Rigole für Industrie und Innenstadt

Auch bei Platzmangel: Regenwasser-Retention ist Pflicht

Der in Zukunft wohl bedeutendste Baustein zur Regenwasserbewirtschaftung in Siedlungsgebieten, in dicht bebauten Industrieregionen und in neu zu erschließenden Ballungsräumen ist die Retention des Niederschlagswassers.

Sammeln und Zurückhalten (lat. retinere) ermöglicht mehrere dezentrale Bewirtschaftungsmethoden, die gemäß technischem Regelwerk DWA-A 102/BWK-A 3, vgl. Lit. (2), mit hoher Wahrscheinlichkeit ab 2019 in Deutschland Voraussetzung für Baugenehmigungen sein werden: Die verzögerte Ableitung, die Versickerung und zunehmend auch die Verdunstung. Neu ist dann, dass alle drei Versionen zugleich realisiert sein müssen, und zwar in dem Verhältnis der lokalen Wasserbilanz, das vor der Bebauung im ungestörten Zustand vor Ort gegeben war. Erforderlich ist in jedem Fall eine Speicher- bzw. Retentionsanlage, in der das Wasser zur weiteren Bewirtschaftung bereitgehalten wird – allerdings soweit gereinigt, dass es in Grund- und Oberflächengewässer eingeleitet werden darf. Zur Nachverdichtung in Industrie und Innenstadt brauchen wir hierfür Lösungen, die ohne Bedarf an Oberfläche auskommen und den Niederschlag in die Trennkanalisation oder ggfls. mit Ausnahmegenehmigung in den Mischkanal einleiten – wie im nachfolgend beschriebenen Beispiel.

 

Retention im Tunnel

Gefragt sind also unterirdische Speicherräume, um die immer kostbarer werdenden urbanen Geländeflächen für andere Zwecke freizuhalten. Dennoch sollen die Speicher belastbar sein, denn der Platz darüber wird erfahrungsgemäß für Verkehrsflächen genutzt, in der Industrie auch als Materiallager. Tiefbau-Unternehmen haben bei derartigen Anforderungen traditionell Rigolen (der Begriff stammt laut Duden aus dem niederländischen und französischen) mit Grobkies oder Schotter gebaut und dabei Material einer einzigen Sieblinien-Fraktion ohne Feinanteile verwendet. So konnten die Zwischenräume der Steine Wasser aufnehmen. Allseitig war ein wasserdurchlässiges Geotextil erforderlich, damit in die Hohlräume von außen nicht Erde oder Sand eingeschwemmt wurde. Doch diese Bauweise hat Nachteile: Nur ca. 30 % des Rigolenvolumens sind Hohlräume. Außerdem belasten Gewinnung und Transport des mineralischen Materials die Umwelt mehr als die heute übliche Lösung:

In modularer Bauweise werden statisch ideale Kunststoffelemente mit mehr als 90 % Hohlraum zusammengefügt und nach außen durch ein Geotextil geschützt. Das Rigolenvolumen und damit der Aushub beträgt nur noch ein Drittel. Diese Module sind umso beliebter, je weniger tief sie eingebaut, je leichter sie zu handhaben und je kompakter sie zu transportieren sind. Im Wettbewerb stehen Blockrigolen aus kubischen Elementen – übergroßen Bierkästen gleich, deren Hersteller sich leicht anhand der Materialfarbe ermitteln lässt – und ein gelbes Tunnelsystem.

 

Ableitung mit Drossel

Überlastete Kanalnetze führen dazu, dass beim Nachverdichten in Bestandsgebieten Baugenehmigungen die Auflage zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung erhalten. Wenn aber die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Versickerung aus geologischen Gründen nicht möglich oder wegen Altlasten im Untergrund nicht zulässig ist, bleibt nur der Kanalanschluss – wie im vorliegenden Fall in einem hoch verdichteten innerstädtischen Industriegebiet eines Stuttgarter Sportwagenherstellers – mit gedrosselter Ableitung.

Die Stadtentwässerung Stuttgart hat die Regenwasser­einleitung bei diesem Objekt auf den Maximalwert von 37,7 Liter pro Sekunde beschränkt. Marian Dürrschnabel, Teamleiter des Produktmanagements beim Rigolen-Hersteller Birco GmbH, entschied sich für eine statische Drossel mit Lochblende: „Diese reguliert zuverlässig den Ablauf des zurück gehaltenen Regenwassers. Wir haben sie leicht zugänglich für die Inspektion in einem separaten Birco-Systemschacht untergebracht.“

 

Stauraumdimensionierung im Nachweisverfahren

Die Stadtentwässerung will bei Niederschlag keine größeren Volumenströme im Mischkanal haben als zuvor. So musste auf dem Gelände des expandierenden Betriebes ein Stauraum her, aus dem Regenwasser automatisch und zeitverzögert erst dann eingeleitet wird, wenn die Kläranlage den ersten Schwall aus der Umgebung bereits verarbeitet hat. Im Interesse der Bauherrschaft sollten weder Geländefläche noch umbauter Raum dazu ge­opfert werden. Die Planer für Technische Gebäudeausrüstung der Deerns Deutschland GmbH haben sich dieser Herausforderung angenommen.

