Standpunkt

Die FührungsKRAFT ­bewahren

Ich treffe zunehmend auf Unternehmer und Führungskräfte, die sich trotz unzweifelhaft hoher Qualifikation und Einsatzbereitschaft von der schieren Zahl der unterschiedlichen Anforderungen, die gleichzeitig auf sie einwirken und denen sie gerecht werden müssen, schlicht überfordert fühlen“, sagt Thomas Weegen, geschäftsführender Gesellschafter des Organisationsentwicklungsspezialisten Coverdale Team Management Deutschland GmbH, München. Darunter leide die Effizienz der Führung  „Wir müssen uns deshalb Gedanken machen, wie die – in des Wortes wahrstem Sinne – FührungsKRAFT gewahrt beziehungsweise wieder hergestellt werden kann.“  Denn „kein Betrieb hält sich heute mehr über Wasser ohne Menschen, die sich mit den Zielvorstellungen des Unternehmens identifizieren, sich mit eigenständigem und – gestützt durch eine entsprechende Führung – unbedingt auch selbständig-kritischem Denken und Mitdenken, der Bereitschaft, in Alternativen zu denken und Probleme aus jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und einem dem entsprechend auch experimentierendem Problemlösen in die Arbeit einbringen.“

Erwartungen an die Führung

„Was in der täglichen Anspannung aber übersehen wird: Menschen, die solche Leistungseigenschaften aufweisen und solchen Leistungsanforderungen entsprechen, haben auch entsprechende Erwartungen an die Führung“, sagt Weegen: Man legt Wert auf ein gutes Arbeitsklima; auf Zeit und Raum, um Dinge zu besprechen, zu bedenken und zu diskutieren; erwartet, dass zwangsläufig in Denk- wie Arbeitsprozessen auftretende Fehler als Lernanstöße und nicht als Versagen gewertet werden. Unverkennbar sei auch die wachsende Verwobenheit von Leistungsbereitschaft mit Sinnvermittlung und einer Balance aller Lebensbereiche. Work-Life-Balance werde zunehmend als mitbestimmendes Element, ja Voraussetzung hoher Einsatzbereitschaft angesehen. Naheliegend „dass vor einer solchen Erwartungshaltung, disziplinarische Macht in Gestalt der klaren Ansage ins Leere läuft. Auch wenn sie erkennbar aus schlichter Überforderung durch das zu Bewältigende entsteht“. Desgleichen, „dass Sanktionen und ab einer bestimmten Einkommenshöhe auch finanzielle Anreize ihre Bedeutung verlieren. Kein Mitarbeiter mit exzellenter Fachkompetenz lässt sich dadurch noch effizient führen und  zu der Leistung zu bewegen, die ein Betrieb braucht, um sich zu entwickeln und Krisen trotzen zu können.“ Effizient und dabei gleichzeitig gesundheitsdienlich  wirken aus Weegens Erfahrung Vorgesetzte erst dann, „wenn sie Vorbild und Identifikationsfigur sind, über emotionale Bindung gute Beziehungen aufbauen, Sinn und auch Visionen vermitteln, sich die Zeit nehmen, zuzuhören, Meinungen zu erkunden, zu diskutieren, unterschiedliche Sichtweisen nachzuvollziehen.“ Kurz und gut, wenn sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlbar wertschätzen, nicht auf Führungstechniken, sondern auf die bewegende Kraft einer Führungspersönlichkeit setzen. Techniken sind sekundär. Die Persönlichkeit ist das Primäre.

Führungseffizienz

Weegen: „Der Chef, ob Vorgesetzter oder Unternehmer, muss für sich einnehmen, muss anziehen. Verschanzen sich die Führenden aber hinter Führungstechniken, tun sie genau das Gegenteilige: sie distanzieren – von sich und von der Leistungsbereitschaft! Um wieder mehr Führungseffizienz zu bekommen, brauchen wir also zuerst die Einsicht: diese Effizienz bekommen wir nur mit einem mit Bedacht gestaltetem, wechselseitig entlastendem Miteinander!“ Fraglos lässt sich auch mit einem dirigistisch- distanzierendem Über- und Untereinander (Anordnung und Ausführung, früher Befehl und Gehorsam) Leistung erzwingen. Die tagtägliche Praxis führt das vor. Allerdings: Nicht mit dem heute erforderlichen Wirkungsgrad. „Den bekommen wir nur mit einem auf das willige Ineinandergreifen aller Mitspieler zielendem Führungsauftritt.“ Und dieses willige Ineinandergreifen aller Mitspieler wird immer wichtiger. Denn: Die Menge verfügbarer Informationen schnellt exponentiell hoch. Entwicklungszyklen werden immer kürzer Die Komplexität des Geschehens nimmt laufend zu. Und mit ihr dessen Unübersichtlichkeit, Unvorhersagbarkeit und Krisenanfälligkeit. Kunden, Lieferanten und Wettbewerber = Märkte sind auf der ganzen Welt verteilt. Innovative Lösungen lassen sich zunehmend nur noch im Zusammenspiel mehrerer Fachbereiche, mit Mitarbeitern aus häufig verschiedenen Ländern, die an unterschiedlichen Standorten arbeiten, und in enger Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten, Forschungsinstituten und sogar Wettbewerbern entwickeln. Schwellenländer reifen zu auftrumpfenden Wirtschaftsmächten heran. Der chinesische Drache faucht immer selbstbewusster und raumgreifender. „Zou Chuqu!“ – „Schwärmt aus“, Jiang Zemins vor gut zehn Jahren ausgegebene Weisung wird rasant befolgt.  Zentrales Streben der Führungskräfte sollte es laut Weegen deshalb sein, anziehend auf ihre Leute zu wirken, was nicht mit anbiedernd zu verwechseln sei. „Nehmen wir das Wort ‚Führungs- KRAFT‘ wortwörtlich, dann kommt diese KRAFT der Führung daraus, sich in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Unterstützer zu erobern, wirkliche MIT- und ZU- Arbeiter, die wieder aus einem tief empfundenen WIR-Gefühl heraus zur Sache kommen!“

Autor
Hartmut Volk,
Redaktionsbüro Wirtschaft & Wissenschaft,
Bad Harzburg.
E-Mail: hartmut.volk@ t-online.de
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