Vermeidung von Schäden
bei Baugruben und deren Verbauten

7. Oberösterreichischer Geotechnik-Tag

Statistisch gesehen ereignen sich immer mehr Schadensfälle. Für Schäden bei Baugruben und Baugrubensicherungsmaßnahmen gibt es technische Ursachen, die Gegenstand der Tagung in Steyregg bei Linz waren.

Das Fachwissen im Bereich der Geotechnik hat sich in den letzten 50 Jahren deutlich ausgeweitet. Die Ergebnisse der Forschung und die praktischen Erfahrungen versetzen uns in die Lage, den Boden und die Wirkmechanismen beim Eingriff in diesen besser zu verstehen. Zum 7. Oberösterreichischen Geotechnik-Tag wurden Fallbeispiele von Schadensfällen bei Baugruben vorgetragen, die bodenmechanische Modellierung sowie der Umgang mit Stillwasser-Sedimenten (Seeton). Auch Lösungen bei Spezialtiefbauarbeiten unter erschwerten Bedingungen wurden aufgezeigt.

Einsturz einer Baugrube in Singapur

Bei einem in der Fachwelt viel beachteten Schadensfall wurde Ao. Univ.-Prof. Helmut F. Schweiger (TU Graz) vom Bauherrn als einer der Gutachter bestellt. Eine Baugrube im Zuge des „Nicoll Highway“ in Singapur war eingestürzt. Schwerpunkte waren die geotechnische Berechnung der Dimensionierung des Baugrubenverbaus der Grube, Modellierungsdetails der Boden-Bauwerks-Interaktion sowie die Annahme der Drainageverhältnisse. Die Annahmen für eine undrainierte Analyse einer Baugrube in weichem Ton wurden kritisch beleuchtet. Es stellte sich heraus, dass die Hauptursache für den Einsturz wahrscheinlich nicht in der unzulänglichen geotechnischen Berechnung lag. In der Praxis wird oft eine „Mischform“ der Berechnung angewendet, in der effektive Steifigkeitsparameter und totale Festigkeitsparameter verwendet werden. Die drei Möglichkeiten der Berechnung sind:

effektive Spannungen mit effektiven Scherparametern,

effektive Spannungen mit den undrainierten Scherparametern,

totale Spannungen mit undrainierten Scherparametern.

Zur Erweiterung des U-Bahn Netzes in Singapur wurde eine Strecke mit zwei eingleisigen Tunneln geplant. Die Aushubtiefe der Baugrube beträgt 33 Meter. Der Grundwasserspiegel liegt nahe an der Geländeoberkante. Der Baugrubenverbau besteht aus einer Schlitzwand, die von zehn vorgespannten Steifenlagen und zwei tiefliegenden Düsenstrahlsohlen gestützt wird. Die oberste der beiden Sohlen liegt in Höhe der unteren Steifenlage und wurde im Laufe des Aushubs entfernt. Es wurde abschnittsweise ausgehoben, die Steifen wurden eingebaut und vorgespannt. Unter einer knapp fünf Meter mächtigen Auffüllung steht ein fast 40 Meter mächtiger mariner Ton an. Dieses Paket wird vom Old Alluvium unterlagert. Bei den weichen Tonen handelt es sich um schluffige, organische und breiige marine Tone. Aufgrund der geringen Durchlässigkeit der Tonschichten wird sich der Untergrund während der Baugrubenherstellung hauptsächlich undrainiert verhalten. Eine undrainierte Berechnung wird in diesem Fall also zwingend erforderlich.

Bei den verschiedenen Berechnungen ergeben sich unterschiedliche Horizontalverschiebungen der Schlitzwand in den einzelnen Bauzuständen mit Auswirkungen auf die Steifenlagen. Mit Fortschreiten des Aushubs musste die obere der beiden Düsenstrahlsohlen entfernt werden. Danach kam es zum Einsturz der Baugrube auf einer Länge von 100 Meter.

In den Untersuchungen stellte sich heraus, dass die wesentliche Ursache für den Einsturz der Baugrube nicht in den mangelhaften Berechnungen liegen kann. Es zeigte sich schlussendlich, dass die Bemessung der Aussteifung der Baugrube nicht korrekt erfolgte. Dies wurde als Hauptgrund für das Versagen identifiziert, wobei jedoch noch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben. So war die Einbindung der Schlitzwand in diesem Bereich nicht durchgehend wie in der Planung gefordert. Bei korrekter Berechnung der Steifen hätten die Mängel in den Bodenberechnungen wahrscheinlich ausgeglichen werden können. Eine eindeutige Schuldverteilung ist schwierig, weil im Endeffekt die Summierung der Fehler zum Einsturz der Baugrube geführt haben.