Zur Dimensionierung des erforderlichen Stauraums gilt das Arbeitsblatt DWA-A 117. Wo früher noch das einfache Verfahren angewandt wurde, bedient man sich heute der inzwischen detaillierteren Niederschlagsdaten und schafft mit Hilfe deutlich verbesserter Rechnerkapazitäten Ergebnisse nach dem so genannten Nachweisverfahren. Der Planungsaufwand hierzu ist deutlich höher, aber gerechtfertigt, da für den Betreiber das Risiko unkalkulierbarer Schäden infolge Unterbemessung ebenso reduziert wird wie kostspielige Überbemessungen.

 

Schwerlast oben, Grundwasser unten

Der Auftrag an den Generalunternehmer Moser GmbH & Co. KG enthielt unter anderem den Bau eines unterirdischen Rückhalteraumes von 75 m³ Volumen mit Abflussdrossel inklusive Anschluss der Regenentwässerung eines neuen Gebäudes und des asphaltierten Innenhofs (der für Lieferverkehr sowie als PKW-Parkplatz genutzt wird). „Gefordert war eine Rigole in flacher Bauweise wegen des hohen Grundwasserstandes. Zugleich sollte darüber, und das bei nur wenig Überdeckung, Schwerlastverkehr möglich sein“, erinnert sich Andreas Olmosi, Projektleiter beim Bauunternehmer Moser. „Da gibt es kaum Alternativen, wenn die Bauherrschaft wie hier auch noch zusätzlich die Möglichkeiten einer Kamera-Inspektion und einer leichten Zugänglichkeit für Wartung wünscht“.

Bei nur 405 mm Scheitelhöhe werden immerhin 880 Liter Speichervolumen pro Tunnelelement erreicht. Ein Element ist an der Basis 2300 mm lang und 865 mm breit. Überdeckt wird es beispielsweise mit Schotter der Körnung 16 – 32 mm. Das durch das DIBt in Berlin zugelassene Rigolen-Produkt Nr. Z-42.1-525 ermöglicht dauerhaften Schwerlastverkehr SLW 60 bei einer Mindestüberdeckung von nur 1,00 m. Für Transport und Lagerung sind die Einzelteile kompakt. Auf eine Palette passen 40 Tunnelelemente SC-310 mit einem Speichervolumen von 36 m³. Das geringe Gewicht von 17,5 kg pro Element und die kraftschlüssige Steckverbindung machen das Verlegen und Verbinden der Tunnel durch lediglich eine Person möglich. Für Großprojekte können so innerhalb kurzer Zeit selbst große Rigolen wirtschaftlich installiert werden.

 

Abdichtung nach allen Seiten

Zunächst muss man wissen, dass Birco Rigolentunnel von StormTech auch für die Regenwasserbehandlung mit anschließender Versickerung konzipiert wurden. Aus diesem Grund wird die Anlage mit einem Schutzvlies umhüllt, welches das Eindringen von Erde und Sand von außen verhindert, Wasser jedoch von innen her allseitig gut austreten lässt. Als Stauraum mit verzögerter Ableitung zur Kanalisation funktioniert die Rigole allerdings nur dank einer dauerhaften, verschweißten Abdichtung. Hier wurde eine glatte schwarze Folie aus PE HD mit 2,0 mm Dicke und DIBT-Zulassung verbaut. „Sie ist wurzelfest, beständig gegen Nagetiere und wird vor allem bei Lagerhallen, Gefahrgutlager sowie im Straßen- und im Deponiebau eingesetzt. Als Schutzlage haben wir ein Multicolor-Faservlies mit 400 g Flächengewicht verwendet“, sagt Frank Müller. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der F+T Müller GmbH. Sein Betrieb erfüllt die Qualitätsziele der Überwachungsordnung des Arbeitskreises Grundwasserschutz e.V.

 

Zusammenfassung

Regenwasserbewirtschaftung ist objektspezifisch. Auch in Innenstädten und Industriegebieten geht es darum, Niederschläge möglichst umweltverträglich dem natürlichen Wasserkreislauf zur Verfügung zu stellen. In vielen Fällen profitiert das Stadt- und Gebäudeklima, die Kanalisation wird entlastet. Wassergesetze, Verordnungen und kommunale Satzungen sind ebenso darauf ausgelegt wie die Regeln der Technik. Dennoch wird in Einzelfällen, vor allem bei nachträglicher Verdichtung im Bestand von Siedlungs- und Gewerbegebieten, ein Kanalanschluss für die Regenableitung erforderlich sein und auch genehmigt werden – allerdings mit vorgeschalteter Rigole als Puffervolumen und mit gedrosselter Ableitung. Bei unterirdischer Ausführung müssen Bauweise und Material dauerhaft beständig und statisch ausreichend belastbar sein. Systeme, bei denen Schächte, Hohlkörper, Leitungen und Drosselorgan ebenso wie Schutz- und Dichtungsfolien als Einheit angeboten werden, gehört die Zukunft – zumal, wenn sie sich schnell und unkompliziert verarbeiten lassen, mit einer geringen Bauhöhe auskommen sowie für Inspektion und Wartung vollständig und leicht zugänglich sind.

