BIM-Fachmodell Schalungstechnik

Aktuelle Ergebnisse der BuildingSMART-Projektgruppe

Bauwirtschaft, Schalungsindustrie, Fachverbände und Softwarehersteller haben für die Planung und Realisierung von Ortbetonkonstruktionen in vertrauensvoller Kooperation das BIM-Fachmodell Schalungstechnik (Ortbetonbauweise) statuiert.

Auf Initiative des Güteschutzverbandes Betonschalungen Europa e.V. (GSV) als Vertreter der Schalungsindustrie, der führenden Unternehmen der Bauwirtschaft, des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins e.V., der Softwarehersteller sowie des Instituts für Baubetrieb der TU Darmstadt wurde innerhalb des BuildingSMART e.V. eine Projektgruppe mit dem Ziel eingerichtet, die Entwicklung eines BIM-Fachmodells als normierte Schnittstelle für die Daten- und Informationstransfers beim Einsatz von Schalungen, Traggerüsten sowie Arbeits- und Schutzgerüsten in den Planungs- und Realisierungsprozessen von Betonkonstruktionen in Ortbetonbauweise zu vollziehen.

Ergebnis: GSV-Richtlinie

Innerhalb einer 16-monatigen, von Vertrauen geprägten und intensiven Arbeitsphase ist es gelungen, eine Vereinbarung darüber zu treffen, welche und in welcher Beschaffenheit Daten und Informationen zwischen den Bauprojektbeteiligten zu definierten Projektphasen auszutauschen sind. Das Ergebnis ist durch die Publikation der GSV-Richtlinie „BIM-Fachmodell Schalungstechnik (Ortbetonbauweise)“[1] dokumentiert. Das Fachmodell entspricht gemäß den Standards von buildingSMART dem Status des Information Delivery Manual (IDM). Die Erprobungsphase belegt, dass das entwickelte BIM-Fachmodell nachhaltig die vernetzt-
kooperativen Prozesse innerhalb der BIM-Methodik fördert.

Basisstruktur des entwickelten BIM-Fachmodells

Traggerüste, Schalungen sowie Arbeits- und Schutzgerüste sind temporäre Konstruktionen für Bauwerke und gleichzeitig Arbeitsmittel, welche eine integrale und aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Baukosten und der Bauzeit sowie der Qualität relevante Komponente des Bauens bilden. Insofern ist es für die Unternehmen der Bauwirtschaft wichtig, dieses Element über alle Phasen der Planung und Realisierung von Bauprojekten adäquat zu erfassen. Das entwickelte „BIM-Fachmodell Schalungstechnik (Ortbetonbauweise)“ ist integriert in die Prozessstrukturen von Bauunternehmen. Daher wurde es in fünf Entwicklungsstufen LODFW 100 bis LODFW 450 (Level of Development Formwork Technologies LODFW) angelegt und in die Prozesse und Projektphasen eingebettet (siehe Abbildung 1, Seite 88).

Abbildung 1 verdeutlicht, dass die einzelnen LODFW dynamisch in die verschiedenen Projektphasen einwirken können, sodass es projektspezifisch zwischen den Austauschinstanzen einer individuellen Vereinbarung bedarf. Dieses ist erforderlich, um Daten und Informationen adäquat den Bedarfen insbesondere für die Ausführungsseite zur Verfügung zu stellen, beispielsweise für die Bestimmung der Bauverfahrenstechnik der Rohbauarbeiten, für die Präzisierung der Eingangswerte für die Kalkulation und Preisbildung, für die Arbeitsvorbereitung und die etwaige Visualisierung der Produktionsprozesse, das Controlling sowie für die Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

In Abbildung 2 (Seite 89) ist ein Schema der Integration der Planungsleistungen der Schalungstechnik in das System BIM dargestellt. Das Fachmodell entnimmt aus dem zentralen Datenmodell die für die eigenen Verarbeitungsprozesse notwendigen Input-Daten und -Informationen und liefert das Ergebnis (Output-Daten und –Informationen) zurück. In bestimmten Bauprojekt-konstellationen werden dezentrale Austausche zwischen den jeweiligen Fachmodellen gegebenenfalls erforderlich.

Information Delivery Manual (IDM)

Wie bereits ausgeführt wurde, entspricht das entwickelte Fachmodell dem Status des Information Delivery Manuals (IDM) gemäß BuildingSMART [2]. Die Inhalte der einzelnen Level of Development werden mit Bezug zu Abbildung 1 nachfolgend in einer Übersicht dargelegt.

