Das neue BGB-Bauvertragsrecht

Was tun bei Massenänderungen und Vertragsänderungen?

Die VOB hat seit dem 1. Januar 2018 „Konkurrenz“: Nun gibt es auch im BGB spezielle Regelungen für Bauverträge; es ist festzustellen, dass BGB-Bauverträge in der Baupraxis deutlich zunehmen. Dies gilt allerdings nicht für die öffentliche Hand.

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) erhielt prominente Konkurrenz: Seit Anfang des Jahres gibt es auch im überarbeiteten Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) spezielle Regelungen für Bauverträge und es ist festzustellen, dass BGB-Bauverträge in der Baupraxis deutlich zunehmen. Dies gilt allerdings nicht für die öffentliche Hand. Diese bleibt weiterhin bei ihren Verträgen bei der unveränderten VOB/B. Nachstehend soll an Beispielen aufgezeigt werden, welche Unterschiede in rechtlicher Hinsicht bestehen, sofern es bei der Bauvertragsabwicklung zu Massenänderungen und/oder Vertragsänderungen kommt.

1. Unterschiede bei den Folgen einer Massenänderung im Einheitspreisvertrag

Hierzu folgender Fall: Bei einer größeren Tiefbaumaßnahme kommt es in einzelnen Positionen zu gravierenden Mengenänderungen.

1.1 VOB-Vertrag

Haben die Vertragsparteien die VOB/B vereinbart, ist in diesen Fällen der  § 2 Abs. 3 VOB/B einschlägig. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gilt, dass „für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr-oder Minderkosten zu vereinbaren“ ist.

Somit wird anhand der von der Mengemehrung „betroffenen“ einzelnen Positionen,  geprüft, wie sich dort die Mengenmehrungen zum Beispiel in Bezug auf die Baustellengemeinkosten und Allgemeinen Geschäftskosten auswirken. Der Vertragspreis bleibt somit auch für die über 110 % der vertraglichen vereinbarten Menge hinausgehende Menge Preisermittlungsgrundlage für den neu zu berechnenden Preis.

Somit gilt in der VOB/B der Grundsatz: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis.“

Kommt es in einzelnen Positionen zu gravierenden Mengenunterschreitungen ,so regeln sich die Rechtsfolgen nach § 2 Abs. 3 Nr.3 VOB/B. Grob gesagt, bleibt es auch hier bei dem vereinbarten Vertragspreis. Allerdings erhält der Auftragnehmer – sofern kein Ausgleich durch anderweitige Mengenerhöhungen erfolgt – eine Erhöhung des Einheitspreises, die im Wesentlichen die Fixkosten und den entgangenen Gewinn beinhaltet.

1.2 BGB-Vertrag

Das neue BGB-Baurecht kennt keine entsprechende Preisanpassungsregelung. Dort hat keine Partei einen Anspruch auf Preisanpassung wenn die tatsächlichen Mengen von der dem Vertrag zu Grunde gelegten geschätzten Menge abweicht.

Hier bleibt es also grundsätzlich auch für die über die vereinbarte Menge hinausgehenden Mengen bei dem vereinbarten Preis. Hat also der Auftragnehmer in einzelnen Positionen einen zu niedrigen Preis kalkuliert, muss er grundsätzlichen diesen Verlust auch bei den Mehrmengen tragen. Die Grenze liegt allerdings dort, wo aufgrund der Mengenänderungen in einzelnen Positionen von einer „Änderung der Geschäftsgrundlage“ gesprochen werden muss, was nach der Rechtsprechung erst in Betracht kommt, wenn die Summe aller geänderten Mengen 30 % der Auftragssumme erreicht (OLG Schleswig vom 10. Oktober 2008 – 17 U 6/08 –.).

Weiterhin kommen Schadensersatzansprüche des Auftragnehmers in Betracht, wenn er nachweisen kann, dass der Auftraggeber bzw. dessen Planer im LV die einschlägigen Positionen fahrlässig oder gar vorsätzlich falsch berechnet hat.

2. Unterschiede bei der Berechnung der Preise für Vertragsänderungen oder Zusatzleistungen

Fall: Während der Vertragsdurchführung ordnet der Auftraggeber eine Vertragsänderung/Zusatzleistung an. Bei der Frage, wie hier die etwaigen geänderten Preise zu berechnen sind, sind drei Fälle zu unterscheiden:

2.1 „Reiner“ VOB-Vertrag:

Nach den insoweit einschlägigen Regelungen der  §§ 2 Abs. 5 und 6 VOB/B ist der Preis für die geänderten und zusätzlichen Leistungen auf der Basis der Preisermittlungsgrundlagen des bisherigen Vertrags zu ermitteln. Somit gilt auch bei Vertragsänderungen und Zusatzleistungen der schon erwähnte Grundsatz:

„Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“.

2.2 „Reiner“ BGB-Vertrag

Für alle Verträge, die seit dem 1. Januar 2018 geschlossen wurden gilt insoweit § 650c BGB. Bei Vertragsänderungen und Zusatzleistungen aufgrund einer Anordnung des Auftraggebers sind grundsätzlich die für diese Leistungen „tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlagen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn“ zugrundezulegen.

