Carbonfaserverstärkte Kunststoff-Lamellen verstärken Beton

Alternative zu Spritzbeton

An vielen Betonbauwerken wie Brücken oder Parkgaragen nagt der Zahn der Zeit, sodass Beton nachträglich verstärkt werden muss. Zur Ertüchtigung betroffener Bauteile eigenen sich carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK).

Durch das in den letzten Jahren enorm gestiegene Verkehrsaufkommen und durch Bewehrungsschäden infolge von Chloridkorrosion sind viele Brücken und Parkgaragen den erhöhten Lasten nicht mehr gewachsen. Schmutzwasser und Schnee, im Winter mit Tausalz gemischt, greifen den Beton an und rufen bei unzulänglichem Betonschutz erhebliche Schäden an der Bewehrung hervor: Die Instandsetzung und statische Verstärkung werden unumgänglich.

Insgesamt eine kostengünstige Alternative

Im Vergleich zur Verstärkung mit Stahlträgern oder zu ergänzender Bewehrung in Spritzbeton können CFK-Verbundwerkstoffe bei planmäßigen Lasterhöhungen und Beschädigungen der Bewehrung deutlich kostengünstiger sein. Aber auch Fehler in der Statik oder bei der Bauausführung können durch derartige Verstärkungsmaßnahmen behoben werden. In Deutschland sind CFK-Verbundwerkstoffe seit knapp zwei Jahrzehnten bauaufsichtlich zugelassen. Sie entsprechen den anerkannten Regeln der Technik und sind heute in vielen Ländern sogar viel verbreiteter als bei uns.

Herkömmliche Verstärkung: Stahlträger,

Spritzbeton & Co.

Es gibt eine Reihe von Bauteilen, die aus verschiedenen Gründen einer nachträglichen Verstärkung bedürfen. Im Parkhaus und bei Brücken können die Verstärkung von Deckenplatten und Unterzügen ebenso wie die Ertüchtigung von Stützen notwendig sein. Für die Verstärkung der Zugzone können der Einbau von Stahlträgern oder eine nachträgliche Bewehrung in Spritzbeton genutzt werden.

Die Schichtdicke von Spritzbeton und Zulagebewehrung beträgt aufgrund der notwendigen Betondeckung, des Bewehrungsquerschnittes und des Mindestabstandes zum Altbeton meist 10 cm. Ein nachträglich eingebauter Stahlträger zum Abfangen einer Decke weist oft sogar eine Höhe von 15 bis 20 cm auf. Hierdurch wird die lichte Bauteilhöhe erheblich reduziert. Nach einer Verstärkungsmaßnahme in einem Parkhaus kann es für Transporter und Vans buchstäblich sehr eng werden.

Verstärkung mit CFK-Lamellen

Im Vergleich dazu haben Verstärkungsmaßnahmen mit CFK große Vorteile zu bieten, denn oberflächig aufgeklebte CFK-Lamellen weisen inklusive Klebstoff eine Dicke von weniger als 0,5 cm auf. Bei CFK-Lamellen, die oberflächennah in Schlitzen in den Beton verklebt werden, verändert sich die lichte Höhe sogar überhaupt nicht. Dies kann auch bei Überführungen von Bahngleisen von Vorteil sein, da hier ein gewisses Lichtraumprofil nicht unterschritten werden darf. Auch Straßenbrücken, die von hohen Lkw unterfahren werden, dürfen in ihrer lichten Höhe nur begrenzt reduziert werden.

Bei den CFK-Baustoffen wird extrem geringes Gewicht mit sehr hohen Zugfestigkeiten kombiniert. Zum Beispiel wiegt eine Rolle CFK-Lamellen (d = 1 m) mit einer Länge von 150 m und einem Querschnitt von 50 mm x 1,2 mm gerade einmal 14,4 kg. Sie kann leicht von einer Person getragen und platzsparend auf der Baustelle gelagert werden. Durch das geringe Gewicht benötigen die CFK-Lamellen zudem keine zusätzliche Unterstützung während der Aushärtung.

Vorteile gegenüber Stahllaschen

Setzt man stattdessen eine Stahllasche ein, ist bei gleicher Fes-tigkeit mit einem Gewicht von etwa 400 kg zu rechnen, was zusätzlich das Eigengewicht des Bauteils erhöht. Der Transport zum Anwendungsort sowie die Applikation sind allein dadurch viel aufwendiger. Zusätzlich muss die Stahllasche während der Aushärtung durch zusätzliche Stützen gehalten werden.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Aufwand vor, während und nach der Verstärkungsmaßnahme mit Stahl deutlich höher ist als bei der Applikation von CFK-Lamellen. Aufgrund der Schlankheit der CFK-Lamellen, ihres geringen Gewichtes und ihrer Flexibilität können sie zwischen vorhandenen Rohr- und Versorgungsleitungen hindurch geführt werden. Dies ist mit Spritzbeton oder Stahlträgern nicht möglich. Insbesondere bei Industriebauten und Einkaufszentren ist dies von Vorteil, da es das Verlegen von Leitungen vor der Maßnahme erspart.