Inhalte LODFW 100

In die Phasen der Akquisition für Planung und Bau respektive der groben Angebotsbearbeitung in der Prozessstruktur des Bauunternehmens wird die Entwicklungsstufe LODFW 100 eingebettet. Die Schalungsplanung wird hauptsächlich auf der Grundlage von Volumenkörpern ohne Zuteilung von Eigenschaften durchgeführt. Darüber hinaus werden Parameter wie Bauwerkskategorie, Bauwerksfunktion, relevante Randbedingungen, charakteristische geometrische Daten und grobe Bauwerksform transferiert. Die Schalungsplanung übergibt auf Basis dieser Daten und Informationen grobe schalungstechnische Hilfswerte bezüglich der grundsätzlichen Machbarkeit sowie Referenzdaten aus anderen Bauprojekten. Die Daten können in Form von Texten, Bildern oder Zeichnungen übermittelt werden.

Inhalte LODFW 200

In der Entwicklungsstufe LODFW 200 wird LODFW 100 fortgesetzt und ausgebaut. Sie wird in die Angebotsphase in der Prozessstruktur des Bauunternehmens eingebettet. In dieser Phase enthält das Modell grundlegende ausführungsbezogene Parameter und wird in den Bauunternehmen für Kalkulations- und Preisbildungsprozesse verwendet. Das Modell enthält in Ergänzung zur Entwicklungsstufe LODFW 100 eine grobe Ablaufstruktur und schalungstechnisch relevante Informationen wie zum Beispiel WU-Beton- oder Sichtbetonanforderungen. Die Schalungsplanung liefert in das zentrale BIM-Modell unter anderem projektbezogene Preis- und Ausführungsrichtwerte, die auf Schalungskategorien (Universalschalungen, Standardschalungen, Sonderschalungen) basieren können.

Inhalte LODFW 300

In der Entwicklungsstufe LODFW 300 wird LODFW 200 fortgesetzt und ausgebaut. Sie ist in der Prozessstruktur eines Bauunternehmens in der Phase zwischen der Definition des Bau-Soll (Bauvertrag) und dem Beginn der Ausführungsplanung verortet. Durch das Hinzufügen von prozessbezogenen Daten und Informationen wie zum Beispiel Herstellungsabschnitte oder Fertigstellungstermine werden projektbezogene Preis- und Ausführungsrichtwerte mit angepassten Vorhaltemengen aus der Schalungsplanung generiert. Die Optimierung kann in iterativen Prozessen zwischen Arbeitsvorbereitung des ausführenden Unternehmens und der Schalungsplanung realisiert werden.

Inhalte LODFW 400

In der Entwicklungsstufe LODFW 400 wird LODFW 300 fortgesetzt und ausgebaut. Zwischen Ausführungsplanung und Arbeitsvorbereitung des Bauunternehmens wird diese Entwicklungsstufe eingebettet. Auf der Grundlage der verfügbaren Daten und Informationen kann die Schalungseinsatzplanung angefertigt werden, welche Preis- und Ausführungsrichtwerte, die Auswahl konkreter Schalungssysteme sowie die konkrete Zuordnung des Schalungs- und Gerüstmaterials zu den Bauteilen und Bauabschnitten beinhalten kann. In dieser Entwicklungsstufe sollte der Vertrag über die Schalungs- und Gerüstlieferung finalisiert werden.

Inhalte LODFW 450

In der Entwicklungsstufe LODFW 450 wird LODFW 400 fortgesetzt und ausgebaut. Sie ist zwischen der Arbeitsvorbereitung und der Bauausführung der Prozessstruktur des Bauunternehmens verortet. Der Input entspricht grundsätzlich den Parametern des Inputs der Entwicklungsstufe LODFW 400, generiert sich jedoch projektspezifisch aus dem Vertrag für die Schalungslieferung. Der Output umfasst dementsprechend eine detaillierte Schalungseinsatzplanung gemäß Vertrag. Ergänzend zum Output der Entwicklungsstufe 400 werden geometrische Darstellungen der Schalungs- und Gerüstobjekte sowie Zusatzinformationen wie Aufbau- und Verwendungsanleitungen sowie weitere für die Bauausführung notwendigen Dokumente übergeben.

