Digitalisierung im Bausektor

Bau-Boom gegen Kapazitäts-Engpässe

Die amtlich ausgewiesene Produktivität der Branche stagniert seit vielen Jahren. Bei der Suche nach möglichen Lösungen ruhen die Hoffnungen immer stärker auf der Digitalisierung.

Am 8. November 2017 fand der 18. ifo Branchen-Dialog in München statt. Diskutiert wurden aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in Industrie, Handel, Bauwirtschaft und Dienstleistungen. Der Artikel beruht auf mehrere Expertenbeiträge, die im Rahmen dieser Veranstaltung vorgetragen wurde.

Die wirtschaftlich prosperierenden Regionen in Deutschland sind gegenwärtig sehr stark von einer hohen Nachfrage nach Wohnraum geprägt. Davon profitiert der Wohnungsbau. Treiber ist nicht nur die starke Migration in die Städte, sondern auch niedrige Zinsen, steigende Einkommen sowie der Anlagenotstand vieler Investoren. Die Investitionen im gewerblichen Bau bewegen sich seit einigen Jahren im Großen und Ganzen seitwärts – allerdings auf einem ansehnlichen Niveau (vgl. Tab. 1).

2017 hat diese Teilsparte kräftig zugelegt. Die größere Investitionsneigung der Unternehmen geht mit höheren öffentlichen Ausgaben für Schienen und der Förderung des Breitbandausbaus in ländlichen Regionen einher. Der öffentliche Bau profitiert von der erkennbar gestiegenen Investitionsbereitschaft des Bundes und der verbesserten Finanzlage zahlreicher Kommunen.

Für die kommenden Jahre ist aber mit einem spürbar verringerten Wachstum zu rechnen. So dürfte die Wirkung der genannten positiven Einflussfaktoren nachlassen. Im Wohnungsbau spielen zusätzlich der Mangel an verfügbaren Bauflächen sowie hohe Baukosten eine immer größere Rolle. Insgesamt werden die Investitionen im Wohnungsbau 2018 voraussichtlich um 1,5% zunehmen und damit weniger stark als in den beiden vorhergegangen Jahren. Für das Folgejahr wird nur noch ein leichter Anstieg erwartet.

Der gewerbliche und öffentliche Bau wird das Niveau der 1990er Jahren nicht wieder erreichen. Damals profitierte der Bau deutlich vom Sondereffekt der Wiedervereinigung. Die öffentlichen Bauinvestitionen werden 2018 erneut ansteigen. Insbesondere Investitionen in den öffentlichen Nichtwohnhochbau dürften hierbei eine wesentliche Rolle spielen.

In Zukunft werden Investitionen von Staat und Unternehmen in klassische Investitionsgüter – wie Ausrüstungen und Bauten – relativ zu immateriellen Investitionsgütern weiter an Bedeutung verlieren. Die Transformation der Industrie- in eine Wissensgesellschaft geht nämlich mit stark steigenden Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Software und Datenbanken einher.

Stagnierende Arbeitsproduktivität im Baugewerbe

In der Gesamtwirtschaft ist die Arbeitsproduktivität – gemessen an der Bruttowertschöpfung im Verhältnis zu den geleisteten Arbeitsstunden – in den letzten 25 Jahren um rund 40% gewachsen. Im Baugewerbe war – laut Information des Statistischen Bundesamtes – hingegen nur ein minimaler Zuwachs zu verzeichnen.

Leider kann die Arbeitsproduktivität in den einzelnen Teilbereichen des Baugewerbes – aus Mangel an detaillierten Informationen zur Bruttowertschöpfung – nicht abgeleitet werden. Deshalb bleibt nur eine Analyse unter Zuhilfenahme der Bruttoumsätze – allerdings auch nur für das Bauhauptgewerbe und ohne Bereinigung um Subunternehmerleistungen. Dies ermöglicht zumindest einen groben Vergleich zwischen den einzelnen Sparten, wenn auch die dadurch ermittelte Produktivitätsentwicklung deutlich überzeichnet sein dürfte. Demgemäß weisen gerade die Teilsegmente mit einem größeren Anteil an Maschinenleistungen und Vorfertigung, wie z.B. der gewerbliche Tiefbau, einen höheren Zuwachs auf.

Kapazitäts-Engpässe verstärken sich

Das Wachstum im Wohnungsbau hängt in hohem Maße von der Verfügbarkeit der Handwerker ab. Zwischen 2013 und 2016 hat allerdings die Zahl der Beschäftigten im handwerklich geprägten Ausbaugewerbe nicht mehr wesentlich zugenommen. Dies hat negative Folgen sowohl für den Neubau als auch für den Bestandsmarkt. Im Bauhauptgewerbe hat die Beschäftigtenzahl in den vergangenen Jahren wieder spürbarer zugenommen. Das liegt unter anderem auch daran, dass inzwischen immer mehr ausländische Arbeitskräfte angeworben werden. Die Ergebnisse der ifo Konjunkturumfrage im Bauhauptgewerbe zeigen, dass sich Bauunternehmer wieder intensiver um Arbeitskräfte bemühen müssen, um ihre Aufträge abarbeiten zu können. So berichteten im November 2017 bereits 19% der Firmen des Bauhauptgewerbes über Behinderungen der Bautätigkeit aufgrund von Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig klagten im September 2017 bereits 17% der befragten Firmen über das Abwerben von Arbeitskräften durch andere Firmen. Dies ist der höchste Wert seit dem Jahr 2008, als diese im Rahmen der ifo Konjunkturumfrage erstmals gestellt wurde.

