GRUNDSTÜCKSENTWÄSSERUNG

Gezielte Handlungs­strategien aus Lünen

Nach Einschätzung des Expertenkreises GEA kommen enorme Aufgaben auf die Kommunen zu, die zielgerichtet umzusetzen sind. Hier ist das Umsetzungskonzept der Stadt Lünen vor dem Hintergrund der neuen Selbstüberwachungsverordnung Abwasser (SüwVO Abwasser NRW) beispielhaft.

Aus der neuen Gesetzes- und Verordnungslage in NRW zur Überprüfung der Zustands- und Funktionsfähigkeit privater Abwasserleitungen haben sich neue Anforderungen ergeben. Danach sind Abwasserleitungen industriell und gewerblich genutzter Grundstücke in Wasserschutzgebieten bis zum 31. Dezember 2015 erstmalig auf Zustand und Funktion zu prüfen, soweit die Leitungen vor 1990 errichtet worden sind. Außerhalb von Wasserschutzgebieten gilt der 31. Dezember 2020 als spätester Prüftermin.

Fristen für Grundstückseigentümer

Auch Eigentümer bebauter Grundstücke sind betroffen. Die neuen Regelungen verpflichten Grundstückseigentümer in Wasserschutzgebieten dazu, ihre Abwasseranlagen bis Ende 2020 erstmals prüfen zu lassen, soweit nur häusliches Abwasser abgeleitet wird und diese Anlagen nach 1965 errichtet worden sind. Ältere Abwasserleitungen sind erstmalig bis zum 31. Dezember 2015 zu prüfen. Für außerhalb von Wasserschutzgebieten gelegene private Abwasserleitungen werden keine landesrechtlichen Prüftermine mehr vorgegeben, jedoch bleibt die Pflicht zur Überwachung auch dieser privaten Abwasserleitungen bestehen. Hier hat der Grundstückseigentümer insbesondere die Vorgaben der DIN 1986-30 zu beachten. Hier können die Kommunen per Satzung entsprechende Regelungen beschließen. Hervorzuheben ist weiter, dass Kommunen Kraft der neuen Verordnung künftig zur Beratung der Eigentümer bebauter Grundstücke verpflichtet sind. Aktuell arbeiten viele Kommunen, vor allem in NRW, an Handlungskonzepten, die in politischen Gremien abzustimmen sind. Exemplarisch wird nachfolgend beispielhaft das Konzept der Stadt Lünen vorgestellt.

Umsetzungsstrategien der Stadt Lünen

Zentrales Element für das Lünener Konzept ist der Umgang mit privaten Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Raum. Auf Basis des § 53c LWG, NRW wird im ersten Schritt eine Teilprüfung der Grundstücksanschlussleitungen im öffentlichen Verkehrsraum gebührenfinanziert durchgeführt.

Der SAL-Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR führt dazu aus: Jeder Grundstückseigentümer wird über das Ergebnis dieser Teilprüfung informiert. Die öffentlichen und privaten Leitungen bewerten wir einheitlich, setzen aber unterschiedliche Schwerpunkte. Bei Schadensfreiheit einer Grundstücksanschlussleitung gehen wir aufgrund unserer praktischen Erfahrungen von einer Schadensfreiheit der gesamten privaten Entwässerungsanlage aus. Im Vorfeld informieren wir die Bürger über unser Vorgehen. Sie können die Zustandsprüfung mitverfolgen und bei einem Schadensbefund der Anschlussleitung die weiteren Leitungsbereiche auf dem Grundstück im Rahmen einer privaten Beauftragung mitbefahren lassen. Das ist nicht nur praktischer, sondern auch kostengünstiger, als eine separate private Beauftragung. Der öffentliche Kanalnetzbetreiber ist beteiligt und dies gibt Sicherheit.

Die konkrete Bewertung wird anhand eines dreistufigen Aussiebverfahrens durchgeführt. Die Grundstücksentwässerungsanlagen werden vorher in verschiedene Schadensgruppen eingeteilt (hoch, mittel oder gering). Nur Anlagen mit gravierenden Schäden müssen umgehend saniert werden (der gegenwärtige Erfahrungswert liegt hier bei rund 17% der geprüften Grundstücke).

In Stufe 2 erfolgt eine individuelle Risikoermittlung nach Sanierungsklassen. Die örtliche und die hydraulische Situation, die Lage der Abwasserleitungen im Verkehrsraum sowie örtliche Probleme im öffentlichen Kanalnetz werden berücksichtigt. Nach dem Ampelprinzip erhält jedes Grundstück eine Sanierungsklasse. In Stufe 3 werden die Sanierungsnotwendigkeit beurteilt und Fristen zur Sanierung festgelegt: Dabei bedeutet Grün, dass keine Sanierung erforderlich ist. Bei Gelb werden eine Sanierung und eine entsprechende Frist als Empfehlung ausgesprochen. Bei Rot liegen schwere Schäden vor, die eine Sanierung innerhalb einer Fristvorgabe erfordern. Für eine dringend erforderliche Sanierung sprechen Indikatoren, wie etwa permanenter Fremdwasserfluss oder Rattenbefall. Nicht zu sanierende Grundstücksentwässerungsanlagen werden bei Widerholungsprüfung neu bewertet.

Gemeinsam: Kommunen und Bürger

Die hochwertige individualisierte Beratung ist eine gesetzlich verankerte Pflicht der Kommunen (§ 53, 1e LWG, §§ 60 und 61 WHG). Sie ist innerhalb der Verwendung der Abwassergebühren als inkludierter Kostenpunkt vorgesehen (§ 53c LWG). In Lünen setzt man deshalb auf „Mündigkeit statt Zwang“ und Verbraucherschutz – und somit zentral auf eine fundierte, zielgruppengerechte und individuelle Beratung.

Die neuen Gesetze zur privaten Grundstücksentwässerungstellen Bürger nicht länger unter Generalverdacht, legen erstmals Regeln der Technik fest und räumen den Kommunen mehr Mitbestimmungsrechte ein. Daraus ergibt sich für den Einzelfall die Möglichkeit, auf spezifische örtliche Randbedingungen besser einzugehen. Die Mitarbeiter der SAL freuen sich über diese Entwicklung und haben ihr Beratungssystem vor dem Hintergrund der Gesetzesnovellierung noch weiter verfeinert. „Die Grundstücksanschlussleitung dient uns dabei als „Kontaktleitung“ zwischen Kommune und Grundstückseigentümer.“

Es wird deutlich, dass der SAL-Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR ein rundum positives Fazit aus den Umsetzungsmöglichkeiten der neuen gesetzlichen Anforderungen zieht.⇥

RSV Rohrleitungssanierungsverband e.V.

www.rsv-ev.de

ZUM EXPERTENKREIS GEA-GIPFEL GEHÖREN AKTUELL


Dipl.-Ing. Dirk Bellinghausen, Güteschutz Grundstücksentwässerung, Hennef
Dipl.-Ing. Mario Brenner, Ingenieurbüro Brenner, Hennef
Dipl.-Ing. Claus Externbrink, SAL-Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR, Lünen
Dr.-Ing.Marco Künster, Güteschutz Kanalbau, Bad Honnef
Gerhard Treutlein, VDRK – Verband der Rohr- und Kanal-Technik-Unternehmen e.V., Kassel           
Dr.-Ing.Michael Scheffler, Sachverständigen- und Ingenieurbüro für Gebäude- und Grundstücksentwässerung, Kassel
Dipl.-Ing. Marco Schlüter, IKT-Institut für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen
Dipl.-Volkswirt Horst Zech, RSV-Rohrleitungssanierungsverband, Lingen (Ems)

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