„Bei Stuttgart 21 haben
wir unglaublich viel gelernt!“

TPH - Spezialanwendungen für den Tief- und Tunnelbau

Spezialanwendungen für den Tief- und Tunnelbau prägen das Kerngeschäft der TPH Bausysteme GmbH aus Norderstedt. THIS sprach mit Götz Tintelnot, dem
geschäftsführenden Gesellschafter.

THIS: Herr Tintelnot, würden Sie für unsere Leser bitte das Produktportfolio der TPH Bausysteme für den Tief- und für den Tunnelbau schildern?

Götz Tintelnot: Die wesentlichen Schwerpunkte liegen bei TPH in der Entwicklung von Systemen, um geologische Tiefeninjektionen für Tunnel- und Tiefbauinjektionen in Bezug auf deren Stabilität und Dichtigkeit weiter zu verbessern. Gleichzeitig werden diese Produkte auch zum Heben und Festlegen von Fahrwegen genutzt. Seit Mitte der 1960er Jahren sind wir mit Produkten für die klassische Bauwerksabdichtung  gestartet, die im Laufe der Jahrzehnte durch das Thema der Bauwerksanierungen und der Fugenabdichtung ersetzt wurden. Danach begannen wir mit der Entwicklung erster Injektionsstoffe zum Verfüllen von Rissen im Stahlbeton. Darauf folgten innen liegende Abdichtungssysteme für die „Weiße Wanne“, heute würde man sagen für WU- Konstruktionen gem. WU-Richtlinie. Unsere Schwerpunkte liegen heute u.a. auf dem Verfestigen und Verfüllen geologischer Formationen, dem Abstoppen von Wassereinbrüchen sowie auf der Erhöhung von Tragfähig- und Dichtigkeit von Böden. Hier möchten wir nicht nur neue Systeme entwickeln, sondern auch bestehende Systeme kontinuierlich weiter verbessern.

THIS: Und im Tunnelbau?

Götz Tintelnot: Zusätzlich zu den diversen Injektionsmitteln und Verfahren, kommen im Tunnelbau noch weitere Dichtungssysteme hinzu, die für den Bereich Innenschalenabdichtung einzusetzen sind, wie zum Beispiel sog. Klebeanschlusssysteme. Es gibt seit einigen Jahren die Möglichkeit, Kunststoffdichtungsbahnen (KDB) durch Verkleben anzuschließen, gerade für die druckwasserhaltende Abdichtung von z.B. Querschlägen und Durchdringungen besonders interessant.

Da diese Verklebungen natürlich genauso druckwasserdicht und dauerhaft sein müssen wie die Kunststoffdichtungsbahn (KDB) selbst, können die Systeme, die wir ursprünglich zum Abkleben von Arbeitsfugen gegen drückendes Wasser entwickelt haben, auch hier eingesetzt werden und sind auch gerade die zusätzlichen Anforderungen im Tunnelbau adaptiert und geprüft worden. Vor allem mussten die Kleber auf die z.T. intensiven Wasserdrücke angepasste werden, genauso wie Kleber, die auf sehr kalten, Beton- und Stahloberflächen kleben müssen. In Deutschland entstehen derzeit diverse Tunnelbauwerke, wo solche Klebeanschlusssysteme benötig werden. Ebenfalls neu sind Systeme, mit denen man Tübbingfugen nachträglich, durch Injektion sanieren kann, ohne die Tübbinge dabei durchbohren zu müssen. Hier untersuchen wir gerade die Interaktion zwischen diesem Injektionssytem, dem Einbauverfahren und den geeigneten Injektionsmittel, um ein gesamtheitliches System zu erhalten. Darüber hinaus bieten wir  Injektionsschlauch- und Fugenbandsysteme. Hinzu kommen noch klassische Produkte für die Innenschalenabdichtung, also auch wieder Fugenbänder, Fugenbleche, Quellbänder usw.

THIS: All das hört sich nach einer sehr intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit an.