Birco GmbH

www.birco.de

PROJEKTDETAILS


Planung: Deerns Deutschland GmbH,

Niederlassung Stuttgart
Herstellung/Lieferung: Birco GmbH, Baden-Baden
Ausführung: Moser GmbH & Co. KG, Niederlassung Stuttgart
Abdichtung: F+T Müller GmbH, Ipsheim
Fertigstellung: September 2017
 
Komponenten Retentions-Rigole                                                                                                                          
Retentions-Rigole 75 m³:

Birco Rigolentunnel von StormTech SC-310 in
7 Reihen, davon 4 Reihen als Sedimentationstunnel mit Zulauf DN 315
1 Drosselschacht DN 1200 als Birco-Systemschacht mit Ablauf DN 250, max. Drosselabfluss 37,7 l/s
4 Kontrollschächte DN 1000 als Birco-Systemschächte
8 Punkteinläufe 40 x 40 cm als Entlüftungsleitung mit zusätzlicher Entwässerungsfunktion, Typ Birco sir, Klasse E 600 mit Gussabdeckung
1 Drainageleitung umlaufend DN 110
Dichtungsbahn PE HD 2,0 mm schwarz mit DIBT-Zulassung
Schutzlage Multicolor Faservlies mit 400 g Flächengewicht

Literatur

(1) DWA-A 117. Bemessung von Regenrückhalteräumen
(Dezember 2013). DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirt-
schaft, Abwasser und Abfall e.V., Hennef. Korrigierter Stand: Februar 2014.
(2) Entwurf Arbeitsblatt DWA-A 102/ BWK-A 3. Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer. DWA Deutsche Vereini-
gung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Hennef. In Zusammenarbeit mit BWK Bund der Ingenieure für
Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau, Düsseldorf.
Oktober 2016.
(3) Umwelt – Behandeln, Rückhalten und Versickern. Intelligentes
Regenwassermanagement. Hrsg.: Birco, Baden-Baden,
Juni 2016.

Regenrückhalteräume und Starkregenereignisse

Das Arbeitsblatt DWA-A 117, vgl. Lit. (1), ist im Bereich der gesamten Abwasserableitung zwischen der Grundstücksentwässerung und dem Gewässer anwendbar. Es regelt die Bemessung und den Nachweis von Regenrückhalteräumen. Gründe für die Anordnung von Regenrückhalteräumen sind z. B. die Begrenzung von Gebietsabflüssen, Kosteneinsparungen beim Bau von Entwässerungssystemen, der Anschluss von Neubaugebieten an ausgelastete Entwässerungssysteme oder die Sanierung überlasteter Kanalnetze. Angesichts der Investitionen, die für den Bau von Abflusssystemen und Rückhalteräumen erforderlich sind, kommt einer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Konzeption und Bemessung von Rückhalteräumen große Bedeutung zu.

Einflüsse auf das Bemessungsergebnis könnten sich aus möglichen Auswirkungen des Klimawandels ergeben. Die heute vorliegenden Niederschlagsprojektionen weisen eine sehr große Variabilität auf. Für die Bemessung von Rückhalteräumen ist dabei insbesondere die Zunahme von lokalen Starkregenereignissen von Bedeutung, die zu einer Erhöhung der erforderlichen Rückhaltevolumina führen könnten. Aufgrund der großen regionalen Variabilität und der großen Unsicherheiten der prognostizierten Niederschlagsentwicklung wird jedoch von einem Klimawandelzuschlag im Bemessungsgang abgeraten. Vielmehr sind bei der Planung – auch im Hinblick auf die Ziele einer integralen Siedlungsentwässerung – Möglichkeiten zur späteren Erweiterbarkeit des Rückhalteraums und zur Verringerung des Niederschlagswasseranfalls zu berücksichtigen. Eine detaillierte Darstellung der möglichen Auswirkungen ist auch im DWA-Themenband „Klimawandel – Herausforderungen und Lösungsansätze für die deutsche Wasserwirtschaft“ (DWA 2010) enthalten. Das Arbeitsblatt richtet sich insbesondere an planende Ingenieure, Aufsichtsbehörden und Kommunen.
Quelle: http://www.dwa.de/dwa/shop/

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