Kompetenz ist keine Frage des Geschlechts

Potentiale von Frauen in der Bauwirtschaft besser nutzen

Frauen haben auf der Baustelle nichts zu suchen? Das RKW Kompetenzzentrum hat im Projekt „Frauen in der Bauwirtschaft“ feststellen können: Frauen stärken den Bau!

Die Erfahrungen von Frauen, Personalleitern und -beratern berichten davon und zeigen, dass die Verantwortlichen nur einmal über den berühmten „Tellerrand“ zu schauen brauchen, um Frauen als potentielle Mitarbeiter in Betracht zu ziehen. Denn auch hier zählen letztlich Talent und Interesse und nicht das Geschlecht. Aus der Perspektive der Frauen hat sich mittlerweile bewiesen, dass sich attraktive Arbeitgeber und Aufgaben auch in der Baubranche finden. Sie entspricht längst nicht mehr den alten Klischees, sondern ist modern, hoch technisiert, kreativ und
innovativ.

Hohe Nachfrage bei Fachkräften

Die Nachfrage nach Bauleistungen steigt: niedrige Zinsen haben einen Boom im Wohnungsbau ausgelöst und zusätzliche staatliche Mittel befeuern den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, brauchen die Bauunternehmen Fachkräfte und planen weiterhin mehr Einstellungen. Allerdings beklagen sie immer häufiger, dass die Besetzung der offenen Stellen im Durchschnitt wesentlich länger dauert als noch vor ein paar Jahren oder gar keine Nachwuchs- und Fachkräfte mehr zu finden seien. Der Fachkräftemangel ist zu einem der größten Geschäftsrisiken für die Unternehmen in der Baubranche geworden. Und spätestens jetzt sollten Überlegungen darüber angestellt werden, welches Poten-zial in der Beschäftigung von Frauen liegt. Während in anderen Ländern „Frauen am Bau“ völlig normal sind, werden in Deutschland die Möglichkeiten und Chancen der Beschäftigung von Frauen in der Branche noch viel zu selten erkannt. Andererseits fehlt es aber auch potenziellen weiblichen Bewerbern an Informationen über Karrieremöglichkeiten in Bauunternehmen und den Kenntnissen über die achtzehn Ausbildungsberufe im Bauhauptgewerbe. Denn auch die Berufsberatung vernachlässigt Bauberufe für Mädchen offenbar.

Mehr Informationen für beide Seiten

Ziel des Projektes „Frauen in der Bauwirtschaft“ ist es einerseits, Bauunternehmen die Vorteile deutlich zu machen, die die Beschäftigung von Frauen mit sich bringt. Gleichzeitig sollen auch verstärkt junge Frauen für die Baubranche begeistert und über mögliche Berufe und Karrieremöglichkeiten informiert werden. Wichtige Themen für ein besseres Branchenimage sind beispielsweise Angebote zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und die Arbeit in gemischten Teams. Arbeitsschutz und technische Lösungen für belastungsärmere Arbeitsplätze spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Gewinnung von Frauen für die Bauwirtschaft. Aber auch neue, innovative Ansätze in den Unternehmen, unter anderem durch die fortschreitende Digitalisierung, können mehr hochqualifizierte Frauen ansprechen.

Potentiale nutzen

Grundsätzlich hat das RKW Kompetenzzentrum im Projektverlauf festgestellt, dass sich etwas in den Köpfen der Entscheider ändern muss. Es muss sich das Bewusstsein entwickeln, dass Frauen zwar anders „ticken“, dies aber durchaus ein Gewinn für das Unternehmen sein kann. Voraussetzung ist vor allem, dass die Unternehmensleitung hinter der Entscheidung steht, (mehr) Frauen zu beschäftigen und die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft. Diese sind im Übrigen gar nicht so umfangreich, wie so mancher vermuten mag.

Die vor kurzem veröffentlichte Handlungsempfehlung „Potentiale von Frauen für die Bauwirtschaft besser erschließen und nutzen“, stellt Frauen in Bauberufen und auf verschiedenen Karrierestufen vor. Sie berichten über ihre beruflichen Erfahrungen in der Baubranche, und wie erfolgreich sie dabei heute schon sind. Denn für die Tätigkeiten in der Branche sollte nicht das Geschlecht als Auswahlkriterium herangezogen werden, sondern vielmehr das Interesse und Talent.