Götz Tintelnot: Ja, eine kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist für TPH eine Art von Lebensformel. An dieser Stelle pflegen wir auch enge Kooperationen mit diversen Universitäten und Hochschulen, um baustofftechnologische Entwicklungen im Tief- und Tunnelbau entscheidend mit voranzutreiben. Ich denke hier etwa – wie schon eingangs erwähnt – an die Herstellung von tragfähigen Körpern im Boden durch Injektionsverfahren, Legungsverfahren oder Dichtungsverfahren. Diese werden oftmals bislang mit Zementinjektionen, Wasserglasinjektionen oder auch mit Vereisung hergestellt, können heute aber auch durch deutlich effizientere oder auch umweltfreundlichere Verfahren ersetzt werden.

THIS: Noch effizienter, aber auch umweltfreundlicher – sind das die beiden wichtigsten Faktoren?

Götz Tintelnot: Beides spielt – neben weiteren Faktoren – eine wichtige Rolle. Umweltfreundlichkeit ist gerade für die Bauchemie ein entscheidender Aspekt. Chemie befindet sich per se immer unter dem Verdacht, nicht allzu umweltfreundlich zu sein. Insofern müssen wir also immer auch aus eigenem Interesse den Beweis mitführen, dass unsere Produkte einen nur sehr geringen oder gar keinen Einfluss auf die umgebende Umwelt haben oder sogar tatsächlich umweltfreundlicher sind als die bisherigen Injektionsverfahren. Hier denke ich z.B. an mineralische Systeme im direkten Kontakt mit Grundwasser während der Injektionsphase. Bei einigen Wassergläsern kennt man den Effekt eines hohen Eintrags von pH-Werten, was zum mobilisieren und migrieren von z.B. Schwermetallen im Boden führt, die dort – je nach Vorgeschichte des Bodens – biogen vorhanden sind. Bei der Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Baustoffen und Verfahren sind noch weitere ökologische Faktoren mit in das Gesamtbild einzubeziehen: nehmen Sie den Energieeintrag bei der Herstellung von Zement sowie den Transport- und Logistikaufwand, wenn große Mengen mineralisches Injektionsgut  in enge Innenstadtlagen transportiert werden müssen. In vielen großen Städten wird derzeit jede verfügbare Baulücke geschlossen. In solchen Lagen werden die Bedingungen für die Erstellung einer Baugrube umweltrechtlich, grundwasserrechtlich und auch unter statischen Gesichtspunkten zunehmend komplexer. Hier stoßen konventionelle Verfahren hin- und  wieder an ihre technischen oder umwelttechnischen Grenzen.

THIS: Ist die Interaktion mit dem Markt bei TPH die wichtigste Grundlage für neue Baustofflösungen?

Götz Tintelnot: Es gibt faktisch nur die Möglichkeit mit dem Markt in Interaktion zu treten und Systemlösungen dann auf der Grundlage dieses fachlichen Austauschs zu entwickeln. Vielleicht kann es bei standartisierten Ausgabenstellungen funktionieren, einfach ein Produkt herzustellen und dieses dem Markt dann zur Verfügung zu stellen. Im Tief- und im Tunnelbau sieht die Welt allerdings etwas anders aus. Hier sind die Gegebenheiten, nämlich die Geologie selbst, manchmal unklar und nicht selten viel  komplexer als zuvor erkundet. Somit ist es eigentlich notwendig, dass unsere Anwendungstechnik beratend vor Ort aktiv ist, um gemeinsam mit dem Planer und/oder dem ausführenden Unternehmen zunächst die Gegebenheiten seriös und neutral zu analysieren, um gemeinsam Lösungsvorschläge zu finden und konkret mit den Fachunternehmen umzusetzen.

THIS: Wie wichtig ist es, ein ganzes Produktsystem anzubieten, um einen gesamten Problemkomplex lösen zu können?

