DEUTSCHER AUSLANDSBAU HÄLT SICH

Turbulenzen nicht ausgeschlossen

Den deutschen Bauunternehmen ist es gelungen, ihre Spitzenposition auf den unruhigen Weltmärkten zu halten. Allerdings liegen Chancen und Risiken oft nah beieinander. Politisch und wirtschaftlich instabile Länder werden zunehmend gemieden. Verschiedene Unternehmenskulturen können das Geschäft verderben.

Ein in deutschen Diensten stehender Holländer schilderte dem Autor dieser Zeilen in Doha (Katar) ein kleines Missgeschick mit einem arabischen Mitarbeiter. Er fragte ihn, ob ein Projekt bis zu einem gewissen Zeitpunkt fertig sein könnte. Der Araber antwortete mit Ja. Ein paar Monate später musste der Holländer allerdings feststellen, dass die Arbeiten kaum vorangekommen waren. Der Araber hatte aus Höflichkeit nicht zu sagen gewagt, dass die Fertigstellung viel länger dauern würde. Ein Nordeuropäer hätte sofort Klartext geredet. Viele Ingenieure, die lange im Ausland tätig waren, beklagten sich zu Recht, dass man hierfür in der europäischen Zentrale zuwenig Flexibilität und Weitsicht zeige.

Neben den Franzosen führend

Trotz dieser Mentalitätsunterschiede und schwierigen weltwirtschaftlichen Bedingungen gelang es der deutschen Bauindustrie, ihre international führende Stellung zu halten. Laut Hauptverband der Bauindustrie nimmt sie mit einer Bauleistung von 30 Milliarden Euro neben der französischen Bauwirtschaft weltweit den ersten Platz ein. Hochtief, Bilfinger, Strabag Köln, Züblin konkurrieren mit den Franzosen Vinci, Bouygues, Eiffage, Colas. Prof. Thomas Bauer, Präsident des Hauptverbands, ist für die Weltmärkte weiter optimistisch. Auf der bauma in München erwartete er „vor dem Hintergrund einer günstigen Prognose der Wirtschaftsinstitute für die Weltkonjunktur im laufenden Jahr sowie für 2014 einen weiteren Anstieg des Auslandsbaugeschäfts“. Er machte zwei Schwerpunkte aus. Erstens gebe es im Bereich der Infrastruktur, insbesondere der Verkehrsinfrastruktur, „gute Marktchancen und einen hohen Nachholbedarf“ in den Industrieländern. Besonders die USA hätten in den letzten Jahrzehnten ihr Straßen- und Schienennetz „vernachlässigt“ und müssten investieren, „um international wettbewerbsfähig zu bleiben“. Auch in Osteuropa, vor allem in Russland und Polen, müsse die Infrastruktur weiter ertüchtigt werden. Allerdings seien die politischen Umstände in diesen Ländern schwierig und Investments deshalb nicht einfach. Auf Russland kommen wir noch mal zurück. Der zweite Schwerpunkt betrifft laut Prof. Bauer in den Schwellenländern, neben dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, auch die „Schaffung von innerstädtischem Wohnraum“. In Indien, China, Indonesien beschleunigt sich die Landflucht. Die Städter verlangten nach höheren Standards bei der Frischwasserzufuhr und Kanalisation, sowie einem verbesserten Klima- und Umweltschutz. Deutsche Baufirmen, führte er an, verfügten hier über das entsprechende technische Know-how.

China und Russland wenig einladend

In vielen Ländern der Dritten Welt schaffen westliche Baufirmen den Marktzugang allerdings nicht. Die lokale Bürokratie ist abschreckend. Bauer kritisiert vor allem China, das seinen Baumarkt für Ausländer „quasi geschlossen habe“. Trotzdem haben die Chinesen die Chuzpe, die europäischen Märkte ins Visier zu nehmen. Kürzlich ist eine chinesische Baugruppe daran gescheitert, ein Straßenbauprojekt in Polen zu übernehmen. Aber ein anderes Mal könnte es gelingen. Das Reich von Wladimir Putin ist ebenfalls schwer zugänglich. „Das Geschäft in Russland ist viel, viel schwieriger, als wir es eingeschätzt haben“, klagt der scheidende Chef der Strabag SE in Wien, Hans Peter Haselsteiner. Die SE, die Hauptaktionärin der Strabag AG in Köln und von Züblin in Stuttgart ist, hatte vor Jahren mit großem Trara Riesengeschäfte mit Moskau angekündigt. Strabag wollte eigentlich mit Russland und den Nachbarländern vier Milliarden Euro Umsatz tätigen, heraus kam eine Bauleistung von zuletzt einer halben Milliarde. „Dass alles so wahnsinnig lange dauert, ist eine große persönliche Enttäuschung“, sagte er. Jetzt wo er geht, nimmt er sich die Russen vor.

Sichere Häfen bevorzugen

Firmen wie Züblin haben sich bereits vor geraumer Zeit aus politisch untransparenten Ländern zurückgezogen. Es gab z.B. Abrechnungsprobleme mit dem Bau der Uni Beirut im Libanon und eines Damms in Pakistan. Danach konzentrierte Züblin sein Auslandsgeschäft auf sichere und solvente Länder wie Chile (Bergbau) und die Golfstaaten. Es gibt aber auch ein deutsches Unternehmen, das große Bauaktivitäten im Ausland aufgegeben hat: so veräußerte Bilfinger, der sich zunehmend auf Industriedienstleistungen im In- und Ausland spezialisiert, das gut gehende Baugeschäft in Australien und den USA. Kürzlich kündigten die Mannheimer logischerweise auch den Verkauf des Konzessionsgeschäfts an, das vor allem Bauprojekte im Ausland finanziert. Es gibt für die Bauunternehmen keine einheitliche Auslandsstrategie, das ist selbstredend. Vorsicht ist geboten. Aber man sollte auch nicht als letzter in einen vielversprechenden Markt gehen.

Autor: Marcel Linden, Bonn
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