Teil 1: Infrastruktursystem und technischer Wandel

Hydraulische Eigenschaften von spiralgeschweißten Stahlrohren

Teil 1: Infrastruktursystem und technischer Wandel

Spiralgeschweißte Stahlrohre mit doppelseitiger Kunststoffbeschichtung für die Wasserversorgung verbinden die Vorteile aus zwei unterschiedlichen Materialwelten, um die Effizienz des Gesamtsystems zu steigern.

Infrastruktursystem
Wasserversorgung

Die anthropogene Entwicklung in Städten und Staaten ist grundlegend mit dem Fortschritt von infrastrukturellen Einrichtungen verbunden. Dabei erfüllt die flächendeckende Wasserversorgung eines der physiologischen Bedürfnisse nach Maslow (1943) und ist letztendlich eine grundlegende Voraussetzung für sozial, kulturell und technologisch hochentwickelte Volkswirtschaften. Eine Wasserversorgung, die jederzeit eine ausreichende Menge mit dem notwendigen Druck und der erforderlichen Qualität an Trinkwasser zur Verfügung stellt, ist ohne geeignete Rohrleitungssysteme nicht vorstellbar. Vor über 5.000 Jahren wurden die ersten Rohrleitungen aus Ton (Kottmann, 1999) in der Stadt Habuba Kabira im Euphratgebiet hergestellt und betrieben, wobei in den nachfolgenden Jahrhunderten besonders die römischen Ingenieure die Rohrleitungstechnik durch unterschiedliche Herstellungsverfahren sowohl im Material, in der Form als auch in der Verbindungstechnik beeinflussten.

Die heutigen Rohrleitungssysteme werden nach den zu transportierenden Medien und den Betriebsbedingungen so geplant und hergestellt, dass sie eine optimale Betriebssicherheit bei größtmöglicher Wirtschaftlichkeit gewährleisten (Abb. 2). Aufgrund der Energiepreisentwicklung rückt in den letzten Jahren insbesondere eine weiter zu verbessernde Wirtschaftlichkeit in den Fokus der Wasserversorgungsunternehmen. Die Wirtschaftlichkeit kann durch neue Material- und Fertigungsmethoden verbessert werden, bei denen aus hydraulischer Sicht geringere Druckverluste realisiert werden können. Dadurch können in einem Versorgungsgebiet beispielsweise zusätzliche Druckhöhen generiert werden, die mittels Rohrturbinen als elektrische Energie nutzbar gemacht werden können oder sich bei pumpenbasierter Versorgung in niedrigeren Energiekosten widerspiegeln.

 

Einflussgrößen auf die Wasserverteilung

Innerhalb Deutschlands besteht in der Wasserversorgung ein Verbund- und Ausgleichssystem mit einer Versorgungslänge von etwa 560.000 km, wobei 53 % der Rohrleitungen aus metallischen (Gusseisen, Stahl) sowie 39 % aus organischen Werkstoffen (PE, PVC) bestehen (Dietzsch und Walther, 2014). Je nach Leitungstyp variiert die Fließgeschwindigkeit in den Rohrleitungen bis zu 3 m/s (siehe Tab. 1), so dass ein hoher Energieeintrag für den Transport des Trinkwassers notwendig ist.

Die Höhe der notwendigen Energie wird zusätzlich von den technischen Ausführungen der Rohre und somit beispielsweise von deren Material, Herstellungsart, Verbindungssystemen und Korrosionsschutzmaßnahmen sowie vom Vermaschungsgrad des Netzes, den erforderlichen Druckzonen und Regelorganen bestimmt. Durch den jahrzehntelangen Betrieb werden in vielen Fällen besonders die inneren, aber auch die äußeren Oberflächen der Rohrleitungssysteme verändert, so dass die Energieanteile für den Transport des Trinkwassers steigen und die mechanischen Festigkeiten der Rohrstränge abnehmen.

Die Materialeigenschaften und die Herstellungsart haben einen wesentlichen Einfluss auf die strömungstechnischen Kenngrößen, deren Höhe durch die betrieblichen Randbedingungen und die technischen Rauigkeiten beeinflusst werden. Im Bereich der Festigkeit von Rohrleitungen ist die Schadensrate eine
wesentliche Kenngröße, die im Mittel für die nationalen Versorgungsleitungen bei 0,09 Schäden pro Kilometer Leitungslänge liegt (Dietzsch und Walther, 2014). Für einen konstanten Bezugszeitraum von 50 Jahren wird in der Schadensstatistik von 2003 die besondere Bedeutung der metallischen Werkstoffe in der Wasserversorgungsinfrastruktur deutlich (Kocks und Voss, 2010).