Digitalisierung als Hoffnungsträger

Angesichts der aktuell hohen Baunachfrage und der gleichzeitig limitierten Kapazitäten stellt sich die Frage, ob die Digitalisierung die Bauabläufe verbessern und letztlich auch beschleunigen kann. Aus der Sicht vieler Baufirmen basiert die Entscheidung für oder wider die Einführung digitaler Prozesse jedoch zuerst einmal auf den möglichen Auswirkungen auf die eigene Profitabilität. Die Gewinnspanne im Bauhauptgewerbe ist nämlich – im Vergleich zu anderen Branchen – nur unterdurchschnittlich. Die Implementierung neuer Technologien, wie z.B. der Einsatz von Building Information Modeling (BIM), erfordert aber beachtliche Anstrengungen und Kosten. Viele Baufirmen erwarten deshalb eine merkliche Steigerung ihrer Margen, da sonst der vorausgegangene Aufwand in Frage gestellt würde.

In der Tat sind die Potentiale zur Fehlervermeidung bzw. Effizienzsteigerung enorm. So wird heute beispielsweise der Fehlerkostenanteil im Bauhauptgewerbe auf rund 10% des Jahresumsatzes von mehr als 100 Mrd. Euro geschätzt. Eine spürbare Reduzierung dieser Mehrarbeiten bzw. Zusatzkosten könnte somit zu einer deutlichen Erhöhung der Gewinnspanne im Bau führen.

Im Bereich der Digitalisierung hinkt das Baugewerbe – im Vergleich zu anderen Branchen – hinterher. So ist beispielsweise die Automobilbranche heute wesentlich stärker »digitalisiert« (vgl. Abb. 2). Bei der Umgestaltung eines Bauunternehmens hin zu einer stärkeren Digitalisierung identifiziert die Unternehmensberatung Roland Berger vier Aspekte:

Erhebung und Verarbeitung digitaler Daten,

mobiler Zugriff auf das Internet und interne Netze,

Vernetzung und Synchronisation bislang voneinander getrennter
Aktivitäten,

Einsatz von autonomen und sich selbst organisierenden Systemen.

Digitalisierungstreiber in der Bauwirtschaft

Es wurden bereits zahlreiche Anwendungen entwickelt bzw. werden zurzeit erforscht, um die Digitalisierung im Baugewerbe voranzutreiben. Zu nennen sind hier beispielsweise Cloud Computing, Virtual bzw. Augmented Reality, BIM, Internet der Dinge, 3D-Druck und autonom agierende Maschinen.

Mit Hilfe der Digitalisierung sollen Echtzeitinformationen für alle Beteiligten bereitgestellt und individuelle Serienproduktionen ermöglicht werden. Die Planungsqualität soll verbessert und die Produktivität erhöht werden. Schließlich: Alle Informationen sollen durchgängig für alle in jedem Arbeitsschritt verfügbar sein. So ist es heute bereits möglich, mit Hilfe spezieller Brillen, Gebäudeteile bzw. das fertige Gebäude in der Umgebung einer Baustelle digital darzustellen bzw. zu überblenden (Augmented Reality). Es findet dabei eine Verschmelzung zwischen Realität und dem digitalen Bild statt. Der Betrachter erhält hiermit ein vollständiges Gebäudebild. Diese Projektion kann helfen, die anschließenden Arbeitsschritte effizienter durchzuführen.

Ein Bauprojekt ist meist nicht durchgängig »organisiert«. Insbesondere bei größeren Projekten wechseln die Architekten oder auch andere Baubeteiligte. Die Übertragung aller Projektinformationen verläuft beim Wechsel von wichtigen Projektbeteiligten nicht immer zufriedenstellend. So müssen »verlorengegangene« Informationen häufig wieder neu erarbeitet werden. Dies verzögert den Baufortschritt, führt zu Kostensteigerungen und oft auch zu verminderter Qualität. Häufig sind öffentliche Großprojekte betroffen, so dass mittlerweile die Politik darauf reagiert hat und die Nutzung digitale Methoden empfiehlt.

Building Information Modeling gewinnt an Bedeutung

Das in den letzten Jahren entwickelte BIM ermöglicht es Unternehmen, den Informationsfluss zwischen den Schnittstellen sicherzustellen. Das heißt, die Informationen zur Planung, Errichtung und anschließenden Nutzung von Bauwerken liegen komplett in einem Datensatz vor. Dabei reichen die Anwendungsfälle von BIM vom Projektcontrolling über die Arbeitsvorbereitung bis zur Qualitätskontrolle. Die Implementierung von BIM ist unweigerlich zeit- und kostenaufwendig. So müssen Mitarbeiter geschult und
Erfahrungen gesammelt werden. Um die Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten zu gewährleisten, ist absolute Transparenz notwendig. Dementsprechend müssen alle Beteiligten hiervon überzeugt werden.
Trotz dieser hohen Hürden überwiegt nach Meinung vieler Baufirmen der Effizienzgewinn, so dass diese Technologie in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen wird.

