Befestigt, aber nicht versiegelt

Bundesweit einmalige Testrecke eröffnet

In Würzburg werden vier Jahre lang neun verschiedene Flächenbefestigungen für Rad- und Gehwege unter Praxisbedingungen getestet. Ziel ist es, einen Belag zu finden, der nicht nur möglichst haltbar, pflegeleicht und preiswert ist, sondern darüber hinaus mit der umgebenden Vegetation sowie dem natürlichen Wasserhaushalt harmoniert.

Beim Bau von Geh- und Radwegen stehen Kommunen regelmäßig im Spannungsfeld verschiedener Interessengruppen und
ihrer Ansprüche: Radfahrer wollen auch bei Schmuddelwetter sicher und sauber an ihre Ziel gelangen, Inline-Skater und Skate­boarder fragen nach glatten Oberflächen, Ökologen und Umweltschützer fordern Beläge, die das Niederschlagswasser nicht einfach in die Kanalisation leiten, sondern den umgebenden Pflanzen und dem natürlichen Wasserkreislauf möglichst ungehindert zur Verfügung stellen ‑und die Stadtkämmerer erwarten eine in Anschaffung und Unterhalt möglichst preiswerte Lösung.

Um hier für zukünftige Entscheidungen eine verlässliche Grundlage zu schaffen, hat die Stadt Würzburg im Juni dieses Jahres eine bundesweit einmalige Teststrecke für neun verschiedene wasser- und luftdurchlässige Flächenbefestigungen gestartet.

Die Teststrecke ist ein rund 450 m langer Abschnitt eines bereits bestehenden Radwegs mit begleitendem Fußweg im Würzburger Stadtgebiet, unweit des Mains. Bis zu 2000 Radfahrer täglich – Einheimische wie Touristen – werden hier in den Saisonmonaten zwischen April und Oktober gezählt. Zwei Baumreihen aus rund 90 Jahre alten Linden säumen den Radweg.


Dauerhaft wasser- und
luft­durchlässig?

„Eine der Herausforderungen an die verschiedenen Flächenbefestigungen ist es, den Baumbestand mit ausreichend Wasser, Luft und Nährstoffen zu versorgen, so dass die Allee keinen Schaden nimmt“, erläutert Dieter Müller, Leiter des Gartenamts der Stadt Würzburg. Deshalb waren Wasser- und Luftdurchlässigkeit zentrale Kriterien bei der Auswahl der Beläge. Laut dem Würzburger Tiefbauamtsleiter Jörg Roth kamen bei einer europaweiten Marktuntersuchung zu Beginn des Vorhabens 25 verschiedene Produkte und Bauweisen in Frage. „Aus diesen haben wir neun ausgewählt und die Herstellerfirmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeladen, jeweils ein 50 m langes Teilstücke mit ihren jeweiligen Materialien zu gestalten“, beschreibt Roth. „Die Standort- und Nutzungsvorgaben sind an allen Stellen der Teststrecke gleich, so dass die unterschiedlichen Wegebauweisen unmittelbar verglichen werden können.“

Alle Abschnitte bestehen aus einer ungebundenen mineralischen Tragschicht und einer Deckschicht. Zur Stabilisierung der Deckschichten werden organische, bitumen-, zement- oder kunststoffhaltige Bindemittel zugesetzt. In einem Fall wurde die Teilstrecke auch gepflastert.

Viele Testkriterien in der
Beobachtung

In den kommenden vier Jahren werden Garten- und Tiefbauamt die Beläge auf Herz und Nieren prüfen. Wissenschaftlich unterstützt werden sie hierbei von den Experten der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) aus dem benachbarten Veitshöchheim. Neben der Baumgesundheit werden vor allem auch technische Aspekte beachtet wie Dauerhaftigkeit und Wartungsaufwand. Zum Teil gehen hier Ökologie und Verkehrstechnik Hand in Hand. „Bei einer guten Wasser- und Nährstoffversorgung der Bäume erwarten wir einen geringeren Wurzeldruck, was die Gefahr von Verwerfungen in der Wegoberfläche reduziert“, erläutert Jürgen Eppel, Abteilungsleiter Landespflege bei der LWG. Weiterhin ist zu klären, wie gut die Beläge vor allem im Herbst und Winter zu reinigen sind. Wie empfindlich sind sie gegen Frostsprengung, kommt es zu Erosion oder Pfützenbildung? Geprüft wird auch, ob die Wasserdurchlässigkeit bei allen verbauten Materialien dauerhaft erhalten bleibt oder ob sich der Wasserschluckwert und das Luftporenvolumen durch Staub-, Laub- und Blüteneintrag verschlechtern.

Außer diesen mit wissenschaftlichen Messmethoden verifizierbaren Aspekten werden über den gesamten Versuchszeitraum hinweg auch die subjektiven Urteile der verschiedenen Nutzergruppen abgefragt. Dies geschieht zum einen über wiederholte Fragebogenaktionen bei Interessensvertretern wie zum Beispiel dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club, dem Bayerischen Blinden- und Behindertenbund, dem Seniorenbeauftragen der Stadt Würzburg und dem Lauftreff des Sportvereins DJK Würzburg. Zum anderen ist jeder Bürger aufgerufen, seinen persönlichen Favoriten unter den verschiedenen Belägen zu küren oder Kritik zu äußern. Oberbürgermeister Georg Rosenthal: „An beiden Enden der Testrecke haben wir großflächige Erläuterungstafeln aufgestellt mit dem Aufruf an die Bürger, uns ihre Meinung mitzuteilen. Jede Teilstrecke ist klar beschildert, so dass eine Identifizierung leicht möglich ist. Als Kommunikationsplattform haben wir auf der Homepage der Stadt Würzburg eine entsprechende Internetseite eingerichtet.“

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