Anforderungen an zukünftige Trinkwasserverteilungssysteme

Die Anforderungen an zukünftige Trinkwasserversorgungsnetze werden durch die Veränderungen im Verbrauchsverhalten steigen. Diese Veränderungen können auf 5 Punkte zurückgeführt werden (Abb. 1), die interaktiv und zum Teil selbstverstärkend wirken. Der klimatische Wandel führt im Mittel zu einer Zunahme der Hitzetage, besonders in unseren Metropolregionen und Großstädten, wodurch die Belastungen, die zusätzlich aufgrund des Struktur- und demographischen Wandels forciert werden, auf die Trinkwasserversorgung zunehmen. Dieser Wandel führt zu steigenden Spitzenverbrauchswerten an Trinkwasser, die über das Versorgungssystem bereitgestellt werden müssen. Hinzu kommt, dass durch den Strukturwandel in unseren Kommunen große Teile der Infrastruktur nur einer geringen Nutzung unterliegen, welches zu einer nachteiligen Beeinflussung der Trinkwasserqualität führen kann. Der lokale Wandel durch Zuzug aus ländlichen Regionen oder aus Regionen mit geringer empfundener Lebensqualität wird die Wasserversorgungsinfrastruktur weiter be- bzw. überlasten. Einzig durch den technischen Wandel der Infrastruktursysteme kann eine Anpassung erzielt werden, wobei hierfür eine weitergehende Überwachung der hydraulischen und Qualitätsparameter sowie gleichzeitig eine optimierte Vernetzungs- und Materialstruktur für die Rohrleitungssysteme umgesetzt werden muss. Die nachträgliche Anpassung von chemischen Parametern bzw. Deckschichten während der Wasserverteilung ist häufig nicht mehr notwendig, so dass beispielsweise die Rohrinnenwand mit „lebensmittelechten“ Kunststoffen gegen Korrosion und Ablagerungen zur dauerhaften Erhaltung der hydraulischen Leistungsfähigkeit ausgestattet werden kann.

 

Spiralgeschweißte Stahlrohre

Spiralgeschweißte Stahlrohre mit doppelseitiger Kunststoffbeschichtung (Abb. 4) können die Vorteile aus zwei unterschiedlichen Materialwelten verbinden, da sie hohen mechanischen Belastungen aufgrund des hochfesten Grundmaterials standhalten, bei einem gleichzeitig niedrigen Eigengewicht durch optimierte Wanddicken, und günstige hydraulische Eigenschaften infolge ihrer Kunststoffinnenbeschichtung besitzen. Sachgerecht eingebaute spiralgeschweißte Stahlrohre bieten weiterhin durch den vollständigen Kunststoffüberzug einen hohen Korrosions- und Inkrustationsschutz sowie eine gute Aktivierung des Erdwiderstands über raue Außenbeschichtungen. 

Die Rohre des untersuchten Typs sind an unterschiedliche Verbindungssysteme anpassbar, wobei sie in der Standardausführung durch ein Nut-Schnellverschluss-System verbunden werden. Die variablen Anbindungsmöglichkeiten des Systems und das geringe Eigenrohrgewicht stellen günstige Voraussetzungen für den Austausch von sanierungsbedürftigen Rohrstrecken durch ein spiralgeschweißtes Stahlrohr dar.

Die Instandhaltung und Sanierung des Rohrleitungsnetzes in Deutschland für die Trinkwasserversorgung hat 2012 einen Investitionsaufwand von 1.556,1 Mio. € erfor­dert (Lauruschkus et. al., 2015). In vielen Sanierungsfällen kann der mone­täre Auf­wand durch hydraulisch günstigere Rohrleitungen minimiert und die hohe Trinkwasserqualität durch geringere Stagnationszeiten gewährleistet werden.

Prof. Dr.-Ing. Frank R. Kolb

Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

LG Wassertechnologie,

Ingenieurbüro Dr. Kolb,

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