Entwicklung einer Model View Definition (MVD)

Die entwickelte Struktur der Level of Development bildet als Information Delivery Manual (IDM) die strukturelle Grundlage zur Weiterentwicklung des BIM-Fachmodells Schalungstechnik (Ortbetonbauweise). Auf dieser Grundlage ist die Fortschreibung des Fachmodells zu einer sogenannten Model View Definition (MVD) möglich, für welche sich die BuildingSMART Projektgruppe an der existierenden IFC-Datenstruk-
tur orientiert. Die MVD stellt den für die Beteiligten relevanten Ausschnitt des normativen Datenformats in der Schnittstelle zur Verfügung, sodass ihre Anforderungen bezüglich Parameterverfügbarkeit und Parameterausprägung erfüllt werden. Diese ist in spezieller Notation sowie nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand IFC-konform zu verfassen. Das ermöglicht den Softwareherstellern und -entwicklern die Integration des Fachmodells in ihre spezifischen Softwaretypen.

Attribuierte Modellobjekte im IFC-Datenschema

Der erste Schritt im Rahmen der Entwicklung der MVD des BIM-Fachmodells Schalungstechnik (Ortbetonbauweise) besteht daher darin, die für die Prozesse der Schalungs- und Gerüstplanung notwendigen Bauteile als Modellobjekte des IFC-Datenschemas zu identifizieren. Weiterhin ist es notwendig, die bauprozessorientiert identifizierten Informationen aus dem IDM in Parameter der Modellobjekte zu übersetzen. Diese Parameter sind in der Weise zu standardisieren, dass eine eindeutige Verwendung im Rahmen der Planungsprozesse ermöglicht wird. Hierbei wird zusätzlich der Einsatz von vordefinierten Parameterinhalten berücksichtigt.

Schließlich ist anhand der identifizierten und typisierten Parameter die Verortung dieser an den Modellobjekten festzumachen und in der MVD zu dokumentieren. Diese verorteten und typisierten Parameter stellen in Verbindung mit den notwendigen Modellobjekten die spezifisch für das BIM-Fachmodell Schalungstechnik (Ortbetonbauweise) attribuierten Modellobjekte dar, welche im Rahmen der Planungsprozesse gemäß IDM notwendig sind. Neben der Verortung von Daten an Modellobjekten ist die Strukturierung der Modellobjekte untereinander eine weitere notwendige Komponente der MVD. Diese Strukturierung der Modellobjekte stellt sicher, dass einheitliche hierarchische und relative Verbindungen zwischen Modellobjekten bestehen.

Implementierungsgrundlage für Softwareentwicklung

Zusammenfassend stellt die MVD des BIM-Fachmodells Schalungstechnik (Ortbetonbauweise) eine Implementierungsgrund-lage für die Softwareentwicklung dar, welche den späteren Anwendern des Fachmodells eine strukturierte Datengrundlage bietet. Gleichermaßen werden die Belange der praktischen Anwendung im Hinblick auf die Prozesse der Projektabwicklung und die im Prozess notwendigen Modellinhalte berücksichtigt.

Zusammenfassung

Es ist bemerkenswert, dass es innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes den Mitgliedern der Projektgruppe gelungen ist, ein für die Baupraxis taugliches und theoretisch begründetes Fachmodell in dem relevanten Bereich von Traggerüsten, Schalungen sowie Arbeits- und Schutzgerüsten zu vereinbaren. Die Entwicklung solcher Fachmodelle erfordert selbstverständlich ein tiefes Fachwissen, aber gleichzeitig auch eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens der mitwirkenden Bauprojektbeteiligten, geht es doch in den Arbeitsprozessen auch um empfindliche Bereiche der Intellectual Property.

Mit Hilfe des Fachmodells erfolgt die Integration und Systematisierung der Schalungs- und Gerüstplanung des Stahl- und Spannbetonbaus in Ortbetonbauweise durch hierarchische und prozessbezogene Attribuierung der Input- und Outputparameter, welche in den zentralen Datenkern einfließen. Das entwickelte Information Delivery Manual (IDM) befindet sich in der Phase der Fortentwicklung zu einer Model View Definition (MVD), denn die Viabilität und die Praktikabilität der ersten Entwicklungsstufe wurden nachgewiesen. Damit ist ein weiterer Baustein der Implementierung der BIM-Methode im Bauwesen entstanden. Die GSV-Richtlinie „BIM-Fachmodell Schalungstechnik (Ortbetonbauweise)“ ist abrufbar über die Homepage www.gsv-betonschalungen.de.

Weitere Informationen unter:

www.buildingsmart.de

www.baubetrieb.tu-darmstadt.de

[1] GSV-Richtlinie „BIM-Fachmodell Schalungstechnik (Ortbeton-
bauweise)“, Güteschutzverband Betonschalungen Europa e.V., Ratingen, 2017
[2] BuildingSMART e.V.
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