3D-Druck – eine neue Bautechnologie?

Ein weiteres Werkzeug der Digitalisierung ist der 3D-Drucker. Mit dieser Fertigungstechnologie werden Produkte oder Gegenstände anhand gespeicherter Daten Schicht für Schicht »nachgebaut«. Der 3D-Druck wird in vielen Wirtschaftsbereichen als eine wichtige Zukunftstechnologie angesehen – und bereits eingesetzt. Die Möglichkeiten dieser Fertigungsmethode scheinen fast unbegrenzt zu sein. So verwundert es nicht, dass sich vor allem Projektierer und Auftraggeber von Bauwerken einen Durchbruch dieser Technologie erhoffen – auch weil Bauzeit und -kosten dadurch wieder sinken könnten.

Der 3D-Baudruck im Speziellen steht für das Zusammenspiel von Robotik und Materialextrusion. Letzteres bezeichnet dabei das Aufbringen von Schichten eines Baumaterials mit Hilfe von Schläuchen, an deren Ende spezielle Düsen montiert sind. Der 3D-Drucker ist demnach keine stationäre Maschine, aus der ein fertiges Haus/Rohbau herauskommt, sondern ein sehr mobiles, flexibel einsetzbares, aber vor allem digitalisiertes Gerät, das vor Ort Wände, Decken etc. erstellen kann.

Bereits Mitte der 1990er Jahren gab es mit dem Contour Crafting erste Ansätze. Dabei handelt es sich um eine Fertigungstechnologie, die Objekte mittels aufeinanderfolgender dicker Schichten herstellt und dabei die äußeren Oberflächen (Sichtflächen) glättet. Die Entwicklung immer neuer Prototypen verbesserte die Qualität über die Jahre immer weiter. Sogar die Erstellung quasischlüsselfertiger Gebäude soll in naher Zukunft möglich sein. Dabei sollen auch etwa die Hausleitungen während des Drucks automatisch mit verlegt werden.

Diese Vollautomatisierung verschiedener Arbeitsschritte spart erheblich Personal ein, da der Mensch dadurch fast nur noch Aufsichtsfunktionen erfüllen muss, wie z.B. die Überwachung des verwendeten 3D-Druckprogramms oder die Gewährleistung ausreichender Mengen Baumaterials. Aus heutiger Sicht werden aber bestimmte Teile am Gebäude – wie vor allem Türen und Fenster – auch auf lange Sicht einen Handwerker erfordern, da dieser gewisse Arbeitsschritte besser durchführen kann als heutige Maschinen. Die automatische Einbringung von Dämmstoffen ist aber bereits heute kein Problem mehr.

Ein 3D-Baudrucker muss verschiedene technische Herausforderungen bewältigen. So müssen beispielsweise die Schichten möglichst kontinuierlich aufeinandergedrückt werden. Das Entstehen kalter Fugen ist zu vermeiden. Bisher wird im 3D-Baudruck fast ausschließlich Mörtel verwendet. Aber es gibt bereits auch »Drucker«, die Beton als »Tinte« nutzen können. Dies hat den Vorteil, dass die Bauindustrie dieses Material gut umgehen kann.

Vermehrte Aufmerksamkeit findet der 3D-Druck unter anderem in Dubai. Dort wurde im April 2016 bekanntgegeben, dass bis 2030 mindestens ein Viertel aller neuen Gebäude in der Stadt durch die 3D-Drucktechnologie errichtet werden sollen. In Dubai erhofft man sich, die Bauzeit auf bis zu 10% des derzeitigen Zeitaufwands zu reduzieren.

Nach Ansicht einiger Baufirmen dürfte der 3D-Druck das Baugewerbe wesentlich bereichern und einen festen Platz neben den anderen bekannten Bautechnologien (Ziegelbau, Steinbau, Holzbau, Fertigteilbau …) erhalten. Gerade auf anderen Kontinenten stehen die Chancen für den umfangreichen Einsatz dieser Technologie nicht schlecht. In Ländern mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bauvorschriften, wie z.B. Deutschland, wird diese Technologie dagegen deutlich mehr Zeit benötigen, um sich als weitere Bautechnologie durchzusetzen.

ifo Institut

www.ifo.de

Das ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. (abgekürzt ifo) ist eine Münchner Forschungseinrichtung, die sich als eines der größten Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschlands mit der Analyse der Wirtschaftspolitik beschäftigt und monatlich den ifo-Geschäftsklimaindex ermittelt.  Es ist eines der führenden und in den deutschen Medien am häufigsten zitierten Wirtschaftsforschungsinstitute in Europa. Es kooperiert in der CESifo-Gruppe sehr eng mit dem Center for Economic Studies (CES) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der CESifo GmbH. Dem CESifo-Forschernetzwerk gehören mehr als 1100 Ökonomen aus aller Welt an.

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