BAUMARKT DER EMIRATE BOOMT – GEFAHREN LAUERN TROTZDEM

Chancen im
Mittleren Osten nutzen

Deutsche Unternehmen, egal ob vom Bau, vom Dienstleistungssektor oder Beratungswesen, sind am Golf zu wenig präsent. Dabei kennt die von Öl und Erdgas gefeuerte Entwicklung der Königreiche und Emirate nur eine Richtung: nach oben.
Für europäische Firmen kann eine Wachstumsregion wie der Mittlere Osten
die zunehmende Stagnation auf dem Alten Kontinent kompensieren.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten, in der Wüste zwischen Abu Dhabi und Dubai, verläuft eine schnurgerade, zwölf Kilometer lange achtspurige Autobahn, vom neuen Khalifa-Hafen ins Hinterland. Auf den leeren Parzellen links und rechts der Magistrale werden einst für über 7 Milliarden US-Dollar Stahl- und Aluminiumhütten, Kraftwerke, metallverarbeitende Firmen und Konsummittelhersteller entstehen. Im Tiefwasserhafen, der im September termingerecht eröffnet wurde (schöne Grüße an Wilhelmshaven), wird gerade das erste Containerschiff gelöscht. Tebodin, ein von Bilfinger aufgekaufter niederländischer Anbieter von Consulting und Engineering-Dienstleistungen für Industrieanlagen, hat für das Khalifa Hafen- und Industrieprojekt das Engineering für Nebenstraßen, Trinkwasserzufuhr, Abwasserentsorgung, Elektrizität, Telefon, Bewässerung, usw. übernommen.

Barwa City, eine Pilzstadt in Katar

Szenenwechsel. Zehn Kilometer von Doha entfernt, der Hauptstadt des Scheichtums Katar, hat Bilfinger Construction zwischen 2007 und 2012 Barwa City aus dem Boden gestampft, ein Viertel mit 6.000 Komfortwohnungen für 25.000 Einwohner. Zu Spitzenzeiten haben mehr als 10.000 Arbeiter, vorwiegend Inder, Bangladescher, Nepalesen, auf dem ehemaligen Sumpfgelände gewerkelt. Fährt man am späten Nachmittag vom neuen Viertel nach Doha, überholt man hunderte indischer Tata-Busse, die die Fremdarbeiter in ihre Wohnheime zurückbringen. So weit man blicken kann, wird gebaut. Das gibt es außer in China wohl nirgendwo auf der Welt und hat es in der Geschichte in dieser Intensität auch nicht gegeben. Der immense Öl- und Gasreichtum macht’s möglich. Bilfinger-Chef Roland Koch, der seine Gruppe als „Engineering- und Servicekonzern“ sieht, „der die Kompetenzen zum Bauen behält“, ist kein Fan von Projekten wie Barwa City. „Das ist ein abgeschlossenes Kapitel“, sagt er nüchtern vor Journalisten im „Four Seasons“ an der Corniche von Doha. Bilfinger will eher „vernetzte Dienstleistungen“ anbieten. Auf mittlere Sicht möchte der Konzern am Golf die Leistung von zurzeit ca. 200 Mio. Euro auf 300 Mio. steigern, sagt Vorstand Joachim Enenkel. Wenn man beachtet, dass die Löhne im Deutschland fünfmal höher sind, dann ist die Summe schon beachtlich, gibt er zu bedenken. Zur Fußball-WM 2022 in Katar fällt ihm allerdings wenig ein. „Wir liefern auch Stadiendächer“, bemerkt er etwas ironisch. Das ist nicht viel, da Katar für die WM allein für die Bahninfrastruktur des kleinen Landes 35 Mrd. US-Dollar ausgeben will. Bis 2018 plant das Emirat in die Gesamtinfrastruktur 130 Mrd. US-Dollar zu investieren. Der Auftrag für den ersten „People Mover“ Katars auf dem Uni-Campus von Doha ging neulich an ein Konsortium unter Beteiligung von Habtoor Leighton Group und Siemens. Leighton ist die australische Tochter von Hochtief. Dank des arabischen Partners ist der Konzern im Mittleren Osten stark präsent. Die deutsche Auslandshandelskammer der Golfregion glaubt trotzdem nicht, dass deutsche Bauunternehmen große Chancen z. B. beim Bau der Stadien haben werden. Zwar stehen die meisten Auftragsvergaben noch bevor, aber die britischen Beratungsunternehmen, die von der Prägung der Emirate als ehemalige britische Protektorate profitieren, lassen den schwach vertretenen deutschen Consultingfirmen offenbar wenig Spielraum.

Millionen in den Sand gesteckt

Bauer Spezialtiefbau hat im arabischen Raum Millionen in den Sand gesetzt. Vorsicht ist also geboten, Euphorie nicht angebracht. Nachdem die Märkte von Nahost in 2010 noch einen „sehr bedeutenden Teil zum Umsatz“ beigetragen haben, habe es in 2011 einen Rückgang gegeben, heißt es im Geschäftsbericht. In Abu Dhabi sei der Bauboom der Vorjahre auf ein normales Niveau zurückgegangen. Dubai sei schwach geblieben. Chancen sieht Bauer am ehesten in Katar wegen der WM. In Kairo stockten wegen des Arabischen Frühlings gleich drei Baustellen von Bauer auf dem Tahrir-Platz, dem Zentrum der Aufstände. Die Leistung in Ägypten „brach deutlich ein“. Auch in Libyen litt das Geschäft wegen des Kriegs. Das Segment Resources konnte das Ergebnis nicht wie erwartet steigern, weil ein Großprojekt, das Abbohren eines Brunnenfeldes, das Amman, die Hauptstadt Jordaniens, mit Trinkwasser versorgen soll, mit Verzögerungen begann und organisatorische Probleme auftraten. In Oman hingegen landete Bauer einen Achtungserfolg mit der weltweit größten Schilfkläranlage zur Reinigung des Abwassers eines Ölfelds. Der Kunde war so zufrieden, dass die Kapazität verdoppelt wird. Außerdem ist das Projekt profitabel. In 2011 wurde es von Kofi Annan mit dem Global Water Award als „Industrial Project of the Year“ ausgezeichnet.

Autor:
Marcel Linden, Bonn
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