Götz Tintelnot: Sehr wichtig. Besonders im Tunnelbau und im Spezialtiefbau ist es aufgrund der gerade beschriebenen Komplexität entscheidend, über ein gesamtes Baustoffsystem zu verfügen. Wir befinden uns hier stets vor der Herausforderung, aus mehreren – teilweise unbekannten Variablen – eine sinnvolle Gleichung zu erstellen. Dies erfolgt in Interaktion mit dem Planer, dem Gutachter und allen an der Baumaßnahme Beteiligten. Hier sind wir als Hersteller in der Pflicht, mit unserem Baustoffsystem den Lösungs- und Verarbeitungsprozess ganzheitlich zu begleiten. Hierzu gehört es auch oftmals, die benötigten Pumpen, Ersatzteile, Schläuche, Lanzen und das gesamte Equipment bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen.

THIS: Wie intensiv sind Sie bereits in den Planungsprozess involviert?

Götz Tintelnot: Oftmals leider zu wenig. Wir würden gerne früher einsteigen, weil ein rechtzeitiges Eingreifen vielfach kostengünstigere und bessere Lösungen bietet. Denn das Eingreifen zum Zeitpunkt einer Havarie ist sehr teuer und aufwändig. Hier entstehen hohe Kosten, die bei sorgfältiger Planung hätten vermieden werden können. Wir befinden uns derzeit mit einem Bahnbetreiber in einer sehr konstruktiven Diskussion, in der es darum geht, Vorgehensweisen so zu gestalten, dass der gesamte Themenkomplex von Injektionen im geologischen Bereich bis hin zur Betrachtung der Deponiefähigkeit des Tunnelausbruchs in Bezug auf die Reste der Injektionsmittel im Vorfeld adäquat berücksichtigt wird.

Ausschreibungen beschreiben vielfach einen standardisierten Bauprozess. Damit gehen sie nicht auf die individuellen Gegebenheiten aller relevanten Rahmenbedingungen ein. Resultierend daraus müssen während der Bauausführung adhoc Lösungen gefunden werden, darauf sind wir spezialisiert.

THIS: Ich hätte vermutet, dass die Kommunikation zwischen den
entscheidenden Schnittstellen hier besser funktioniert.

Götz Tintelnot: Bodengutachten und geologische Gutachten erfassen nicht immer den kompletten Tunnelquerschnitt. Die detektierten Bereiche erlauben nie eine grundsätzliche Aussage über die geologische Gesamtsituation. Es geht an dieser Stelle aber darum, Hinweise bereits im Vorfeld so genau zu berücksichtigen, um ggfs. planerische Eingriffe in Bezug auf eine vorauseilende Verfestigung vorzunehmen, um eine spätere Havarie schon in der Planungsphase möglichst einzugrenzen bzw. entgegenzuwirken. Zudem ist das gesamte Feld und die Leistungsfähigkeit der Injektionstechnologie vielen am Bau Beteiligten nicht in ausreichendem Maße bekannt. Gerade bei chemischen Injektionen geht man vielfach davon aus, dass diese Technologie sehr teuer ist und erst einmal nicht benötigt wird. Dass aber das vorauseilende Planen solcher Maßnahmen durchaus sehr sinnvoll sein kann, erlebt man bei  vielen Bauvorhaben. Kein Hersteller von Maschinen- und Gerätetechnik im Vortrieb und auch kein Planer könnte ernsthaft behaupten, dass er diese Technologie noch nie benötigt hätte. Gelegentlich ist die Interaktion zwischen Gutachtern, Planern, ausschreibenden Stellen, Bauherren, ob behördlich oder privat, und letztlich den Bauunternehmern am Ende des Tages nicht so gut, wie sie sein könnte.

THIS: Könnte BIM diese Interaktion verbessern? Wie beurteilen Sie den Nutzen von BIM für den Tief-und Tunnelbau?

Götz Tintelnot: BIM bietet hervorragende Möglichkeiten und Chancen, hat meines Erachtens aber auch gewisse Grenzen. So wird wird BIM z.B. keine geologische Störung eigenständig voraussagen können, mir aber den Stand der vorhandenen geologischen Informationen plastisch darstellen, so dass alle am Bau beteiligen den Stand „Ist“ vor Augen haben und bevorstehende Konflikte erkannt werden können. Keine anderes System ist derzeit in der Lage, diese Transparenz in den Bauablauf zu bringen und so Risiken und Chancen klar zu erkennen und zu definieren.