Umgebungsbedingungen von Baugruben

Dipl.-Ing. Siegfried Strohhäusl (Triax ZT GmbH) schilderte Erfahrungen eines Sachverständigen für Geotechnik bei verschiedenen Bauausführungen. Er ging dabei auf Fehler ein, die immer wieder vorkommen. So werden oft die Umgebungsbedingungen einer Baugrube zu wenig beachtet, wie Nachbarbebauung, Straßen oder Bahnlinien. Ein weiteres, oft unterschätztes Problem ist das Wasser, sei es als Grundwasser oder Regenwasser.

Oft ist auch die Einbindung der Baugrubenherstellung in das Baugeschehen nicht optimal. Das liegt auch an fehlender Erfahrung in der Planung von Baugruben oder an mangelnder Koordinierung der Beteiligten. Die Auswahl eines sachkundigen Planers, eines unabhängigen Gutachters und einer qualifizierten Baufirma ergeben einen angemessenen Preis bei der Bauausführung. Wenn aber bei der Ausführung schwieriger Spezialtiefbauarbeiten gespart wird, muss oft zu einem späteren Zeitpunkt ein Vielfaches an Mitteln aufgewendet werden.

Juristische Schadensaufbereitung

Über bauanwaltliche Erfahrungen zur außergerichtlichen Schadensaufarbeitung beim Baugrund berichtete Mag. Wolfgang Müller (Wolf Theiss Rechtsanwälte). Die Baugrube gehört dem Bauherrn (AG). Damit trägt er auch das Risiko für unrichtige Ermittlungen oder unzutreffende Beschreibungen der technischen Eigenschaften des Baugrundes, sowie einer mangelhaften geotechnischen Planung. Beim Auftragnehmer (AN), der Baufirma, verbleibt das Risiko der mangelhaften Ausführung der Maßnahme.

Bei einem Schadensereignis in der Ausführungsphase muss der AN die Ursache und die Rechtsfolgen zu seinen Gunsten beweisen. In der Gewährleistungsphase (bis drei Jahre nach Übergabe) muss der AG das Vorliegen eines Mangelschadens darlegen. Der AN muss beweisen, dass der Schaden nicht von ihm verursacht wurde. In der Schadenersatzphase (30 Jahre ab Vertragsabschluss) muss der AG die Verursachung durch den AN belegen. Der AN muss zehn Jahre ab Übernahme aufzeigen, dass ihn kein Verschulden trifft. Bei der Sicherung kann eine frühzeitige Schuldzuweisung eine außergerichtliche Einigung erschweren.

Sicherheitsmanagement zur Schadensprophylaxe

Dipl.-Ing. Roman Heissenberger (ÖBB-Infrastruktur AG) stellte das „Sicherheitsmanagement zur Schadensprophylaxe bei Baugruben“ vor. Die ÖBB teilt die Bauobjekte nach geotechnischen Kategorien in drei Schwierigkeitsgrade ein. Dabei werden nicht akzeptable Risiken und Grenzen bewertet. Bei der Steuerung der Bauprojekte im geotechnischen Sicherheitsmanagement versucht man Störungen zu vermeiden und durch Planung technischer Maßnahmen die Risiken zu kontrollieren.

Kosten durch Vertuschen oder Verheimlichen von Fehlern

„Lernen aus Fehlern internationaler Projekte“ war das Thema von Dipl.-Ing. Gebhard Dausch (Bauer Spezialtiefbau GmbH). Er hat in seinem Berufsleben die Erfahrung gemacht, dass bei einem Schaden, zu dem man sich verantwortlich bekennt, die Aufwendungen für die Beseitigung dem entstandenen Schaden entsprechen. Bei einer Vertuschung erhöhen sich die Aufwendungen um das 10-fache, bei einer Verheimlichung können sie um das 100-fache steigen. Es gibt Untersuchungen zur Verteilung der Schadensursachen. Rizkallah/Döbbelin (TU Hannover) geben für Planung 41, für Vorerkundung 12, für Kommunikation 8, für höhere Gewalt 18 und für die Bauausführung 21 Prozent an.

Bei der Beseitigung von Schäden auf internationalen Baustellen treten immer wieder dieselben Anforderungen und ähnliche Abläufe auf. Zuerst müssen praktikable technische Lösungen erarbeitet werden. Dabei sind die örtlichen Randbedingungen zu prüfen. Sanierungen müssen oft unter Betrieb einer Anlage ohne Einschränkung ausgeführt werden. Die Einhaltung von Sicherheitsstandards ist für die erfolgreiche Ausführung der Arbeiten unabdingbar.

Vor Beginn der Maßnahmen ist eine gute Arbeitsvorbereitung und Geräteplanung wichtig. Oft gibt es vor Ort keine Ressourcen, also kommt es auf das logistische Konzept an. Eine permanente Ablaufplanung und -steuerung garantiert hohe Leistung. Dazu gehört die richtige Personalauswahl und -training. Spezialisierte Fachkräfte sind oft nicht vor Ort vorhanden.