Personalleiter und –berater berichten in der Handlungsempfehlung, dass einige Bauunternehmen bereits die Zeichen der Zeit erkannt haben und verstärkt in Weiterbildungen investieren, um die digitale Kompetenz aller Mitarbeiter zu erhöhen, aber auch um hochqualifizierte Frauen zu erreichen. Andere Baumittelständler setzen im überhitzten Arbeitsmarkt bewusst darauf, dass sie ihren Beschäftigten eine bessere Work-Life-Balance bieten und zum Beispiel mobiles Arbeiten ermöglichen. Dadurch schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie erreichen mehr Frauen und erhöhen ihre Attraktivität für alle Beschäftigten, die dann dem Unternehmen länger treu bleiben.

Flexible Modelle benötigt

Dennoch: Auf die Frage nach Teilzeitarbeitsplätzen, Home-Office-Angeboten oder anderen Flexibilisierungsmöglichkeiten in Bauunternehmen erntet man allerdings meist noch ein müdes Lächeln. Und betriebliche Kinderbetreuungsangebote sind extrem selten. Das kann und sollte so nicht bleiben. Telearbeit ist in vielen Bereichen möglich. Auch Betreuungsangebote lassen sich leichter einführen, als viele Unternehmen vielleicht denken.

Eine Möglichkeit sind „Kita-Allianzen“. Das sind gemeinsame Kinderbetreuungsangebote, für die sich mehrere Mittelständler im näheren Umkreis zusammenschließen. Und Weiterbildung und Karriereentwicklung ist keine Frage des Geschlechts: Um Kompetenz im eigenen Unternehmen aufzubauen, bieten sich geschlechtsübergreifende Coaching- und/oder Mentoren-Programme und –Angebote an. Damit könnten Baumittelständler fern von monetären Anreizen bei Ihren (potentiellen) Fachkräften punkten. Weitere wichtige Punkte sind Offenheit sowie eine familiäre Unternehmenskultur, wie zum Beispiel durch flexible Arbeitszeiten.

Zur derzeitigen Situation

Zusammenfassend stellt das RKW Kompetenzzentrum fest: Die Erfahrungen, die im Projektverlauf gesammelt wurden, zeigen, dass die Beschäftigung von Frauen viele positive Aspekte mit sich bringt. Diese Chancen sollten Bauunternehmen sich auf keinen Fall entgehen lassen.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Frauen sind ein zentraler Wettbewerbsfaktor für die Zukunft. Das große Potential an gut qualifizierten Frauen schließt den Personalengpass und das Unternehmen kann sich so von seinen Konkurrenten abheben.

Generell zeigt sich, dass Gender Diversity zu einer modernen Unternehmenskultur gehört und auch in Bauunternehmen
gewinnbringend wirkt.

Im Besonderen bringen Frauen mehr Meinungsvielfalt ins
Unternehmen.

Durch mehr Frauen erzielen Unternehmen eine höhere Wirkung nach außen, letztlich gehört dazu auch eine Gewinnung von (mehr) weiblichen Kunden.

Die Role Model-Strategie verfolgen heißt: Weibliche Vorbilder sollten im Unternehmen sichtbar sein. Weibliche Talente sollten Unternehmen deshlab zunächst im eigenen Betrieb suchen und dann im Rahmen einer Personalentwicklungsstrategie
fördern.

Die oben beschriebenen Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Privatem und Beruf sollten geschaffen werden, um das Arbeitgeberimage zu erhöhen und die Bindung der Mitarbeiter-innen (und Mitarbeiter) an das Unternehmen zu verbessern.

RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum
der Deutschen Wirtschaft e. V.

www.rkw-kompetenzzentrum.de

projekt „Frauen in der Bauwirtschaft“

Mehr Informationen sind auf www.frauenambau.de zu finden oder in der Handlungsempfehlung, die per E-Mail an oder unter
www.rkw.link/leitfadenfrauenambau bestellt werden kann. Am 19. Oktober 2017 präsentiert das RKW Kompetenzzentrum die Ergebnisse im Rahmen eines Diskussionsforums in Wiesbaden. Hier geht es zur Online-Anmeldung:
www.rkw.link/mehrfrauenambau

Kontakt: Tanja Leis, RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum Düsseldorfer Str. 40 A, 65760 Eschborn

Tel. (06196) 495-3525,

www.rkw.link/rgbau

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