BIM gestützte Planungen und Ausschreibungen sind im positiven wie im negativen, äußert transparent und bedürfen sicher auch einer Anpassung  von HOAI und VOB.

Grundlage für den sinnvollen Einsatz von BIM ist auch eine digitale Ausstattung des Baubetiebes und die umfängliche Schulung der handelnden Personen, genauso wie man Pläne lesen können muss, so mussman auch 3-D verstehen können.

THIS: Wie setzen Sie sich als Unternehmer mit dem gesamten Thema der Digitalisierung auseinander?

Götz Tintelnot: Hier können wir nur Schritt halten, wenn wir unsere Produkte so weit digitalisieren, dass wir sie auch in ein BIM-System implementieren können. Das heißt, das System muss unsere Produkte und deren genaue Einstufung und Beschreibung erkennen können. Diese Informationen müssen als Dateien digital zur Verfügung stehen, damit der BIM-Planer diese sichtbar machen kann. Hierbei ist dann aber wieder die Beratung des Planers oder der ausschreibenden Stelle entscheidend, denn mit dem Produkt als solchem kann er wenig anfangen. Er muss ja wissen, in welcher Menge und wo diese Produkte platziert sind. BIM hat sicher Vorteile, aber die Beratung bleibt intensiv.

Für den gesamten Bereich der Digitalisierung 4.0 stelle ich stets die Frage, wo sind die – wie man so schön sagt – Essentials?  Was ist hilfreich und was kann ich verwerten und was ist für mich eher hinderlich? Aber natürlich müssen wir uns mit diesen neuen Technologien beschäftigen, es wäre töricht es nicht zu tun.

THIS: In welchen Märkten ist TPH aktiv?

Götz Tintelnot: Wir haben eine ganz spannende Mischung von Märkten. Der europäische Binnenmarkt ist eines unserer Hauptziele. Aber auch das außereuropäische Ausland bietet sehr spannende Märkte für uns, z.B. GUS Staaten. Ein spannender Markt, aber mit durchaus hohem Potential. Neben den GUS Staaten ist der Nahe Osten für uns  interessant – ich meine nicht nur Dubai. Auch Saudi-Arabien, der Oman, der Jemen, Katar haben noch Potenzial. Interessant für uns sich aber auch Länder, die aufgrund Ihrer gesellschaftlich-technischen Entwicklung sehr hohes zukünftiges Potential bereithalten, z.B. Afrika oder
einige Staaten in Asien. Derzeit gründen wir eine Niederlassung in HongKong,  um der wachsenden Zahl an Infrastrukturprojek-
ten in dieser Region gerecht zu werden.  Zusätzlich verzeichnen  wir ein zunehmendes Geschäft in Nord- und Südamerika, das sich in den letzten zwei Jahren recht gut entwickelt hat, auch dort werden wir über die Gründungen von Niederlassungen nachdenken.

THIS: Ich würde gerne nochmal auf das ein oder andere Leuchtturm-Projekt zu sprechen kommen.

Götz Tintelnot: Wie viel Zeit haben wir? (lacht) Eines meiner Lieblingsprojekte ist in der Tat Stuttgart 21. Da haben wir sehr viel Vorarbeit geleistet, aber auch bisher viel zum Projekt betragen können. Wir liefern Injektionsstoffe zur vorauseilenden Abdichtung und Verfestigung, auch bei der Injektion von Dammringen sind unsere Produkte im Einsatz. Dieses Projekt ist in der Tat hoch komplex. Das liegt nicht zuletzt auch an der Vielzahl von Beteiligten an dem Projekt – Gutachter, Planer, Bauherren. Zusätzlich ist der Baugrund nicht unproblematisch. Bei S21 läuft eine Vielzahl an Bauprozessen auf engem Raum gleichzeitig, unter Beibehaltung des städtischen Verkehrs, ab. Trotz aller Probleme sicher ein herausragendes Gesamtprojekt.  Hier ist es in jedem Fall die Interaktion mit den am Bau Beteiligten, die uns dort einen Zugang ermöglicht hat. Das reine Anbieten und Liefern von Injektionsmitteln hätte so niemals funktioniert.