Nur wenn das Personal zu einem Team zusammenwächst, können komplizierte Baumaßnahmen erfolgreich und wirtschaftlich durchgeführt werden. Jede Ausfallzeit kann das Ergebnis beeinträchtigen. Auf der Baustelle ist von allen Verantwortlichkeit und die Fähigkeit zu Improvisation gefragt. Die offene, konstruktive Kommunikation hat höchste Priorität. Erfahrungen aus Schadensauswertungen führen zu mehr Sicherheit und zum Innovationsschub. Nur wer die Schadensursachen erkennt, kann zukünftige Schäden vermeiden.

Alles aus Sicht eines Spezialtiefbauers

Über „Risiken bei Baugruben aus Sicht eines Spezialtiefbauers“ referierte Dr. Clemens Kummerer (Keller Grundbau GmbH). Er teilte typische Risiken und deren Auswirkungen in Kategorien ein, die oft als Kombination auftreten:

Erkundung (Boden, GW, Einbauten): geänderte Bauausführung, Leistungsstörungen und Nachträge,

Bebauung im Einflussbereich: Schäden durch Verformung, Verfahrensauswahl,

Verfahren zur Baugrubensicherung: Schäden am Baugrubenverbau, Schäden an Nachbarbebauung,

Grundwasser: Wassereintritt, hydraulischer Grundbruch,

Vertrag und Schnittstellen: Störungen bei Abwicklung, Zuordnung von Risiken.

Für den vorhandenen Boden das richtige Verfahren zu wählen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wechselnde Bodenschichten und unterschiedliches Bodengefüge müssen durch ausreichende Voruntersuchungen erfasst sein. Hier wird von Bauherren vielfach an der falschen Stelle gespart.

Probleme macht oft die Nachbarbebauung, weil geschützte Fassaden nicht beschädigt werden dürfen oder Fundamentverläufe nicht bekannt sind. Die Herstellung von Dichtsohlen, Injektionen, Schlitzwänden oder Bohrpfahlwänden erfordern qualitatives Arbeiten vor allem, wenn der Baugrubenverbau weitgehend wasserdicht sein muss. Hier sind Sanierungen immer aufwändig und meist auch kompliziert. Die Firma Keller Grundbau sammelte hier weltweit viele Erfahrungen.

Baugruben im Seeton

Baurat h.c. Dipl-Ing. Dr. Helfried Breymann war an zahlreichen Baustellen im Salzburger Becken beteiligt. Dieser Umstand zeichnet ihn für die Beurteilung von „Baugruben im Seeton aus – das bodenmechanische Modell und Regeln, die in der Praxis zu beachten sind“. Zur geotechnischen Diagnose von Seeton sind der Homogenbereich, das bodenmechanische Modell und die Interaktion des Bauwerks mit dem Untergrund erforderlich.

Zur Bestimmung der Kohäsion im Seeton reicht der Reibungswinkel nicht aus. Der Seeton kann im Zustand fest, halbfest, plastisch und flüssig auftreten. Je nach Wassergehalt ist er im plastischen Bereich steif, weich oder flüssig. Bezüglich der Schwinggeschwindigkeit gibt es Bereiche ähnlicher dynamischer Eigenschaften, genauso wie Bereiche ähnlicher geologischer und bodenmechanischer Eigenschaften. Die Geologie der sedimentären Anlandungen können fein- oder grobkörnig sein und brüchig oder im konsolidierten Zustand auftreten. Das hydraulisch-dynamische Verhalten von Seeton verlangt immer vorm Aushub eine voreilende Vakuumentspannung des Wasserdrucks.

Bei der Interaktion des Bauwerks und des Untergrundes im Seeton muss die Statik und die Dimensionierung der Bauteile, also die Verträglichkeit der Bauwerksverformung mit der Bodenverformung korres-pondieren. Ist der Boden weich, muss das Bauwerk steif sein und umgekehrt. Bodenentlastung führt zu Hebungen und damit zu Verformungen neben der Baugrube.

Wenn man große Verformungen minimieren möchte, sind vorauseilende Ringaussteifungen der Baugrube erforderlich. Bei der Wasserhaltung sind Ringleitungen zur Begrenzung der Wasserspiegelhöhe angeraten. Sinnvoll ist außerdem eine Kernbauweise mit Stützbermen, wobei zuerst der Kern ausgehoben wird und dann abschnittsweise die Stützberme. Diese zusätzlichen Leistungen bei Baugruben im Seeton müssen kalkuliert werden. Ebenso sind Baugeräteführer erforderlich, die ihre Maschinen gefühlvoll handhaben können, weil sich der Boden durch dynamische Einwirkungen sehr schnell verflüssigen kann.

Bauakademie Oberösterreich

www.bauakademie.at

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