Vorteile gegenüber Spritzbeton

Bei der Verstärkung mit Spritzbeton kann das Bauteil erst nach Aushärten des Betons belastet werden (nach 28 Tagen). Die Applikation von CFK-Lamellen dauert unter Berücksichtigung entsprechender Untergrundvorbereitung je nach Größe des Projektes nicht länger als zwei Tage. Nach zweitägiger Aushärtung des Klebers kann das Bauteil voll belastet werden. Die Bauzeit und die Sperrzeiten des Bauwerks lassen sich so auf ein Minimum beschränken. Parkflächen werden rasch wieder genutzt, die Brücke schneller wieder für den Verkehr freigegeben. Auch gerissene Spannglieder können schnell und ad hoc mit
CFK-Lamellen ersetzt werden, das schwierige Einfädeln von
zusätzlichen Spanngliedern entfällt.

Bei Rechnungen zur Wirtschaftlichkeit genauer hinschauen

Der Materialpreis der CFK-Lamellen ist höher als der Stahlpreis. Betrachtet man allerdings das Gesamtsystem und berücksichtigt die Ausfallzeiten während und die teilweise eingeschränkte Nutzung nach der Verstärkungsmaßnahme sowie die aufwendige Baustelleneinrichtung und -logistik, ergibt sich ein anderes Bild.

Insbesondere bei geringen Verstärkungsgraden ist der Einsatz von CFK-Lamellen meist deutlich wirtschaftlicher als der Einsatz von Stahl oder Spritzbeton.

Um die Kosten für eine Verstärkung mit CFK-Lamellen richtig abzuschätzen, ist eine Vorbemessung unabdingbar. Hierbei wird die Anwendbarkeit der CFK-Verstärkung geprüft und der minimale erforderliche Lamellenquerschnitt berechnet, woraus sich dann eine Kostenschätzung ergibt.

Verstärkungsrichtlinie beachten

Wichtig ist, die Bemessung richtig anzugehen. Die DAfStb-Verstärkungsrichtlinie [1] enthält die notwendigen Bemessungsregeln für die Biegeverstärkung mit aufgeklebten CFK-Lamellen und CF-Gelegen sowie für in Schlitze geklebte CFK-Lamellen. Sie regelt die Querkraftverstärkung durch aufgeklebte CF-Sheets und Stahllaschen sowie die Stützenverstärkung durch
Umschnürung mit CF-Gelegen.

Mit Einführung der Richtlinie im Jahr 2012 hat sich insbesondere die Biegebemessung der oberflächig aufgeklebten Bewehrung geändert. Es ist nun möglich, die Lamellenfestigkeiten vollständig
auszunutzen. Dadurch kann der erforderliche Lamellenquerschnitt reduziert werden. Hiermit ist jedoch eine komplexe Nachweisführung verbunden, die per Hand kaum nochgerechnet werden kann. Tragwerksplaner können jedoch bei der Bemessung
von Verstärkungsmaßnahmen mit CFK-Lamellen oder CF-Sheets auf entsprechende Bemessungsprogramme zurückgreifen, die den minimal erforderlichen Lamellenquerschnitt in viel kürzerer Zeit berechnen [2].

Auf die richtige Lamelle kommt es an

Für den wirtschaftlichen Einsatz des Systems ist jedoch mehr erforderlich als die reine Kenntnis der Bemessungsrichtlinien und Zulassungen. Die richtige Wahl der CFK-Lamelle spielt bei der Kostenfrage eine große Rolle. Die CFK-Lamellen unterscheiden sich auf dem deutschen Markt in ihrem E-Modul. Bei etwa gleichen Zugfestigkeiten weisen die normalmoduligen Lamellen
einen E-Modul von etwa 160 GPa, die hochmoduligen
CFK-Lamellen einen E-Modul von etwa 200 GPa auf. Bei dem Nachweis der Tragfähigkeit haben die
normalmoduligen Lamellen oftmals keinen großen Nachteil gegenüber den hochmoduligen Lamellen. Sie sind allerdings preiswerter und sollten daher nach Möglichkeit bei Verstärkungen bevorzugt eingesetzt werden.

Auch die Wahl der Applikation hat einen Einfluss auf die Kosten. Die in Schlitze geklebten Lamellen
können deutlich höhere Verbundspannungen aufnehmen als die oberflächig geklebten Lamellen. Hierdurch reichen bei den in Schlitzen geklebten Lamellen
geringere Querschnitte zur Aufnahme derselben Kräfte. Durch eine einfachere Oberflächenvorbereitung bei den in Schlitze geklebten CFK-Lamellen können die Kosten für die Applikation und die Materialkosten reduziert werden.