Dies bedeutet, dass der Auftragnehmer – im Gegensatz zum VOB-Vertrag – den neuen Preis unabhängig von den vertraglichen Ausgangspreisen bilden kann. Ein Vorteil für ihn, wenn die Ausgangspreise unterkalkuliert waren, nachteilig allerdings, wenn er für die geänderten bzw. zusätzlichen Positionen „sehr gute“ Preisermittlungsgrundlagen hatte.

Allerdings bietet die Neuregelung in § 650c Abs.2 BGB auch die Möglichkeit, dass für den Nachtrag „auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation“ zurückgegriffen werden kann, so dass hier in diesem Fall mit ähnlichen Ergebnissen wie bei einem VOB-Vertrag zu rechnen ist.

2.3 Was gilt bei einem in einzelnen Punkten geänderten

VOB-Vertrag?

In der Baupraxis wird häufig die VOB vereinbart, wobei allerdings die VOB/B in einzelnen Punkten durch vorrangige Vorbemerkungen geändert wird. Beispiel:

In den vom Auftraggeber in den Vertrag eingebrachten Vorbemerkungen zum Bauvertrag  wird festgelegt:

„Die Abnahme findet ausschließlich förmlich statt. Die Abnahmefiktionen der VOB/B  (§ 12 Abs.5 VOB/B) sind ausgeschlossen“.

Die VOB/B ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Allerdings genießt sie als solche eine Sonderrolle weil die VOB/B in allen Punkten gültig ist, wenn sie „ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt“ in den Bauvertrag einbezogen ist (siehe § 310 Abs. 1 letzter Satz BGB). Diese Sonderstellung verliert sie ist somit, wenn – auch kleine – Änderungen an der VOB/B durch sonstige Vertragsbedingungen vorgenommen wurden, was auch in dem hier genannten Beispiel der Fall ist. Nun wird jede Klausel in der VOB/B daraufhin untersucht, ob sie einer rechtlichen Prüfung nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen standhält.

Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen dass die für Vertragsänderungen und Zusatzleistungen maßgeblichen § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B nach Inkrafttreten des neuen BGB einer Wirksamkeitskontrolle nicht mehr standhalten, weil die VOB/B durch die Änderung  ihrer Abnahmeregeln ihre privilegierte Stellung als AGB verloren hat und die neuen BGB-Paragraphen zur „Änderung des Vertrags“ (§§ 650bff) in „wesentlichen Grundgedanken“ von den VOB – Paragraphen abweichen        (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)*.

Diese Situation eröffnet dem Auftragnehmer ein Wahlrecht in Bezug auf die Abwicklung und Abrechnung der Vertragsänderung/Zusatzleistung

1. Wie auch das neue VHB-Bund 2017 ausführt, hat nun der Auftragnehmer zum einen die Möglichkeit, sich auf die Unwirksamkeit der VOB/B-Regelungen der § § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B zu berufen, also die gesetzlichen Regelungen des § 650 b BGB anzuwenden ( §306 II BGB), „zum Beispiel mit der Folge,

dass Leistungsänderungen nicht mehr ohne vorherige Verhandlung mit dem Auftraggeber angeordnet werden können (das kann bis zu 30 Tagen Baustillstand bedeuten),

dass die Nachtragsvergütung nicht mehr anhand der Urkalkulation fortgeschrieben, sondern anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten neu berechnet werden muss (§ 650 c Abs. 1 BGB), oder

dass der Auftragnehmer für eine Nachtragsleistung (sofern man sich über deren Vergütung noch nicht geeinigt hat) eine Abschlagszahlung von 80 % seines Nachtragsangebots fordern kann, auch wenn er die Kosten der Leistung überhöht angesetzt hatte (§ 650 c Abs. 3 BGB).

2. Als Vertragspartner des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Auftragnehmer allerdings nicht dazu verpflichtet, sich auf die Unwirksamkeit der § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B zu berufen. Davon wird er beispielsweise absehen, wenn er für die Nachtragsberechnung nicht – wie dies § 650c Abs. 1 BGB vorsieht – die hierfür „tatsächlich erforderlichen Kosten“, sondern die für ihn vielleicht deutlich günstigeren Preisermittlungsgrundlagen des abgeschlossenen Vertrags (§2 Abs. 5 und 6 VOB/B) zu Grunde legen will.

3. Fazit

Stellt der Auftraggeber die Bauvertragsbedingungen, so ist ihm von sogenannten Mischverträgen, also der Praxis, dem Vertrag die VOB/B zwar zugrundezulegen, diese jedoch in einzelnen Punkten abzuändern dringend abzuraten, wenn er die aufgeführten Konsequenzen vermeiden will. Dem Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders einer geänderten VOB/B ist im Falle von Vertragsänderungen und Zusatzleistungen zu raten, einmal zu prüfen, welche Grundsätze für ihn bei der Abrechnung der Vertragsänderung/Zusatzleistung günstiger sind: VOB/B oder BGB.

*Siehe das VHB-Bund 2017 und Abel/Schönfeld in Baurecht 2018, Seite 11ff

Baurechtssuche

www.baurechtssuche.de

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