THIS: Sie konnten hier mit dem kompletten Know-how von TPH und einem guten Netzwerk tätig werden?

Götz Tintelnot: Wir haben versucht, unsere Produkte auf die Anforderungen der Baustelle abzustimmen und konnten über entsprechende Prüfungen und Zulassungen die Tauglichkeit dieser Produkte zweifelsfrei nachweisen. Das war die halbe Miete. Darüber hinaus verfügen wir über ein sehr gutes Team im Unternehmen, ich meine damit die Einsatzbereitschaft und Kompetenz meiner Mitarbeiter, die erst diesen Beitrag am Projekt möglich werden lassen. Das Beste an Stuttgart 21 ist vielleicht, dass wir bei dem Projekt auch unglaublich viel gelernt haben, was uns in Zukunft weitere Türen zu großen Projekten öffnen wird.

THIS: Was genau meinen Sie damit, dass Sie viel gelernt haben?

Götz Tintelnot: Nehmen wir zum Beispiel das Thema der Anwendungstechnik. Wir sind noch nie mit unserer Anwendungstechnik so tief in ein Bauvorhaben eingestiegen und haben so intensiv beraten und unterstützt. Und über dieses hervorragende Beratungs-Know-how verfügen wir jetzt nicht zuletzt deshalb, weil wir es da machen mussten. Weil wir gefordert wurden. Insofern ist es eine enorme Lernkurve, die wir dadurch gefahren haben. Im Rahmen solcher Projekte sind eine jahrelange Vorarbeit sowie eine jahrelange begleitende Bauberatung notwendig. Wir kriegen fast täglich Anforderungen, Anfragen, Unterstützungsanfragen für diese Baulose bei S 21. Deswegen auch diese Lernkurve. Dieses Projekt ist für die Weiterentwicklung des Unternehmens in den nächsten fünf bis zehn Jahren ganz ausschlaggebend.

THIS: Konnten Sie das mit dem vorhandenen Personal

stemmen?

Götz Tintelnot: Wir mussten und müssen unsere Firma personell so verstärken, damit wir in der Lage sind, all das abzuar-
beiten. Denn der normale Betrieb läuft ja weiter. Tatsächlich wären wir vor zehn Jahren nicht in der Lage gewesen, ein Projekt wie Stuttgart 21 zu stemmen. Heute sind wir dazu in der Lage, auch mehrere solcher Projekte gleichzeitig zu bearbeiten. Das tun wir ja auch. Dieses Thema verfolgen wir bei TPH mit großer Intensität: die Nutzung von chemischen Injektionsstoffen als Injektionsmaterial im Grund und Boden. Die hier vorhandenen Möglichkeiten sind bislang noch weitestgehend nicht ausgeschöpft.

THIS: Was sind weitere Entwicklungsschwerpunkte bei TPH? 

Götz Tintelnot: Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Ersatz von Wasserglassystemen. Es wird tatsächlich an dem Ersatz von Wasserglas – im Prinzip Silikagel – gearbeitet, weil wir der Meinung sind, dass der pH-Wert moderner Injektionsstoff möglichst neutral sein sollte.

THIS: Im Bereich der Baugrubenabdichtung?

Götz Tintelnot: Ja, genau. Die klassische Weichgelsohle ist wieder zunehmend ein Thema. Lange Zeit hat man verstärkt mit dem Düsenstrahlverfahren gearbeitet – also zementös – wobei das eine gewisse Umweltproblematik birgt. Hier bringt man direktverflüssigten Zement mit recht hoher Alkalität in den Bau ein. Das ist sicher nicht weniger umweltproblematisch als die Weichgelsohle. Aber die Weichgelsohle kommt eben auch wegen des besseren Handlings wieder deutlich in Mode und wird bei allen großen Tiefbauern im Moment nachgefragt und entwickelt. Ich bin der Meinung, dass es an der Zeit ist, ein Alternativsystem zu entwickeln, das über einen neutralen pH-Wert verfügt. Gerade im Bereich der zunehmenden Innenstadtbebauung müssen wir dringend die Einfluss solcher Systeme auf die Grundwasserhygiene verbessern.