Brandschutz

Ebenso wie bei herkömmlichen Verstärkungsmaßnahmen mit Stahl müssen auch bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung von CFK-Verstärkungen Brandschutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Die Glasübergangstemperatur des Epoxidharzklebers, mit dem die CFK-Lamellen verklebt werden, liegt bei über 55 °C. Ab dieser Temperatur beginnt der Klebstoff zu kriechen und kann die Kräfte aus dem Beton nicht mehr voll in die CFK-Lamellen übertragen. Die Lamellen fallen daher im Brandfall ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen rechnerisch aus.

Bei der Heißbemessung gemäß Eurocode 2 [3] wird das Bauteil mit reduzierten Teilsicherheitsbeiwerten für außergewöhnliche Einwirkungskombinationen ohne Einwirkung der CFK-Lamellen nachgewiesen. Die innere Stahlbewehrung muss in diesem Fall die Kräfte aufnehmen können. Lässt sich über die Heißbemessung die Tragfähigkeit nachweisen, kann auf eine zumeist kostenintensive Brandschutzverkleidung verzichtet werden. Dies ist erfahrungsgemäß bei 85-90 % der Verstärkungsmaßnahmen der Fall.

Der CFK-Verstärkung sind Grenzen gesetzt

Mit CFK-Verbundwerkstoffen lässt sich nicht jedes Bauteil ertüchtigen. Es gibt Anwedungsgrenzen, die im Vorfeld geklärt werden müssen – etwa die Verstärkung von konkav gekrümmten Bauteilen und solchen, die Dauertemperaturen über 40°C ausgesetzt sind. Die Traglasterhöhung wird oftmals durch das Druckversagen des Betons eingeschränkt.

Bei hohen Kräften und kurzen Verankerungslängen kann auch der Endverankerungsnachweis zu Problemen führen. Es muss geprüft werden, ob die Kräfte mit Bügelumschließung oder in Schlitze geklebten CFK-Lamellen im Beton verankert werden können. Die Anwendbarkeit der CFK-Verstärkung ist somit im Vorfeld durch eine Vorbemessung zu kontrollieren.

Fazit

Verstärkungsmaßnahmen mit CFK-Verbundwerkstoffen sind bei der nachträglichen Verstärkung von Betonbauteilen eine kostengünstige und zeitsparende Alternative zu herkömmlichen Verfahren. Nach einer professionellen Bemessung und Planung können mittels CFK-Lamellen Bauteilverstärkungen mit viel kürzeren Ausführungszeiten, deutlich geringerem Arbeitsaufwand und wesentlich kürzeren Ausfallzeiten durchgeführt werden.

MC-Bauchemie Müller GmbH & Co. KG

www.mc-bauchemie.de

Quellen
[1] DAfStb-Richtlinie: Verstärken von Beton-
bauteilen mit geklebter Bewehrung,
März 2012
[2] Statik- und Bemessungsprogramm Lasoft
4.0 der MC-Bauchemie Müller GmbH
& Co. KG
[3] DIN EN 1992 1 2:2012-12: Bemessung und
Konstruktion von Stahlbeton- und
Spannbetontragwerken - Teil 1-2: Allge-
meine Regeln - Tragwerksbemessung für
den Brandfall
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2017

Wirtschaftlich denken, verantwortlich handeln

Frühzeitige Instandsetzung von Betonbauwerken verhindert Kostenexplosionen

Jahrelang hat sich die Instandsetzungspolitik von Bund, Ländern und Kommunen ausschließlich auf das Allernötigste konzentriert. Das Ergebnis dieser Politik ist mittlerweile unübersehbar: Viele...

mehr
Ausgabe 09/2019

Wenn die Brücke smart wird

Intelligentes Verstärkungs- und Schutzsystem für Brückenbauwerke

Die Dauerhaftigkeit von Straßenbrücken aus Stahlbeton wird insbesondere dadurch gefährdet, dass Chloride durch beschädigte Abdichtungen, Fugen und Übergangsprofile in den Beton eintreten....

mehr
Ausgabe 03/2016

Verstärkung für marode Stahlbrücken

39.000 Brücken sorgen auf Deutschlands Fernstraßen für schnelle Verbindungen und kurze Transportwege, viele davon seit den 70er Jahren oder noch früher. Diese Bauwerke wurden damals für eine...

mehr
Ausgabe 06/2018

Bahn frei über den Rhein

Sanierung der Fleher Brücke

Die Fleher Brücke ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme. Dies bezieht sich nicht nur auf die Länge und Höhe der Rheinquerung sondern auch auf die täglich zu bewältigende Verkehrsmenge. Vor...

mehr

Beton-Sanierung: Denkmal neu interpretiert

Neu gebaut aus Ruinen wurde nach dem Krieg in Berlin-Tempelhof eine Kirche, deren Turm jetzt unter denkmalgerechten Gesichtspunkten instandgesetzt wurde

In der Nachkriegszeit war Berlin zum Aushängeschild für neue, moderne Architektur geworden. Eine wichtige Rolle spielten in dem Zusammenhang die damals neu entstandenen Sakralbauten. Die meisten von...

mehr