das Institut für autonomes Fahren. Aber erst musste er gehörig auf die Schnauze fallen. 1993 wurde er nach einem Kreuzbandriss operiert. „Infektion, multiples Organversagen, zwei Wochen Koma“, sagt Fischer, „alle hatten mich abgeschrieben.“ Als er nach neun Monaten Krankenhaus und Reha wieder in die Firma kam, lief es dort wie geschmiert. Das hat ihn geprägt. Bis heute! Aus den Lehren entwickelte der Thüringer ein Führungskonzept, welches losgelöst von Branche und Zweck des Unternehmens für viele Betriebe funktioniert. Einige Eckpunkte daraus stellen wir Ihnen in einer zweiteiligen Artikelserie vor.

Gebot Nr. 1: Überflüssig sein ist Chefsache

Unsere Arbeitswelt befindet sich in einer der größten Transformationen. Hierarchien fallen. Netzwerkarbeit sticht Abteilungsdenken. Die Präsenzkultur, wo nicht das Ergebnis zählt, sondern nur die Anwesenheit eines Mitarbeiters ist obsolet. Für diesen Wandel Mitarbeiter zu „coachen“, damit sie mit ihren Aufgaben wachsen, wird zur Kernaufgabe moderner Führung.

Sind dafür einfache, klare Regeln aufgestellt, dürfen Mitarbeiter eigenverantwortlich agieren, wird ein Chef plötzlich zur überflüssigsten Person. Endlich kann er das machen, wofür er da ist: AM statt IM Unternehmen arbeiten; sprich, sich um die Zukunft seiner Firma kümmern, um beste Bedingungen für Mensch und Organisation zu schaffen.

Chefs sollten ihre Mitarbeiter deshalb für wichtiger als sich selbst halten, zuhören und inspirieren können. Es geht um nicht mehr, als um den Rollenwechsel vom Leader zum Coach. Das bedeutet: weniger Steuermann, dafür mehr motivierender Beifahrer, der die Mitarbeiter begleitet und dabei unterstützt, Ziele selbst festzulegen, Erfolge zu identifizieren und diese mithilfe der eigenen Stärken zu erreichen.

Gebot Nr. 2: Teambuilding fängt beim Feedback an

Ob Trump, Erdogan oder Orban – was wir gerade in der Politik erleben, ist genau das Falsche, ein Rückschritt, weg von einer modernen Führungskultur. Erfolgreiche Unternehmen wie viele „Hidden Champions“ in Deutschland, haben längst angefangen eine WIR-Kultur – geprägt von Sinnstiftung, Autonomie, Kooperation und Vertrauen auf Augenhöhe – zu etablieren.

Das Neue lässt sich heute schon ausprobieren und muss weder aufwendig, kompliziert, noch zeitraubend sein. Versuchen Sie es bei nächster Gelegenheit doch mit einem leckeren Frühstück oder Lunch. Und verbinden Sie dieses mit einer Feedbackrunde, wo alle zu Wort kommen. Nicht nur die Günstlinge und Speichellecker, sondern auch die ehrlichen „Überzeugungstäter“, die keine Angst vor dem Äußern unbequemer Meinungen haben.

Wie Erfahrungen zeigen, braucht es erstaunlich wenige Gespräche, um zu erkennen, was ein Unternehmen über sich denkt und ob es im ICH- oder im WIR-Modus tickt. Andere Beispiele, um Gruppen zusammenzuschweißen, sind Teamevents oder Wettbewerbe, wo sich Arbeitgeber messen lassen können.

Gebot Nr. 3: Sinn schlägt Status

Kennen Sie die Geschichte: Vor vielen Jahrhunderten arbeiteten drei Maurer an den Grundmauern einer Kathedrale. Ein Passant kam vorbei und fragte die drei, was sie da tun. „Das sehen Sie doch”, erwiderte der erste mürrisch. „Ich bearbeite einen Stein.” Und der zweite Maurer, der das gleiche tat, sagte gelangweilt: „Na, ich errichte eine Mauer.” Der dritte Maurer antwortete stolz: „Ich baue eine Kathedrale.” Gib mir keinen neuen Dienstwagen. Gib mir kein neues Handy. Gib mir Sinn! Noch besser: das Gefühl, Teil einer Story zu sein, so ein weiterer Baustein der Führungskultur von morgen.

Wer sein eigenes Tun als sinnvoll erfährt, ist eher bereit, sich zu engagieren. Deutsche Unternehmen könnten pro Jahr 105 Milliarden mehr Umsatz machen, rechnet die aktuelle Gallup-Studie zur Arbeitsplatzqualität vor. Stattdessen leisten sie sich mit 70 Prozent eine große Mehrheit von Mitarbeitern, die innerlich gekündigt haben, statt Einsatzfreude an den Tag zu legen. Der Wunsch, etwas zu tun, das einen höheren Sinn als Geldverdienen hat, könnte für Architektur- oder Baubüros beispielsweise darin liegen, nachhaltige Gebäude zu konstruieren oder das Wohnen in den Städten menschlicher zu gestalten.

Gebot Nr. 4: Investieren Sie in Vertrauen!

Wer kooperativ führt, kann nicht einfach wie früher Vorgaben definieren und Ergebnisse kontrollieren; er muss vor allem eins: loslassen. Kein leichtes Unterfangen für einen Manager alter Schule und einer der schwierigsten Schritte. Wenn früher das Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ galt, ist es heute gerade andersherum. Denn Kontrolle hat tödliche Sprengkraft. Zuviel davon wird teuer und demotiviert. Es killt den Erfindergeist und führt am Ende zum Kollaps. Mehr Freiraum dagegen macht den Arbeitgeber für Mitarbeiter sexy. Und verbessert auch die stark nachgefragte Vereinbarkeit von Job und Privatleben.

Dazu passt das Bild vom Beziehungskonto, eine Metapher, die beschreibt, wie viel Vertrauen in einer Arbeitsbeziehung aufgebaut worden ist. Weil solche Investitionen nur langfristig wirken, sollte man noch heute mit den Einzahlungen anfangen. Denn zu spät ist es dafür nie.

Im zweiten und letzten teil  des Artikels, der in THIS 6/2018 veröffentlicht wird, geht es um die Gewinnung neuer Fachkräfte und die Förderung von Innovationen.

Fischer Academy GmbH

www.fischer-academy.de

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