Bamberg sperrt die Bäche aus

Kampf gegen Fremdwasser im Kanalnetz

Bei der Fremdwasser-Reduzierung werden verrohrte Oberflächenge­wäs­ser in ihrer Bedeutung unterschätzt. In Bamberg schafft man eine der größten Fremdwasserquellen dieser Art nun in einem spekta­ku­lären Bauvorhaben aus der (Unter-)welt. Die Bachläufe aus dem Haupt­smoorwald werden durch ein neu verlegtes Rohr DN 1200 in den Main-Donau-Kanal abgeleitet.

Für den Bau dieser Leitung kamen im aktuellen 2. Bauabschnitt GFK-Wickelrohre des Systems Flowtite von Amitech Germany, Mochau zum Einsatz, die von der Reinhardt Feickert GmbH (Witzleben) verlegt wurden.

Fremdwasser ist bundesweit ein höchst unbeliebtes Phänomen in öffentlichen Schmutz- und Mischwasserkanälen. Seine Quellen sind vielfältig: Ganz vorn in der Liste der „Täter“ rangieren undichte öffentliche und private Leitungen. Häufig unterschätzt werden aber Oberflächengewässer, die irgendwann im Laufe der Stadtgeschichte in Rohren unter der Erde verschwunden sind. Nicht wenige davon wurden unerkannt zu Teilen des öffentlichen Abwassernetzes.
Fremdwasser verursacht Kosten

Wo aber Oberflächengewässer durch die Kläranlage fließen, kann man der Fremdwasserkosten und –probleme aufgrund des zusätzlichen Zuflussvolumens oft nicht wirklich Herr werden. Zu dieser Einsicht gelangte man schon vor Jahren auch beim Entsorgungs- und Baubetrieb der Stadt Bamberg, als dieser sich mit den hohen Fremdwasseranteilen am Kläranlagenzulauf beschäftigte. Gleich mehrere Abwassersammler offenbarten bei näherem Hinsehen eine Doppelexistenz als historisch verrohrte Bäche und Gräben, die irgendwann unerkannt ins Kanalnetz integriert und dann an die Kläranlage angeschlossen worden waren. Solche „Irrläufer“ werden seit geraumer Zeit systematisch saniert. Der letzte, aber auch schwierigste Fall war der Hauptsmoorwald, dessen sämtliche Entwässerungsgräben seit vielen Jahren ins Bamberger Mischwasser-Kanalisationsnetz und von da aus in die Kläranlage eingespeist werden.

Dipl.-Ing. Andreas Jessen vom Entwässerungsbetrieb geht davon aus, dass die „Drainage“ des Hauptsmoorwaldes die öffentliche Infrastruktur mit jährlich weit mehr als 150 000 Kubikmetern belastet: Wasser, das keineswegs gereinigt werden muss, aber dennoch in die Kläranlage fließt und dort den geordneten Betrieb durcheinander bringt und zudem erhebliche Kosten erzeugt – nicht zuletzt für die fällige Abwasserabgabe. Für den städtischen Abwasserbetrieb Anlass genug, ein rund 1 Million € teures Projekt ins Werk zu setzen, bei dem die Abflüsse des Hauptsmoorwaldes in einem eigenen Sammelkanal durchs Stadtgebiet abgeführt und in den Main-Donau-Kanal eingeleitet werden.

Die Trasse des Rohrs, das auf einen Spitzenabfluss von ca. 2,6 Kubikmeter pro Sekunde ausgelegt ist, stellt eine große bautechnische und organisatorische Herausforderung dar, weil sie über weite Strecken im Bereich stark frequentierter Verkehrsstraßen verläuft bzw. solche Verkehrsadern kreuzt. Besonders der 2. Bauabschnitt, der im Juli 2009 begonnen wurde und bis Ende November abgeschlossen sein soll, hat es „in sich“: Er liegt im Bereich des vierspurigen Münchner Rings, der hier als Bundesstraße 22 Richtung Würzburg führt und zu den am stärksten befahrenen Straßen Bambergs zählt.

Das hatte nicht nur Konsequenzen für die Bauablaufplanung, sondern auch Auswirkung auf die Wahl des zum Bau eingesetzten Rohrwerkstoffs. Nach reiflicher Überlegung schrieb das Ingenieurbüro Weyrauther, Bamberg, die Verwendung von GFK-Rohren DN 1200 für rund 680 m der Trasse aus. Dieser Werkstoff bietet aufgrund seines sehr geringen Metergewichts ein einfaches Handling auf der Baustelle und damit ein hohes Verlegetempo, was wiederum kürzestmögliche Bauzeiten begünstigt. Wenn, wie unter dem Münchner Ring in Bamberg, große und dauerhaft dynamische Lasten bei zudem geringer Überdeckung sicher aufgenommen werden müssen, ist GFK unter statischen Aspekten eine ideale Wahl. GFK nimmt Lasten elastisch auf, ohne sich dauerhaft zu verformen. Dies wurde in Langzeit-Laborversuchen hinreichend nachgewiesen.

Eine besondere Herausforderung lauerte im Bereich der Unterführung des Münchner Rings unter der ICE-Strecke Bamberg-Nürnberg. Die Bahnbrücke hatte man nordwestlich der B 22 in Rohrvortriebstechnik unterfahren. So konnte man den Tiefpunkt der Straßenunterführung umgehen, musste aber dennoch die Fahrbahn im Bereich der östlich aufsteigenden Fahrbahnrampe kreuzen – und zwar oberhalb der Grundwasserwanne der Fahrbahn. Dazu wurde der 1200er Rohrstrang an dieser Stelle in zwei parallele Rohre DN 900 aufgespalten, die sich anschließend wieder vereinigen. Bei nur 100 cm Überdeckung erwies sich gerade an dieser Stelle der Werkstoff GFK als sehr zweckmäßig.
Aus der Sicht von Dipl.-Ing. Andreas Jessen vom Entsorgungs- und Baubetrieb der Stadt Bamberg zahlt sich in diesem Projekt einmal mehr aus, dass man dem vollen Spektrum der zeitgenössischen Rohrwerkstoffe aufgeschlossen und vorurteilsfrei gegenüber steht. Rohrmaterialien seien in Bamberg keine Weltanschauung, sondern würden stets nach strengem Abgleich der Eigenschaften mit dem Anforderungsprofil des jeweiligen Einzelfalles eingesetzt. Jedes Material wird da verlegt, wo es sinnvoll ist. Vor diesem Hintergrund spiele dann natürlich auch die Wirtschaftlichkeit eine entscheidende Rolle– bei einem durchaus langfristigen und mehrdimensionalen Verständnis des Begriffs Wirtschaftlichkeit.

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