THIS: Wie reagiert eine eher konservative Branche auf so hochinnovative Ideen?

Götz Tintelnot: Mit freundlichem Interesse, aber großer Zurückhaltung. Chemische Systeme werden eh immer etwas kritisch beäugt, da sie zunächst teurer erscheinen als mineralische Systeme. Aber chemische System bergen sehr viele Möglichkeiten. Sie können immer dann punkten, wenn nicht einfach Kanisterware geliefert wird, sondern komplette Systeme, die so weit erkundet sind, dass sie als geprüftes Gesamtsystem gelten können und auch numerisch und statisch berechenbar sind. Erst dann werden Ingenieurbüros chemische Systeme freiwillig ausschreiben, da ihr technischer Nutzen in Bezug auf die Kosten, die Umweltverträglichkeit und das Handling auf der Baustelle klar erkennbar ist. Dann wird auch klar, dass sie effektiver sein können als herkömmliche Systeme. Es geht darum, schnelle Bauweisen umzusetzen, die möglichst logistikfreundlich und umweltschonend realisiert werden können.

THIS: Wie sieht es mit der Langzeitbetrachtung und Dauerhaftigkeit chemischer Baustoffsysteme aus?  

Götz Tintelnot: Ja, Dauerhaftigkeit ist ein sehr wichtiger Punkt. Gerade im Verkehrswegebau sind 100 Jahre Lebensdauer von Bauwerken Standard. Seitens der Bahnbetreiber wird mittlerweile von 120 Jahren gesprochen. Wir haben bereits  früh – 1998 – damit begonnen, uns zu diesem Thema Gedanken zu machen. Damals haben wir beim MFPA Leipzig Produktproben im Erdreich eingelagert, ein sogenannter Auslagerungsversuch. Alle 5 Jahre werden diese Produkte mechanisch und chemisch begutachtet, um die Dauerhaftigkeit im Einbauzustand laborbegleitend zu dokumentieren. Auf Grundlage dieser Laborreihen verfügen wir über einen Vorsprung, der so nicht eingeholt werden kann. Andere könnten vielleicht innovativer sein, aber sie können nicht dauerhafter sein. Hier konnten wir Erkenntnisse gewinnen, die für komplizierte Bauvorhaben hoch interessant sind. So haben wir zum Beispiel in der aktuellen Versuchsreihe festgestellt, dass die bei unseren Gelen getesteten Wechsellagerungen keine Veränderung der mechanischen Stabilität oder des  Volumens hervorrufen. Das war für uns auch erstaunlich.

Solche Versuche werden immer wieder durchgeführt, mit verschiedenen Produkten und Methoden, z.B. Einlagerungsversuchen in Flüssigkeiten bei unterschiedlichen Temperaturen über mehrere Jahre.

THIS: Wie gehen Sie mit solchen Ergebnissen um?

Götz Tintelnot: Je mehr wir in den Untergrund injizieren, desto wichtiger wird es, dass wir uns auch darum kümmern,
was damit passiert. Wie lange hält das? Oder was macht es mit der Umwelt? Erschwerend kommt hinzu: wir berühren mittlerweile Bereiche, in denen es keine Norm und kein Regelwerk gibt. Diese müssen wir uns sozusagen selber ausdenken und das
tun wir auch. Und das halte ich letztendlich auch als For-
schungs- und eines Tages auch Marketingstrategie für sehr
wichtig. Es geht darum, Ziele zu definieren – aber bitte seriös
und wissenschaftlich von Universitäten oder Prüfanstalten begleitet. Auf dieser Grundlage gilt es dann Strategien zu entwickeln, mit denen man sicherstellen kann, dass bestimmte Produkte, in dem von uns definierten Einsatzbereich spezielle Eigenschaften dauerhaft halten können. Mit allen Anwendungs-
chancen- und Grenzen natürlich. Und die Grenzen müssen wir
z.B durch Auslagerungsversuche und Langzeittestreihen ermitteln. Ich glaube, je offener man das kommuniziert, desto besser ist es letztendlich.

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